Die Blumen vor den Fenstern ihres Monsterchalets im Schwarzwald sind auch jetzt noch nicht welk. Sie waren schon immer aus Plastik. Und das Heilwasser, das sie mit einem linksdrehenden silbernen Löffel in ihrer Badewanne anrührte, war in Wirklichkeit voller Schimmelpilze und Bakterien. Sie redete leichtgläubigen Menschen Krebs ein und heiltherapierte sie anschliessend. Vieles an Uriella war so deplatziert wie ihr Wangenrouge. Aber eines müssen wir ihr lassen: In all ihrem himmelschreienden Irrsinn war sie die grösste Komikerin der Schweiz.
Alle paar Jahre prophezeite sie das Ende der Welt. Im August 1998, so sagte sie voraus, «werden der Weltbörsencrash mit dem anschliessenden Weltwirtschaftszusammenbruch, zufolge Computerviren, sowie der Einmarsch der Russen in Deutschland erfolgen». Engel würden einen Meteoriten in die Nordsee schmeissen, Flutwellen würden die Erde überrollen und unterirdische Atomkraftwerke sie von innen heraus zerstören.
Dem Drittel der Menschheit aber, das gerettet werden sollte, würden Evakuations-Ufos erscheinen. Von allen möglichen Evakuations-Planeten war ihr der Mond der unliebste, denn dorthin verbannte sie in ihrer Fantasie die Nazis. Hitler muss seither gemeinsam mit Mussolini in schweren Fussfesseln auf immer den Mond überqueren. Natürlich passierte nichts. Und Uriella versicherte, dass aufgeschoben niemals aufgehoben heisst.
Zur Welt kam Erika Bertschinger am 20. Februar 1929 in Zürich. Die Eltern waren ganz normal und römisch-katholisch, doch nach der Handelsschule zog es Erika ganz schnell auf die dunkle Seite des Glaubens. Als Dolmetscherin und Sekretärin arbeitete sie in Europa und Amerika und wo sie auch hinkam, fand sie garantiert einen Geistheiler oder ein Tieftrancenmedium, dem sie sich enthusiastisch anschloss.
Doch erst mit 44 fing Jesus an, aus ihr zu sprechen. Da fiel sie nämlich vom Pferd und auf den Kopf, zog fortan nur noch weisse Kleider an und betrachtete sich als «Sühnebraut Christi». 1975, zwei Jahre später, gründete ihr himmlischer Bräutigam via Uriella in Egg bei Zürich den «Orden Fiat Lux». Er sagte ihr auch, dass sie nicht nur in der Schweiz und in Kärnten, sondern vor allem im Schwarzwald wirken sollten, weil dort die «Herzchakra des Erdgeistes» verlaufe.
Irgendwann zog sich Uriella mit ihrem vierten Ehemann Icordo – einer seiner Vorgänger war eines «unnatürlichen» (wikipedia) Todes gestorben, ein weiterer bei einem seltsamen Autounfall – ganz in den Herzchakren-Wald zurück. Sie belegten mit ihren Anhängern mehrere Häuser der Gemeinde Ibach, stellten Engel, Gartenzwerge, Rehe, Jesus- und Marienfiguren auf und wollten sich aktiv ins Gemeindeleben des 300-Seelen-Dorfes einmischen.
Icordo war für ein Jahr im Gemeinderat von Ibach, Fiat Lux versuchte, mit einem Masseneintritt den Naturschutzverein zu kapern, sie boten an, den lokalen Skilift zu reparieren. Aber die Schwarzwälder wollten nicht noch mehr «Weisse». Nicht noch mehr Linkslöffler, die alle nur weisse Autos fuhren und weisse Kleider trugen, weil diese Farbe als einzige den Bannstrahl des Teufels abhalten könne.
«Fiat Lux» war vom göttlichen Willen zur Reinheit und Reinigung besessen. Uriella verbot ihren Jüngern den Konsum von Fleisch, Alkohol, Kaffee, Schwarztee, Nikotin, konservierten Lebensmitteln, Farbstoffen, Pharmazeutika, weltlicher Lektüre und Sex. Erlaubt waren nur keusche vegetarische Rohkost. Wer heiraten wollte, musste sie um Erlaubnis bitten. Damit die sexuelle Abstinenz einigermassen kontrolliert werden konnte, mussten alle in Wohngemeinschaften leben.
Jesus befahl Uriellas Jüngern auch, eine Rotkäppchen-Puppe zu verkaufen, die jedes Kind direkt zum Therapeuten trieb: Stellte man das herzige Rotkäppchen, das «direkt aus Korea» kam, auf den Kopf, verbarg sich unter ihrem Rock anstelle der Beine der Kopf der Grossmutter. Und nahm man dieser die Haube ab, steckte darunter ein Wolfsgesicht. Heiliger Horror!
Mehrfach stand Uriella vor Gericht. Sie wurde wegen Zoll- und Steuerhinterziehung verurteilt, im Fall von drei schwer kranken Frauen, die starben, weil Uriella ihnen vom Arztbesuch abgeraten hatte, hingegen nicht. Im August 2015 setzte sie sich schriftlich für einen inhaftierten, bekennenden Pädophilen ein. Jesus hatte ihr das aufgetragen. Die Mitglieder von Fiat Lux waren inzwischen von gut 1000 auf einige wenige geschmolzen.
2001 hatte sich in einer Gesundheitssendung des Schweizer Fernsehens Blut im Urin der heiligen Heilerin gefunden. Der Fernseharzt Samuel Stutz äusserte einen Verdacht auf Blasenkrebs, Uriella sprach von einer Blasenentzündung und wollte sich selbst heilen. Später erkrankte sie tatsächlich an Krebs, seit gut sieben Jahren wurde sie nicht mehr in der Öffentlichkeit gesehen und litt nach Auskunft ihrer letzten Anhänger unter starken Schmerzen und an einer Lähmung.
Uriella hinterlässt ihren Icordo, der unter anderem eine Reinkarnation von Zwingli und von Richard Strauss ist. Und es ist zu hoffen, dass sie jetzt, am Ende, endlich eins von ihren vielbeschworenen Ufos angetroffen hat. Und dass dieses sie auf einen netteren Jenseits-Planeten als den Mond gebracht hat.