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Die Corona-Herbstwelle kommt – die wichtigsten Fragen und Antworten dazu

ARCHIV --- ZUR ANKUENDIGUNG DES BUNDESRATS UEBER DIE AUFHEBUNG DER CORONAMASSNAHMEN --- Passenger wearing protective mask works on a laptop as he rides a SBB CFF FFS train during the coronavirus disea ...
Kehren die Masken im öffentlichen Verkehr zurück? Das hängt auch von den neuen Virus-Varianten ab.Bild: keystone

Die Corona-Herbstwelle rollt an – das sind die wichtigsten Fragen und Antworten

Es war nur eine kurze Verschnaufpause: Nach den hohen Infektionszahlen im Juli hatte sich das Coronavirus im August und September die erhoffte Sommerpause gegönnt. Doch nun baut sich die dritte Herbstwelle in Folge auf – alles, was du dazu wissen musst.
06.10.2022, 10:1907.10.2022, 17:04
Philipp Reich
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Wie sehen die aktuellen Zahlen aus?

In der vergangenen Woche sind die Corona-Fallzahlen deutlich angestiegen. Waren es in der Vorwoche noch 16'826, sind es nun 25'134 laborbestätigte Fälle – das ist ein Anstieg von rund 50 Prozent. Die 7-Tage-Inzidenz der Neuinfektionen liegt in der Schweiz momentan bei 289,2 Fällen pro 100'000 Einwohner und damit unter denjenigen in den Nachbarländern Deutschland (414,5), Frankreich (494,6), Italien (412,5) und Österreich (968,8).

Die hiesigen Infektionszahlen dürften allerdings kaum die Wirklichkeit abbilden. Viele Menschen berichten nach einer Corona-Infektion, dass sie keinen PCR-Test gemacht haben. Schliesslich schlägt auch ein Schnelltest meist sofort an. Das heisst, dass diese Fälle nicht in die offiziellen Corona-Statistiken des BAG einfliessen. Berücksichtigt man die allgemeine Testmüdigkeit und die hohe Positivitätsrate von 36 Prozent, ist von einer hohen Dunkelziffer bei den Infektionen auszugehen.

Wie sieht es im Abwasser aus?

Der Trend zum Anstieg der Viruslast zeigt sich auch im Abwasser. Das Monitoring des Wasserforschungsinstituts Eawag zeigt in den Kläranlagen Werdhölzli ZH, Altenrhein SG und Chur in den vergangenen Tagen deutlich mehr Sars-CoV-2 im Abwasser.

Ara Werdhölzli ZH

Violett = Sars-CoV-2 RNA im Abwasser im 7-Tage-Schnitt.Hellblau = Neue Fälle im 7-Tage-Schnitt.
Violett = Sars-CoV-2 RNA im Abwasser im 7-Tage-Schnitt.
Hellblau = Neue Fälle im 7-Tage-Schnitt.
bild: eawag.ch

Ara Altenrhein SG

Violett = Sars-CoV-2 RNA im Abwasser im 7-Tage-Schnitt.Hellblau = Neue Fälle im 7-Tage-Schnitt.
Violett = Sars-CoV-2 RNA im Abwasser im 7-Tage-Schnitt.
Hellblau = Neue Fälle im 7-Tage-Schnitt.
bild: eawag.ch

ARA Chur GR

Violett = Sars-CoV-2 RNA im Abwasser im 7-Tage-Schnitt.Hellblau = Neue Fälle im 7-Tage-Schnitt.
Violett = Sars-CoV-2 RNA im Abwasser im 7-Tage-Schnitt.
Hellblau = Neue Fälle im 7-Tage-Schnitt.
bild: eawag.ch

Wie hoch ist die Spitalauslastung?

Angestiegen sind auch die Hospitalisationen um 36 Prozent auf 290 Spitaleintritte. So viele gab es letztmals Anfang August. Die Auslastung der Spitäler bleibt damit auf einem tiefen Niveau stabil. Aktuell machen Covid-Patientinnen und -Patienten auf den Intensivstationen 3,9 Prozent aus, über alle Spitalpatienten hinweg sind es 4,1 Prozent. Die Schweizer Spitalbetten sind derzeit zu 81,5 Prozent ausgelastet, diejenigen auf den Intensivstationen zu 73,5 Prozent.

Bild
stand: 4.10.22, quelle: Koordinierter Sanitätsdienst KSD

Welche Variante wird im Winter dominierend?

Das ist noch unklar. Seit Dezember 2021 ist die Omikron-Variante des Sars-CoV-2-Virus in der Schweiz wie auch weltweit für fast alle Infektionen verantwortlich. Doch Omikron ist nicht gleich Omikron: Nach BA.1 und BA.2 ist seit Juni die Sublinie BA.5 dominant. Die von ihr verursachte Infektionswelle sorgte im Sommer 2022 zwar für hohe Fallzahlen, führte aber zu einer deutlich niedrigeren Auslastung der Intensivstationen durch Covid-19-Patientinnen und -Patienten als frühere Wellen.

Neue Varianten sind aber bereits im Anflug, denn Viren mutieren ständig. Nur so können sie durch frühere Infektionen gebildeten Antikörpern entkommen und überhaupt überleben. Aktuell verfolgt die WHO über 230 Abkömmlinge von Omikron. Am meisten beschäftigen sich die Forscher derzeit mit den Untervarianten BA.2.75.2, BJ.1 und BQ.1.1, die allesamt viele Mutationen im Spike-Protein aufweisen. Dadurch können sie dem menschlichen Immunsystem besser ausweichen.

BA.2.75.2 und BJ.1 sind beide Untervarianten von BA.2 und bislang vor allem in Indien bzw. in Österreich aufgetreten, während BQ.1.1 eine Unterlinie von BA.5 und in Grossbritannien auf dem Vormarsch ist. Welche Variante sich am Ende durchsetzen wird, darüber sind sich die Forscher derzeit nicht einig. Während der deutsche Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach Mitte September noch prophezeite, dass BA.2.75.2 die nächste dominante Variante sein werde, glaubt der Schweizer Biochemiker Cornelius Römer, dass BQ.1.1 wohl die noch besseren Voraussetzungen habe.

Bild

Dem stimmt auch der Leiter der Forschungsgruppe Evolution von Viren und Bakterien der Universität Basel zu. BQ.1.1 zeige «eine vergleichbare Immunflucht und Mutationen an ähnlichen Positionen» wie BA.2.75.2, erklärt Richard Neher gegenüber «Focus» und führt aus, dass unlängst erschienene Studien aus China und Schweden gezeigt hätten, dass BQ.1.1 von menschlichen Antikörpern jedoch deutlich schlechter erkannt werde.

Das deutet auf eine Herbstwelle mit hohen Infektionszahlen hin. Wie sehr diese unser tägliches Leben beeinflusst, wird vor allem davon abhängen, wie hoch die Immunflucht der dominierenden Variante wirklich sein wird.

Kann ich mich im Herbst nochmals impfen lassen?

Seit März hat die Zahl der verabreichten Impfungen in der Schweiz stark abgenommen. Kein Wunder: In der öffentlichen Wahrnehmung spielte das Coronavirus seit Anfang April und der Aufhebung aller Massnahmen mit der Rückkehr in die normale Lage nur noch eine untergeordnete Rolle.

Mit den steigenden Fallzahlen wird aber auch das Thema Impfung wieder aktueller. Bereits am 5. Juli hatte die Eidgenössische Kommission für Impffragen (EKIF) für immungeschwächte und über 80-jährige Personen eine zweite Auffrischungsimpfung (Booster) empfohlen. Die Nachfrage blieb allerdings gering: Bis am 1. Oktober haben sich nur 23 Prozent der über 80-Jährigen ein zweites Mal boostern lassen.

Der Impfstoff von Moderna wird vorbereitet, um die letzten Senioren in den Pflegeheimen des Kantons Aargau mit dem Impfstoff gegen Corona zu impfen, im Seniorenheim Wasserflue in Kuettige, Kt. Aargau, ...
Trotz neuer Varianten – die Nachfrage nach dem zweiten Booster ist gering.Bild: keystone

Am 9. September folgte die Empfehlung für 65- bis 80-Jährige – ab dem 10. Oktober kann sich auch diese Altersgruppe ein zweites Mal kostenfrei boostern lassen. Wer sich mit dem Coronavirus angesteckt hat oder erst gerade kürzlich geboostert wurde, sollte vier Monate warten.

Für alle Personen zwischen 16 und 64 Jahren ohne Risikofaktoren ist das Risiko für eine schwere Erkrankung in diesem Herbst gemäss BAG nach aktuellem Wissensstand gering. Die Impfung schützt gemäss BAG zwar nicht gegen eine Ansteckung mit Sars-CoV-2, dafür für rund drei Monate gegen einen schweren Krankheitsverlauf.

Eine zweite Booster-Impfung wird deshalb vor allem denjenigen Personen empfohlen, die in der Akut- und Langzeitbetreuung tätig sind oder beruflich oder privat besonders gefährdete Personen betreuen. Wer bislang noch gar nicht geimpft ist, dem wird in diesem Herbst eine einzelne Impfdosis empfohlen.

Das schreibt das BAG:

«Hauptziel der Auffrischimpfung gegen Covid-19 im Herbst 2022 ist es, besonders gefährdete Personen (BGP), die ein hohes Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf haben, vor schweren Covid-19-Erkrankungen und deren Komplikationen zu schützen. Die Impfung bietet diesen Personen vorübergehend einen verbesserten individuellen Schutz vor schwerer Erkrankung, insbesondere in einer Phase mit hoher Virusausbreitung.»

Seit September sind drei neue, an die Omikronvariante BA.1 beziehungsweise die Subtypen BA.4 und BA.5 angepasste Impfstoffe gegen das Coronavirus verfügbar. Es könne aber weiterhin auch mit dem bisherigen monovalenten mRNA-Impfstoff geimpft werden, teilte das BAG im September mit.

In der Schweiz weisen gemäss BAG über 97 Prozent der Bevölkerung Antikörper gegen SARS-CoV-2 auf. 70,3 Prozent sind mindestens einmal gegen das Coronavirus geimpft worden: 44,4 Prozent sind dreifach, 24,9 Prozent doppelt und 1,0 Prozent einfach geimpft. Damit liegt die Schweiz zwar knapp über dem gesamteuropäischen Durchschnitt, aber klar unter der Quote der direkten Nachbarländer Deutschland (77,7 Prozent), Italien (85,82 Prozent), Frankreich (80,94 Prozent) und Österreich (77,1 Prozent).

Gibt es wieder Corona-Massnahmen?

Stand jetzt sind keine Massnahmen gegen die Ausbreitung des Coronavirus geplant. Seit April befinden wir uns wieder in der normalen Lage. In einer solchen sieht das Epidemienrecht vor, dass die Kantone für das Anordnen von Massnahmen zuständig sind. Der Bund verfügt dagegen nur noch über begrenzte Befugnisse – etwa in den Bereichen Information und Empfehlungen sowie Massnahmen bei der Ein- und Ausreise.

Bis im Frühling 2023 befinden wir uns jedoch in einer sogenannten «Übergangsphase mit erhöhter Wachsamkeit und Reaktionsfähigkeit». Die bisherigen Strukturen (Testen, Impfen, Contact-Tracing) sollen so weit erhalten bleiben, dass die Kantone und der Bund rasch auf neue Entwicklungen reagieren können. Gut möglich also, dass das Tragen einer Maske im öffentlichen Verkehr und in Innenräumen bald wieder diskutiert wird.

Das BAG empfiehlt weiterhin, sich an die folgenden Grundprinzipien zu halten:

  • Gemäss Empfehlungen impfen lassen
  • Tragen einer Maske (v. a. bei Kontakt zu gefährdeten Personen)
  • Mehrmals täglich lüften
  • In Taschentuch oder Armbeuge husten und niesen
  • Gründlich die Hände waschen oder desinfizieren
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96 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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jyperion
06.10.2022 10:13registriert März 2015
Das BAG sagt also, dass die Impfung nicht vor Ansteckung/Übertragung schützt. Warum wird die Impfung dann für Personen die in der Akut-/Langzeitbetreuung arbeiten empfohlen, um vulnerable Personen zu schützen?
Wenn man auch mit Impfung seine Patienten anstecken kann, wie genau schützt eine Impfung bei z.B. der Pflege dann deren Patienten?
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BG1984
06.10.2022 10:21registriert August 2021
Manchmal schreibt ihr schon Quatsch zusammen. Der Booster wirkt nicht drei Monate vor schwerer Erkrankung, sondern viel länger.
Er schützt (abnehmend) bis zu drei Monate vor Ansteckung.
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tryeen
06.10.2022 12:10registriert Oktober 2017
Ich glaube, dieses Mal warte ich noch etwas zu, bis sich etwas herauskristallisiert, welche Varianten überhand nehmen und welche Impfungen am besten davor schützen. Mein Booster liegt zwar bereits zurück, aber ich denke mit Mitte 30 und ohne zur Risikogruppe zu gehören, ist die Impfung zum jetzigen Zeitpunkt nicht zwingend notwendig. Und ich würde mich ärgern, wenn dann eine andere böse Variante vorherrschen würde, bei der ein anderer Impfstoff besser schützen würde, und ich mich dann, wenn es sinnvoll wäre, nicht impfen lassen könnte. Wie geht ihr vor?
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