Etwas mehr als einen Monat ist es nun her, dass der offizielle Startschuss zur Schweizer Impfkampagne erfolgt ist. Am Anfang war da noch Vorfreude, ein bisschen Euphorie vielleicht gar. Aber bald häuften sich die negativen Schlagzeilen. Der Impfstoff? Zu knapp. Das Tempo? Zu lahm. Bund und Kantone? Zu wenig einig.
Jetzt gibt es wieder einmal gute Nachrichten an der Impf-Front: In den Alters- und Pflegeheimen ist die Impfbereitschaft hoch. Das zeigen Zahlen, welche die «Schweiz am Wochenende» bei den Kantonen erhoben hat. Die Schweizer Impfstrategie sieht vor, dass zuerst die besonders gefährdeten Personen, insbesondere auch in Heimen, geimpft werden.
Das passiert in den Kantonen nun schon seit mehreren Wochen. Fast alle konnten deshalb auf die Frage, wie hoch die Impfbereitschaft dort ist, eine Antwort liefern. Nicht immer waren die Angaben gleich präzise, viele Kantone lieferten eine Schätzung. Doch sie reichen aus, um erstmals ein Bild davon zu zeichnen, wie viele Menschen in den Altersheimen bald vor dem Coronavirus geschützt sein werden.
Die Umfrage zeigt: Rund 80 Prozent der Menschen in den Altersheimen haben sich bereits impfen lassen oder wollen das tun. Experten sind angetan von dieser Zahl. «Sehr gut», sagt zum Beispiel Christoph Berger, der Präsident der Eidgenössischen Kommission für Impffragen EKIF. Rudolf Hauri, der Präsident der Vereinigung der Kantonsärzte, sagt, er habe auf einen solchen Wert gehofft. Und: «Ich bin zufrieden.»
In den Kantonen variiert die Impfbereitschaft beträchtlich. Am tiefsten ist sie in den Kleinkantonen Appenzell-Innerrhoden und Obwalden mit 50 Prozent; am höchsten in der Waadt. Dort liegt der Anteil der Impfwilligen bei satten 95 Prozent. Generell sind die Menschen in der lateinischen Schweiz eher bereit, sich impfen zu lassen. Das Tessin meldet eine Quote von «über 90 Prozent», Freiburg 94 Prozent, das Wallis über 80. Bevölkerungsreiche Kantone wie Zürich (75 Prozent) und Bern (80 Prozent) liegen im Mittelfeld; in St.Gallen, wo gerade die Altersheime in der zweiten Welle schwer getroffen wurden, wollen sich dagegen nur 70 Prozent impfen lassen.
EKIF-Präsident Christoph Berger sagt, die insgesamt hohe Impfbereitschaft zeige, dass man die Leute in den Altersheimen erreicht und anfängliche Bedenken habe ausräumen können. Allerdings: immerhin gut jeder Fünfte verzichtet bis anhin auf eine Impfung. Als Gründe werden von den Kantonen etwa die Angst vor Nebenwirkungen, der Einfluss von impfskeptischen Verwandten oder Beiständen genannt – und auch das Bedürfnis, der «Natur ihren Lauf zu lassen», wie es aus dem Wallis heisst.
Viele Kantone haben mittlerweile in jedem Heim die erste Impfung verabreicht, wobei das gerade für grössere wie Bern, Zürich oder die Waadt noch nicht gilt. Bern etwa hat erst in rund einem Viertel der Heime geimpft. Schneller sind die kleinen Kantone. In Appenzell-Ausserrhoden wurden gar bereits sämtliche Zweitimpfungen verabreicht. Andernorts läuft dieser Prozess derzeit.
Über die Hälfte der Schweizer Coronatoten lebte in Altersheimen. Nun ist dort in naher Zukunft – der volle Schutz entfaltet sich eine Woche nach der zweiten Impfung – ein Grossteil der Bewohner gegen das Coronavirus geschützt. Rudolf Hauri, der oberste Schweizer Kantonsarzt, geht deshalb davon aus, dass grosse Ausbrüche in den Heimen bald der Vergangenheit angehören werden. Das wiederum, sagt Christoph Berger, wird sich in den Hospitalisations- und Todesfall-Statistiken spiegeln. Berger sagt: «Diese Zahlen werden zurückgehen, weil weniger Menschen krank werden, bei denen Covid-19 schwer verläuft.»
Für ihn ist das nichts weniger als ein «Meilenstein», weil er eine Entlastung für das Gesundheitswesen bedeutet.
Klar ist auch: Je besser die vulnerabelsten Personen geschützt sind, desto lauter werden jene Stimmen, die eine baldige Aufhebung des aktuellen Lockdown fordern. Berger sagt, es brauche rasch eine Diskussion darüber, wie die Schweiz mit dem Coronavirus umgehen will, wenn die Personen mit dem höchsten Risiko geschützt sind.
«Wir wollen so wenig Virus wie möglich, doch wie viele Massnahmen wollen wir in Kauf nehmen? Das ist eine ungeklärte Frage», sagt Berger. Der EKIF-Präsident warnt aber vor zu frühen grossen Lockerungen. Etwa, weil Studien zeigen, dass auch jüngere Patienten mit Langzeitfolgen zu kämpfen haben. Und auch, weil nach wie vor ungeklärt ist, ob die Impfungen nicht nur eine Erkrankung verhindern – sondern auch eine Übertragung des Virus. Hier erhofft sich Berger bald Erkenntnisse, insbesondere aus Israel, wo schon über die Hälfte der Bevölkerung geimpft wurde.
Was bedeuten die vielen Impfungen für die Altersheime? Sind Masken bald Geschichte, eingeschränkte Besuchsmöglichkeiten, andere Schutzmassnahmen? Bei Curaviva, dem Verband der Schweizer Heime, wiegelt man ab. «Wir dürfen nicht vergessen, dass durchschnittlich nach wie vor ungefähr jede fünfte Person nicht geimpft ist», sagt Markus Leser, der den Fachbereich Menschen im Alter leitet. Er warnt vor Ungeduld und sagt, dass Schutzmassnahmen wie Tests und Masken weiterhin nötig seien. Je nach Durchimpfungsquote und dem Infektionsgeschehen in der Region seien aber individu- elle Lockerungen denkbar.
Das Feld ist eröffnet, um die vulnerablen Gruppen zu schützen, machen wir das ganze machen wir ja das ganze Theater.
Dass es auch junge und gesunde treffen kann stimmt, doch dann müssen wir wieder über das Risiko reden und es mit anderen Risikos im Leben vergleichen. Und die Kosten-Nutzen Rechnung sieht dann auch anders aus.