Das sind die unsichtbaren Folgen der Trockenheit in der Schweiz
Der Wasserpegel des Bodensees liegt so tief wie seit 40 Jahren nicht mehr zu dieser Jahreszeit. Der mächtige Rheinfall verkommt zum Rinnsal und hat aktuell einen Abfluss von rund 170 Kubikmeter pro Sekunde. Der Mittelwert für den April liegt bei knapp 300 Kubikmeter pro Sekunde. Wer aktuell den grössten Wasserfall Europas auf der Schaffhauser Seite besucht, dem stechen die im Trockenen liegenden Felsen ins Auge.
Grosse Sandbänke und Steinablagerungen sowie massive Felsbrocken in der Schifffahrtsrinne bildeten «unüberwindbare Hindernisse», teilte die URh am Freitag mit.
Zudem äussert die Schifffahrtsgesellschaft Sicherheitsbedenken. Die Zu- und Ausstiege an den Landestellen würden mit dem tiefen Wasserstand zu steil, heisst es weiter. Die Schiffstreppen, also die Rampen vom Land zum Schiff, liegen laut URh an mehreren Landestellen in einem derart steilen Winkel, dass dies zu Unfällen führen könnte.
Alle bereits gebuchten Brunch-Schifffahrten mit der URh könnten ab Schaffhausen durchgeführt werden, heisst es weiter. (sda)
Soweit die offensichtlichen Folgen des ausbleibenden Regens und des (noch) fehlenden Schmelzwassers. Doch es gibt auch unsichtbare Folgen: Rund ein Sechstel der Schweizer Grundwasser-Messstationen haben derzeit den Status «tief» (Normalwerte zwischen dem 10%- und dem 90%-Perzentil).
Tiefe Pegel in der Ost- und Zentralschweiz
Insbesondere Kluft- und Karst-Stationen in der Ost- und Zentralschweiz weisen aktuell tiefe Wasserpegel aus. Jana von Freyberg, Hydrologin beim Bundesamt für Umwelt (BAFU), erklärte gegenüber SRF: «Das sind häufig Regionen, wo das Grundwasser durch Regen gespeist wird. Wenn dieser Regen ausbleibt, sinken die Grundwasserstände.»
Entwicklung des Grundwasserpegels
Wichtig zu wissen dabei: Grundwasserpegel reagieren mit Verzögerung. Die unterirdischen Reservoire werden durch Regen gefüllt. Es dürfte darum in den nächsten Tagen erstmals weiter eher nach unten gehen. Anfang März stand im Grundwasser-Bulletin des BAFU noch, dass die Pegel sich in den meisten Regionen der Schweiz im normalen Bereich befinden. Mit dem Update vom 9. April heisst es:
Entwicklung des Grundwasserpegels
Die Schweiz verfügt über sehr grosse Grundwasservorkommen. Allerdings sind diese unterschiedlich verteilt und bei Trockenheit «kommt es bereits heute lokal und temporär vermehrt zu Engpässen bei der Verfügbarkeit von Grundwasser», wie das BAFU schreibt.
Entwicklung des Grundwasserpegels
Der wichtigste und grösste Wasserspeicher der Schweiz wird sich infolge der erwarteten Zunahme der Winterniederschläge, des höheren Regenanteils und der früheren Schneeschmelze eher im Winter und Anfang Frühling füllen.
Entwicklung des Grundwasserpegels
Im Sommer weniger Grundwasserbildung
Im Sommer wird die Grundwasserbildung zurückgehen. Allerdings: «Solange über mehrere Jahre hinweg gesehen die Gesamtmenge der Grundwasserneubildung jedoch ausreicht, die Speicher zu füllen, wird sich am Gesamtvolumen auch mit dem Klimawandel wenig ändern.»
Die aktuell tiefen Grundwasserpegel bei einem Sechstel der Messstationen ist deshalb grundsätzlich kein Problem. Anders sei dies bei kleinen Grundwasserreserven. Von Freyberg: «Diese reagieren sensibel. Die Grundwasserpegel können hier stark absinken oder die Quellen gar trocken fallen.»
Wichtig sei darum, dass Gemeinden die Wasserversorgung auf verschiedene Standorte abstützen und nicht nur auf kleine Grundwasserquellen.
Die aktuelle Lage am Bodensee
Landwirtschaft profitierte – jetzt braucht's aber Regen
Übrigens: Die Trockenheit der letzten Wochen kam der Landwirtschaft entgegen. Es herrschten «idealste Bedingungen» für Arbeiten auf den Feldern. Daniel Blättler, stellvertretender Mediensprecher des Schweizerischen Bauernverbands, sagt gegenüber watson am Telefon: «Die Bodenstruktur konnte dank den trockenen Verhältnissen geschont werden. Das war im nassen letzten Jahr überhaupt nicht der Fall.»
Jetzt allerdings hofft auch Blättler auf Regen: «Das Wachstum braucht Feuchtigkeit. In der Schweiz wird normalerweise gesamtheitlich nicht viel bewässert. Wir hoffen, dass der Regen jetzt dann kommt.» Das sei nicht nur für die Landwirtschaft wichtig, sondern auch für Wälder, damit eine gute Basis für den kommenden Sommer gelegt wird.
Und der Wetterwechsel kündigt sich ja an. Bis Ostern dürfte es einiges an Niederschlag geben. Blättler sagt: «Verregnete Ostern sind zwar schade für die Bevölkerung, aber für die Natur wäre das wichtig.»
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