In Deutschland fahren Eltern bis zu 500 Kilometer weit, um ihren 3-jährigen Sohn oder die Tochter mit dem Biontech/Pfizer-Impfstoff gegen Covid-19 impfen zu lassen. Eltern, die ihr Kleinkind vor Corona schützen wollen und den weiten Weg auf sich nehmen, gibt es wohl auch in der Schweiz. So wie damals bei den 5- bis 11-Jährigen, als die Zulassung und Empfehlung für diese Altersgruppe noch fehlte.
Für die Impfung von 0 bis 5 Jahren gibt es weltweit noch keine Zulassung. Moderna hat noch keine ausreichenden Daten zur Impfung für Kleinkinder, und Pfizer plant erst die Einreichung der Daten bei der amerikanischen Gesundheitsbehörde FDA. Geplant ist eine noch kleinere Dosis zu verabreichen als bei 5- bis 11-Jährigen. Sind es bei den Kindern 10 Mikrogramm, soll es bei den Kleinsten nur ein Drittel davon sein.
Trotz der fehlenden Zulassung ist eine Impfung für unter 5-Jährige möglich, wenn auch im sogenannten Off-Label-Use, erklärt Christoph Berger, Leiter der Impfkommission und Infektiologe am Universitäts-Kinderspital Zürich. Für die Impfung müssen die Eltern und der impfende Arzt die Verantwortung übernehmen, wenn Zulassung und eine Empfehlung einer Kommission fehlen.
Warum greifen Eltern einer Zulassung vor? «Ich denke, es spiegelt die Verzweiflung vieler Eltern wider, die Ihr Kind vor einer Infektion schützen wollen», sagt Isabella Eckerle, Virologin an der Universitätsklinik in Genf. Weiter sagt sie:
In den Altersgruppen über 5 Jahre sei der Nutzen der Impfung klar belegt. «Zum Beispiel verhindert die Impfung das Auftreten der Entzündungskrankheit PIMS», sagt die Virologin. Bei den aktuellen Infektionszahlen und dem fehlenden Infektionsschutz an Kindergärten und Schulen werde die Impfung für die allermeisten Schweizer Kinder aber wohl zu spät kommen, da sie sich bis dahin bereits infiziert hätten, sagt Eckerle.
Am Zürcher Kinderspital werden keine Off-Label-Impfungen für Kleinkinder gemacht. Berger sieht im Moment noch keinen Sinn darin. Es lägen keine Zulassungsdaten vor. Bei unter 5-Jährigen müsste in dieser Situation das Risiko einer schweren Covid-Erkrankung jenes einer Impfung aufwiegen – das sei in dieser Altersgruppe bis jetzt nicht so. «Ich würde Eltern raten, zuzuwarten bis man mehr weiss», sagt Berger.
Eltern lassen ihre Kleinkinder oft aus Furcht vor der Entzündungskrankheit PIMS und vor Long Covid impfen. PIMS sei bei Kindern sehr selten, sagt Berger. «PIMS ist selten und betrifft eher Schulkinder und kaum Kinder unter 5», bestätigt Anita Niederer vom Ostschweizer Kinderspital. «Auch in Bezug auf Long Covid gibt es zunehmend Hinweise, dass dies bei Kindern sehr selten vorkommt und die Symptome in der Regel nach wenigen Wochen wieder weg sind. Auch hier sind mehrheitlich ältere Kinder betroffen», sagt die Infektiologin. Berger teilt diese Meinung, über Long Covid wisse man in dieser Altersgruppe zu wenig.
Auch das Ostschweizer Kinderspital bietet keine Off-Label-Covid-Impfungen für Kinder unter 5 an. «Auch nicht, wenn Eltern das wünschen», sagt Niederer. Wie Berger hält sie «eine Off-Label-Anwendung für unter 5-Jährige weder für sinnvoll noch für nützlich.» Zentrale Fragen wie beispielsweise die richtige Dosierung für Kleinkinder seien noch nicht geklärt. Auch Daten zur Wirksamkeit, Verträglichkeit und Sicherheit fehlten für diese Altersgruppe. Und noch sei unklar, welche Reaktionen des Immunsystems die Impfung bei Kleinkindern auslöst.
«Das Risiko eines schweren Covid-Verlaufs für Kinder ist minimalst. Das gilt es dann abzuwägen gegen die Anwendung eines nicht zugelassenen Impfstoffes mit möglicherweise falscher Dosierung und Nebenwirkungsrisiken. Auch wenn diese wahrscheinlich ebenfalls minimal sind», sagt Niederer vom Ostschweizer Kinderspital.