Corona? Eigentlich hat alles schon früher begonnen. Es war im Frühsommer 2019, als ein damals kaum bekannter Chefbeamter namens Daniel Koch im Schweizer Radio erklärte: «Es gibt im Impfbereich sehr viele Fake News.» Deshalb sei es das Ziel seines Bundesamts für Gesundheit (BAG), Skeptiker besser zu informieren und vom Impfen zu überzeugen.
Von einem neuartigen Coronavirus hatte man zu diesem Zeitpunkt noch nichts gehört. BAG-Vertreter Koch sprach damals über Kinderimpfungen. Manche Eltern seien verunsichert und würden die Impfungen kritisch hinterfragen, sagte er. «Sie muss man mit richtigen Informationen erreichen.» Um Fake News rund um Impfungen zurückzudrängen, wollte das BAG unter anderem die Ausbildungspläne für das Gesundheitspersonal überprüfen.
Was da noch ein eher zweitrangiges Thema war, ist heute ein alles dominierendes. Wenige Monate nach Kochs Äusserungen teilte eine Pandemie die Welt in ein Davor und ein Danach. Unterdessen steckt das Land mitten in der grössten Impfkampagne seiner Geschichte. Der Kampf gegen Covid-19: eine globale Kraftanstrengung.
Falschmeldungen und Verschwörungstheorien verbreiten sich im Zeitalter der Sozialen Medien noch schneller als das Virus selbst. Sie kursieren in Whatsapp-Chats, spülen sich in die Timelines von Facebook und Twitter. Mal behauptet jemand, die Covid-19-Impfstoffe veränderten das Erbgut. Dann verbreitet sich der Mythos, der Piks könne unfruchtbar machen.
In diesem Umfeld verändert sich auch die Öffentlichkeitsarbeit der Gesundheitsbeamten. Informationen aufschalten, Medienmitteilungen veröffentlichen, Anfragen beantworten – und alles ist erledigt? So einfach ist das nicht mehr. Das verantwortliche Bundesamt wird mehr und mehr auch zu einem Abwehrzentrum gegen Desinformationen. Die Behörde hat ein «Fake-News-Monitoring» eingerichtet. Sie bestätigt entsprechende Informationen der «Schweiz am Wochenende».
Neu ist nicht das Phänomen, sondern die Dimension. Während der Pandemie habe sich die Verbreitung von Desinformationen exponentiell entwickelt, erklärt Adrian Kammer, der im BAG die Sektion Gesundheitsinformation und Kampagnen leitet. «Mit dem Einsatz der Covid-19-Impfung haben sich die Fake News auf dieses Thema konzentriert.»
Für Kammer geht es dabei um Grundsätzliches. Fake News könnten schwerwiegende Folgen für die Gesundheit haben und zu unangemessenem und riskantem Verhalten führen. «Es ist wichtig, falschen Informationen entgegenzuwirken, damit die Menschen auf der Grundlage wahrheitsgemässer Informationen über eine Impfung nachdenken und ihren persönlichen Impfentscheid treffen können», begründet er die Überlegungen des BAG. Ziel ist es, bei Fake News schnell einzugreifen und etwa mit einer Kampagne reagieren zu können. Dafür greift das Amt auf eine spezielle Software zurück. Sie liefert täglich einen Überblick über die Informationen, die in der Schweiz kursieren. «Dies ermöglicht es dem BAG, Fake-News-Themen zu erkennen, zu priorisieren und gegebenenfalls darauf zu reagieren», so Kammer.
Die Software ist eine Art Frühwarnsystem. Deren Lieferantin, die Firma Pressrelations, verspricht ein «Kommunikationscontrolling» aller relevanten Daten. Soziale Medien werden ebenso ausgewertet wie Nachrichtenportale und Zeitungen. Nach Firmenangaben ermöglicht das «Fake-News-Monitoring» so unter anderem eine Einschätzung, wie vertrauenswürdig ein Medium ist, über das eine Information verbreitet wird. Dazu werden die Quellen auf Glaubwürdigkeit und Transparenz hin geprüft und nach einem Punktesystem bewertet.
Und was, wenn die Pandemie dereinst vorbei ist? Gerade Impfungen werden dann kaum weniger anfällig sein für Falschbehauptungen. «Falsche Informationen kursieren natürlich auch zu anderen Themen», das weiss BAG-Kadermann Adrian Kammer nur zu gut.
Angesichts der aktuellen Lage konzentriere man sich momentan jedoch auf Informationen über Corona und insbesondere über die Covid-19-Impfung. Aber: «Es ist denkbar, dieses Monitoring in Zukunft auf andere Themenbereiche auszuweiten.»
Hitzige Diskussionen entbrennen auch immer wieder in den Kommentarspalten auf den Profilen des BAG in den Sozialen Medien. Das Amt nutzt unter anderem Facebook, Instagram und Tiktok, um über Gesundheitsthemen zu informieren und – wie es heisst – mit der Bevölkerung «im Dialog zu stehen». Eine «Moderationscharta» soll einen «qualitativ guten und höflichen Austausch» sicherstellen. Falschmeldungen werden von BAG-Mitarbeitenden gelöscht oder ausgeblendet.
Am gefährlichsten sind die Menschen und Gruppierungen welche gezielt Falschinformationen mit dem Ziel der Desinformation und zur Verfolgung eigener Absichten verbreiten. Gegen solche Machenschaften sollten viel energischer vorgegangen werden.