Der Bund gibt Gas: In der Schweiz sollen bereits ab dem 7. Juni «schrittweise» erste Covid-Zertifikate ausgestellt werden. Das Zertifikat ist eine Art Lichtblick im Pandemie-Tunnel: Wer geimpft, getestet oder genesen ist, soll eher von den Lockerungen profitieren können.
Der Plan ist ambitioniert: Erst vor gut zwei Wochen wurde überhaupt bestimmt, wer das Zertifikat umsetzen soll. Der Auftrag ging an die bundeseigene «IT-Abteilung» namens Bundesamt für Informatik und Telekommunikation (BIT). Der «Rollout» – wie es Gesundheitsminister Alain Berset nennt – soll bereits heute in 18 Tagen geschehen. In einer ersten Phase wird es zunächst keinen Nutzen haben. Gegen Ende Juni soll es aber Teil des bundesrätlichen «Drei-Phase-Plans» werden, wo «grüne», «gelbe» und «rote Bereiche» darüber entscheiden, was für Vorteile dieses Zertifikat für jede Person mit sich bringt.
Geklärt sind damit die Fragen, wer es ausstellt und wann es eingesetzt werden kann. Drei Punkte bleiben aber offen.
Das Versprechen des Bundes war klar: Das Covid-Zertifikat soll einheitlich, dezentral und vor allem international anerkannt sein. Einheitlich deshalb, weil der Kantönligeist auch 26 unterschiedliche Zertifikatstypen hätte schaffen können. Dezentral, weil sich die Schweiz bislang einem landesweiten Impfregister verweigert. International anerkannt, weil Reisen wieder möglich sein sollten.
Die einfachste Frage nach dem konkreten Aussehen dieses Zertifikats blieb aber auch nach der heutigen Pressekonferenz offen. Es deutet vieles darauf hin, dass es am Ende ein QR-Code sein wird. Die EU erarbeitet zurzeit den eigenen Impfpass in der Form eines QR-Codes. Dieser soll EU-weit lesbar sein, gleichzeitig aber den Datenschutz garantieren. Bürgerinnen und Bürger werden ihn auf Papier oder in einer Smartphone-App tragen können, eine andere Prüf-App bestätigt die Gültigkeit des Zertifikats – und damit das Vorliegen einer Impfung, negativer Corona-Testung bzw. Antikörperschutz.
Auch das Bundesamt für Gesundheit (BAG) spricht mittlerweile von einem QR-Code. Die definitiven Entscheide wurden aber noch nicht getroffen. Offen ist zurzeit auch, mit welcher App das Schweizer Covid-Zertifikat vorgezeigt und überprüft werden kann. Es sind Fragen, die sich Restaurant-Wirtinnen und Coiffeure bald stellen dürften. Sie werden laut Bundesrat Berset im Rahmen von Lockerungen mitentscheiden können, ob sie nur noch Personen mit Zertifikaten bedienen wollen.
Der Bundesrat versprach ebenfalls, Datenschutz- und -sicherheit einhalten zu wollen. Wie gut das passiert, wird über die konkrete, technische Umsetzung entschieden: QR-Codes sind einfach aufgebaut und können theoretisch auch «von Hand» abgelesen werden. Dies birgt Gefahren: Was passiert, wenn ein Covid-Zertifikat missbraucht wird?
Die Fragen zu Datenschutz und Co. werden nicht nur Impf-Skeptiker davon abhalten, den eigenen «Gesundheitszustand zertifizieren» zu lassen. Auch Privacy-Aktivisten warnen bereits. Ihnen ist eine mögliche, eindeutige Identifizierbarkeit durch QR-Codes ein Dorn im Auge. Sie befürchten, dass damit ein Bewegungsprofil kreiert werden könnte, wenn das Vorzeigen eines QR-Codes für den Eintritt an bestimmten Orten obligatorisch wird. Vorwurfsvoll wird bereits von einer «Ausweispflicht» gesprochen, bei der Gesundheitsdaten auch eingesehen werden können.
Solche Bedenken liessen sich entkräften mit klarer Transparenz und bedachter Umsetzung. So erlauben kryptografische Verfahren heute schon, dass ein Zertifikat sich beispielsweise minütlich ändert und damit nicht mehr für den Aufbau von Bewegungsprofilen missbraucht werden kann.
Der politische Wille für eine solche Umsetzung wäre da: So entschied das Schweizer Parlament bei der Einführung der SwissCovid-App, dass es keinen Zwang geben darf. Dasselbe auch beim Covid-Zertifikat zu fordern, würde zwar dem Sinn und Zweck eines solchen Nachweises widersprechen. Dennoch verzichtete der Bundesrat heute, die klare Stossrichtung bezüglich Datenschutz zu geben.
Apps, Webseiten und Technologien können rasch entwickelt werden, wenn das Budget, das Know-how und der Wille da ist. Was auch nicht fehlen darf, ist die Bereitschaft und das Wissen zur Anwendung.
Der Beginn der Pandemie zeigte, wie gross der Wille bei manchen Ärztinnen und Ärzten ist, Corona-Infektionen digital zu melden. Das BIT kündigte zwar an, mit dem Berufsverband der Ärzteschaft, mit pharmaSuisse sowie Apotheken zusammenarbeiten zu wollen. Mitreden können derzeit aber nur Kaderpersonen. In gut drei Wochen werden über 30'000 praktizierende Ärztinnen und Ärzte, rund 1800 Apotheken-Teams, hunderte Impf- und Testzentren mit unzähligem Personal mit dem Zertifikat hantieren müssen.
Die Tools dazu, entweder zur Ausstellung oder Überprüfung der Zertifikate, werden dann einwandfrei und «tubelisicher» funktionieren müssen – sofern nicht ziemlich bald Details, verständliche Anleitungen und Einschulungen für das Personal folgen. Über den Erfolg des Zertifikats wird nicht zuletzt auch die Bevölkerung entscheiden. Diese stürzte sich bei der SwissCovid-App auch nicht sofort auf die neue Anwendung.
So wenig wie sich der geimpfte Teil der Bevölkerung aufgrund der nicht geimpften einschränken lassen muss. Jede/r entscheidet sich für seinen Weg, mit allen dazu gehörenden Konsequenzen. Kein Problem also..