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Zürcher Contact-Tracing überlastet – Insider warnt wegen Omikron

ZU COVID-19-PATIEN*INNEN AUF DER INTENSIVSTATION DES ZUERCHER STADTSPITALS TRIEMLI UND DEREN BEHANDLUNG MIT EINEM ECMO STELLEN WIR IHNEN FOLGENDES NEUES BILD ZUR VERFUEGUNG. WEITERE BILDER FINDEN SIE  ...
Blick in die Covid-19-Intensivstation des Stadtspitals Zürich, wo ein Patient auf die Installation einer Lungenersatz-Maschine vorbereitet wird. Bild: keystone

Zürcher Contact-Tracing überlastet – Insider warnt wegen Omikron

Im bevölkerungsreichsten Schweizer Kanton ist das Contact-Tracing massiv überlastet, nun schlägt eine Fachperson wegen der hochansteckenden Omikron-Variante Alarm.
25.12.2021, 08:5926.12.2021, 14:16
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Im Triemli, dem drittgrössten Krankenhaus des Kantons, wurde am Donnerstag angeblich wegen akuten Personalmangels eine neue Richtlinie erlassen: Angestellte mit leichten Covid-Symptomen, die einen PCR-Test machen, müssten sich nicht mehr zwingend in Quarantäne begeben, bis das Resultat feststehe. Sie dürften mit Genehmigung des Arbeitgebers und des Chef-Infektiologen weiterarbeiten, teilte ein Informant mit.

Hinzu komme, dass offenbar positiv Getestete von ihren Vorgesetzten aufgefordert werden können, weiter zur Arbeit zu erscheinen, sofern ihr Fehlen den Betrieb stören würde.

Dem widersprach am Samstag eine Spital-Sprecherin vehement: Positiv getestete Mitarbeitende des Stadtspitals Zürich dürften nicht zur Arbeit erscheinen (dazu unten mehr).

Insider zeigt sich besorgt

Eine Fachperson hatte sich bei watson gemeldet, um auf die belastende Situation hinzuweisen. Die neue Richtlinie sei angesichts der Omikron-Variante mehr als fragwürdig. Gemäss den ihr vorliegenden Informationen sei bereits mehr als jeder zweite Fall, der im Labor nachgewiesen werde, auf die hochansteckende neue Mutante zurückzuführen.

Die Testkapazitäten seien zumindest bei den PCR-Tests am Limit, warnt der Insider, der anonym bleiben möchte.

Noch würden Testergebnisse innert 24 Stunden vorliegen, doch sei man an der Kapazitätsgrenze angelangt.

Sprecherin bestreitet Schilderungen

Myriam Flühmann, Leiterin Marketing und Kommunikation beim Stadtspital Triemli, reagierte am Samstag auf den Bericht und widersprach den Schilderungen des Informanten.

Im Triemli sei am Donnerstag lediglich eine Präzisierung der Richtlinie diskutiert worden.

«Angestellte ohne Covid-Symptome (wie Fieber, Geschmacks-/Geruchsstörungen, Husten oder Dyspnoe oder progrediente Symptome), die einen PCR-Test machen, müssen sich nicht zwingend in Quarantäne begeben, bis das Resultat feststeht.»

Zudem herrsche kein akuter Personalmangel.

Contact-Tracing überlastet – per Mail nicht mehr erreichbar

Die kantonale Gesundheitsdirektion erklärte am Freitag auf Anfrage, man habe mit den Infektiologen der Spitäler «mögliche Quarantäne- und Isolationserleichterungen besprochen. Dies «für den Fall eines akuten Personalmangels».

Die Situation müsse individuell von den zuständigen Ärzten beurteilt werden, teilte ein Sprecher mit.

Vor einer Woche hatte der «Tages-Anzeiger» berichtet, dass das Contact-Tracing im Kanton Zürich am Limit sei. Tausende Anfragen blieben unbeantwortet, hunderte Infizierte würden auf einen Anruf warten. Nun hat sich die Lage unmittelbar vor Weihnachten dramatisch verschärft, wie die mit der Situation vertraute Fachperson schildert.

Das kantonale Contact-Tracing drohe im Chaos unterzugehen. Die Mitarbeitenden stünden dermassen unter Druck, dass gegenseitige Schuldzuweisungen zunehmen würden.

Was Fragen aufwirft bezüglich der Abläufe: Die Angestellten in den Testzentren können laut Schilderungen die Contact-Tracer nicht direkt kontaktieren, sondern müssen sich «wie normale Bürgerinnen und Bürger» bei ihnen melden. Dies bedeute konkret, mit einem Telefonanruf bei der Hotline in der Warteschlaufe zu hängen oder 12 bis 24 Stunden auf ein Antwort-SMS zu warten, sofern überhaupt eines eintreffe.

Per E-Mail war der Kontakt vorübergehend gar nicht mehr möglich: Am Donnerstag war der Posteingang der Gesundheitsdirektion «voll», wie ein Screenshot zeigt, der watson vorliegt. Mitteilungen an das Contact-Tracing wurden nicht zugestellt, die Absender erhielten eine Fehlermeldung.

Die Gesundheitsdirektion bestätigt den Ausfall (siehe unten).
Die Gesundheitsdirektion bestätigt den Ausfall (siehe unten).screenshot: watson

Die Mitarbeiterin eines grossen Spitals schildert gegenüber watson, dass es in Zusammenhang mit der Kontaktverfolgung bei infizierten Personen massive Verzögerungen gebe:

«Wir haben Patienten, die uns öfters anrufen, da sie vom Contact-Tracing nichts hören. Bei einigen klappt es, andere warten 5 bis 7 Tage, einige werden gar nie kontaktiert. Gestern hatte ich einen Patienten, der 5 Tage versucht hat das Contact-Tracing zu erreichen und erst am Donnerstag um 16 Uhr eine SMS erhalten hat.»

Die betroffene Person sei von der Kantonspolizei kontaktiert worden, obwohl sie sich seit dem positiven Test in Selbstisolation befunden und wiederholt versucht habe, das Contact-Tracing zu erreichen, schildert die Informantin.

Ihre Befürchtung: Sollte Omikron zu einem massiven Anstieg der Infektionszahlen führen, würden wohl die Spitalangestellten, die Testcenter und die Labors genau so in die Knie gezwungen, wie dies beim Contact-Tracing schon der Fall sei. Wie dann die wichtige Kontaktverfolgung noch ablaufe, oder eben nicht, wolle sie lieber nicht herausfinden.

«Wir möchten niemanden schlecht machen, aber sollte nicht bald etwas geschehen, sehen wir schwarz für Zürich.»
Spitalangestellte

Kanton nimmt Stellung

Jérôme M. Weber, Sprecher der kantonalen Gesundheitsdirektion, bestätigte auf Anfrage die technischen Probleme mit dem Mail-Empfang. Diese seien auf die grosse Zunahme von Personen zurückzuführen, die «diese Woche aus dem Ausland für die Feiertage eingereist» seien. Es hätten «ungewöhnlich viele Personen» ihre Testbestätigung nicht per SMS hochgeladen, sondern per Mail dem Contact-Tracing zugestellt.

«Wir haben im Verlaufe der ganzen Woche im Hintergrund technische Anpassungen vorgenommen, die aber erst am Donnerstagabend umgesetzt werden konnten.»
Jérôme M. Weber, Mediensprecher

Neu würden eingehende E-Mails von aus dem Ausland Einreisenden und jene im Zusammenhang mit positiv getesteten Personen und deren Kontaktpersonen getrennt.

Zu den oben geschilderten Fällen könne man keine Stellung nehmen, weil man den Kontext nicht kenne.

Quellen

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96 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Loe
25.12.2021 10:18registriert Juni 2017
Spitalpersonal soll nun auch mit Symptomen arbeiten...
ich kann nur noch müde lachen.
Bei uns arbeiten diverse Pflegende und Ärzt:innen seit Wochen krank, weil anders würde der Betrieb zusammenbrechen.
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zellweger_fussballgott
25.12.2021 09:32registriert November 2017
Mangel an Pflegekräften wird noch sichtbarer. Mehr gibts dazu nicht zu sagen.
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Uno
25.12.2021 09:34registriert Oktober 2019
Und was genau sollte dann geschehen? Die Boosterimpfungen wurden verschleppt, die Impfung für die Kinder auch. Und dann gibt es noch einen erheblichen Teil in der Bevölkerung, der ungeimpft bleiben möchte.
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