Sag das doch deinen Freunden!
Wir beginnen mit einem Prominenten. Thomas Fuchs, Vizepräsident der SVP der Stadt Bern und Grossrat. Er sagt:
Ganz am Anfang der Schweizerischen Bundesverfassung ist unter den garantierten Grundrechten etwas sehr Wichtiges festgehalten: 1. Kapitel, Art. 8: «Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.»
Der darauffolgende Absatz schreibt fest, dass niemand diskriminiert werden darf, gemäss einer langen Liste von Kriterien wie Herkunft, Rasse, Alter und Geschlecht. Das gilt für Schweizer wie Ausländer. Auch wenn gewählte Politiker wie Thomas Fuchs dies anzweifeln.
Belange, die speziell Ausländer und nicht Schweizer betreffen, sind in Kapitel 2, Abschnitt 9 der Schweizerischen Bundesverfassung geregelt. Das Ausländergesetz regelt die Ein- und Ausreise, den Aufenthalt sowie den Familiennachzug von Ausländerinnen und Ausländern. Zudem regelt es die Förderung von deren Integration.
Es ist das Hauptargument der SVP: «Endlich Sicherheit!». Wer könnte das nicht wollen? Nur leider ist die Durchsetzungs-Initiative das falsche Mittel dazu. Denn sie zielt nicht nur auf Leute, die eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit darstellen, sondern beispielsweise auch auf in der Schweiz geborene Secondos, die sich leichterer Verbrechen schuldig gemacht haben und die bei Annahme der DSI sofort und ohne Prüfung ihrer (Familien-)Situation ausgeschafft werden müssten.
«Wer den Initiativtext liest, stellt fest, dass mit der Initiative auch Delikte erfasst werden, die alles andere als ‹besonders schwerwiegend› sind und die öffentliche Sicherheit in keiner Weise tangieren», schreiben Jurist René Rhinow und Staatsrechtler Georg Müller in der Aargauer Zeitung dazu.
Zudem lassen sich die Schwerkriminellen von Landesverweisen nicht von der illegalen Einreise abschrecken, wie St.Gallens Erster Staatsanwalt Thomas Hansjakob im Interview mit watson sagt.
Ein weiteres Schlüsselargument der Befürworter der Durchsetzungs-Initiative: Das Parlament wollte den Volkswillen nicht durchsetzen. Die neue Initiative wurde nur nötig, weil das Parlament die Ausschaffungs-Initiative nicht umsetzen wollte. Das stimmt nicht.
Die Ausschaffungs-Initiative wurde im Februar 2010 mit einer Mehrheit von 52,3 Prozent von der Schweizer Bevölkerung angenommen. Die SVP selber hielt im Initiativtext fest, dass der Gesetzgeber den Inhalt innert fünf Jahren umzusetzen und entsprechende Strafbestimmungen zu erlassen habe.
Nach nur zwei Jahren lancierte die SVP aber bereits die Durchsetzungs-Initiative – während das Parlament noch an der Umsetzungsvorlage für die Ausschaffungs-Initiative arbeitete. Die Partei befürchtete, die Initiative werde nicht streng genug umgesetzt und doppelte mit der Durchsetzungs-Initiative nach. Seit dem liegt die Umsetzung brach, weil zuerst noch über die neue Initiative abgestimmt werden muss.
In der Schweiz können die Stimmberechtigten mittels Initiative Änderungen der Verfassung vorschlagen. Für die Umsetzung von Verfassungsänderungen ist aber das gewählte Parlament zuständig.
Das ist falsch. Die Durchsetzungs-Initiative setzt nicht bloss die Ausschaffungs-Initiative durch, sondern ergänzt den Deliktekatalog von der Ausschaffungs-Initiative um viele weitere leichtere Verbrechen (wie beispielsweise Hausfriedensbruch, einfache Körperverletzung oder Drohung gegen Beamte).
Wenn sich ein Ausländer eines dieser leichteren Delikte schuldig macht und bereits eine Vorstrafe in egal welcher Schwere hat, für die er zu einer Geld- oder Freiheitsstrafe verurteilt wurde, wird er zwingend ausgeschafft. Auch wenn er nie in seinem ursprünglichen Herkunftsland gelebt und in der Schweiz seine ganze Familie hat (Fallbeispiel siehe Box).
In solchen Fällen würde ein Richter wahrscheinlich aufgrund einer Einzelfallbeurteilung von einer Landesverweisung absehen (Härtefall). Dass dies möglich sein sollte, sieht die vom Parlament vorgeschlagene Umsetzung der Ausschaffungs-Initiative vor. Genau dies wollen die SVP und die Eidgenössisch Demokratische Union verhindern.
Dagegen ist nicht nur ein «Konglomerat von Linksanwälten, Helfersyndromikern, notorischen Gutmenschen und Bedenkenträgern», dagegen ist auch der Bundesrat, alle Schweizer Parteien jeglicher Couleur, Bundesrichter, Rechtsprofessoren, Staatsanwälte von links bis rechts, grosse Teile der Wirtschaft und viele Menschenrechtsorganisationen.
Es gibt bloss eine sehr breite Ablehnung zur DSI, weil sie unter anderem gemäss Bundesrätin Simonetta Sommaruga:
Auch ein Mensch, der sich eines Verbrechens schuldig gemacht hat, hat das Recht auf die Wahrung seiner Menschenrechte, das Recht auf ein faires Verfahren und ein Anrecht darauf, dass die Strafe gegen ihn verhältnismässig ist. Auch wenn er ein Ausländer ist.
Die Verfassung ist die rechtliche Grundordnung, beziehungsweise das oberste Gesetz eines Staates und befasst sich unter anderem mit den zentralen Fragen der Staatsorganisation. Sie regelt die obersten Grundwerte, an die sich der Staat halten muss und beinhaltet die Volksrechte und garantiert die Grundrechte.
Staats- und Verfassungsrechtler kritisieren die zunehmende Anreicherung der Verfassung mit Bestimmungen, die eigentlich ins Strafgesetzbuch gehören (Unverjährbarkeits-Initiative, Verwahrungs-Initiative, Ausschaffungs-Initiative).
Die SVP will die Ausländer ausschaffen, weil sie statistisch gesehen krimineller sind als die Schweizer. 37'487 Schweizer und 41'582 Ausländer wurden 2014 einer Straftat beschuldigt – obschon sie nur 25 Prozent der Bevölkerung ausmachen. Doch die Zahlen werden der Realität nicht gerecht.
Das Kriminalitätsrisiko hängt vor allem mit Bildung, Integration und sozialer Herkunft zusammen, nicht etwa mit der Nationalität. Der typische Delinquent ist ein junger, wenig gebildeter Mann, der am Rande der Gesellschaft lebt. Davon sind in der Schweiz mehr Ausländer als Schweizer betroffen.
Verfolgte man die SVP-Logik müsste man also – um wirklich Sicherheit zu schaffen – alle Männer unter 35, die wenig gebildet, eher arm und einsam sind, ausschaffen. Denn sie begehen die meisten Straftaten, egal ob Schweizerischer oder anderer Nationalität.
Experten warnen, dass die Durchsetzungs-Initiative enorme Mehrkosten verursachen könnte: Die Verurteilten würden den Landesverweis anfechten. Dabei müssten viele der Straftäter unentgeltliche Rechtspflege in Anspruch nehmen, die jedem zusteht und vom Staat bezahlt wird. Der Erste Staatsanwalt des Kantons St.Gallen, Thomas Hansjakob sagt gegenüber watson:
Die Konferenz der Schweizer Staatsanwälte rechnet mit etwa 40 Millionen Franken Mehrkosten pro Jahr. Das Personal an allen Gerichten müsste massiv aufgestockt werden.
In der Schweiz ist Religionsfreiheit ein Grundrecht. In der Bundesverfassung, Artikel 15 steht: «Jede Person hat das Recht, ihre Religion und ihre weltanschauliche Überzeugung frei zu wählen und allein oder in Gemeinschaft mit anderen zu bekennen.»