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Axpo zieht dem AKW Beznau den Stecker: Bedeutung für Energiewende

ARCHIVBILD ZUR ABSTIMMUNG IN SCHAFFHAUSEN UEBER DIE AXPO-VERTRAEGE --- Der Kernreaktor Beznau 2 des Kernkraftwerks Beznau mit dem Logo des Energiekonzerns Axpo aufgenommen am Freitag, den 12. April 20 ...
Wird bald vom Netz genommen: Der Kernreaktor Beznau 2 des Kernkraftwerks Beznau mit dem Logo des Energiekonzerns Axpo.Bild: keystone

Axpo zieht dem AKW Beznau den Stecker – was das für die Energiewende bedeutet

Die Energiepolitikerinnen und -politiker im Bundeshaus zeigen sich wenig überrascht vom Beznau-Aus. Der Entscheid der Axpo befeuert jedoch die Debatte darüber, wie die Schweiz die Energiewende schaffen soll - mit oder ohne Atomkraftwerke?
06.12.2024, 08:0006.12.2024, 08:08
Christoph Bernet und Doris Kleck / ch media
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Fast fünf Jahre nach dem Abschalten des AKW Mühleberg kündigte das Energieunternehmen Axpo am Donnerstag das Ende des Kernkraftwerks Beznau an. Die beiden Reaktoren in Beznau sollen 2032 (Block 2) beziehungsweise 2033 (Block 1) ausgeschaltet werden. Dann wird mit Beznau das älteste sich im Betrieb befindende Atomkraftwerk der Welt nach 64 Jahren Betriebszeit vom Netz gehen.

Die Ankündigung gab am Rande der Wintersession des Parlaments zwar zu reden – aber wirklich überrascht zeigte sich niemand. Der gestrige Entscheid der Axpo beendet lediglich Spekulationen über den genauen Zeitpunkt der Abschaltung.

Als Reaktion auf die Reaktorkatastrophe von Fukushima hatten Bundesrat und Parlament 2011 den schrittweisen Ausstieg aus der Atomenergie beschlossen. Mit der Energiestrategie 2025 (Abstimmung im Mai 2017) und dem Stromgesetz (Abstimmung im Juni 2024) stimmte die Bevölkerung der Umsetzung dieses Schritts und dem Ausbau der erneuerbaren Energien zu.

Aktuell berät das Parlament den sogenannten Beschleunigungserlass, der dem Ausbau der Erneuerbaren mehr Schub verleihen soll. Damit sollen die Bauzeiten grosser Kraftwerke verringert werden. Zur Debatte stehen auch verlängerte Anschubfinanzierungen für Solarkraftwerke und – besonders heikel – eine Einschränkung des Verbandsbeschwerderechts von Naturschutzorganisationen bei den 16 im Stromgesetz namentlich aufgelisteten Wasserkraftprojekten.

Mit dem Beschluss der Axpo vom Mittwoch richtet sich der Fokus erneut auf die zukünftigen Herausforderungen für die Schweizer Stromversorgung – und ein mögliches Comeback der Atomenergie.

Kommt die Abschaltung zu früh oder zu spät?

«Es ist gut, gibt es ein Abschaltdatum für Beznau I und II, obwohl die beiden Reaktoren unserer Meinung nach klar zu lange am Netz sind», sagt Grünen-Fraktionschefin Aline Trede (BE).

Aline Trede, Nationalraetin GP-BE, Mitte, spricht waehrend einer Medienkonferenz der Gruenen Schweiz zur Anpassung an den Klimawandel, am Montag, 26. August 2024. (KEYSTONE/Peter Klaunzer)
«Klar zu lange am Netz»: Aline Trede (Grüne/BE).Bild: keystone

Auch SP-Energiepolitiker Roger Nordmann (VD) begrüsst den Entscheid: «Die Abschaltung von Beznau kommt früher als erwartet.» FDP-Nationalrätin Susanne Vincenz-Stauffacher (SG) begrüsst zwar die Klarheit, die der Entscheid bringe. Doch müsse sie die Grundlagen dafür noch genau studieren: «Denn eigentlich ist die Idee, dass wir die AKW so lange wie möglich laufen lassen.»

Wie steht es nach dem Aus von Beznau um die Versorgungssicherheit?

Im vergangenen Jahr produzierten die beiden Reaktoren in Beznau rund 6 Terawattstunden Strom, was rund 7.9 Prozent der gesamten Stromproduktion beträgt. Vanessa Meury, Präsidentin des atomstromfreundlichen Energie Club Schweiz, befürchtet danach eine Stromlücke, insbesondere im Winter.

FDP-Parteipräsident Thierry Burkart (AG) sagt, nach dem Abschalten von Beznau werden Reservekraftwerke nötig sein – aus fossiler Energie: «Das verdeutlicht das ganze Versagen der Schweizer Energiepolitik».

Stefan Mueller-Altermatt, CVP-SO, spricht waehrend der Sommersession der Eidgenoessischen Raete, am Mittwoch, 10. Juni 2020 im Nationalrat in einer Ausstellungshalle von Bernexpo in Bern. Damit das Pa ...
«Können das verkraften»: Mitte-Nationalrat Stefan Müller-Altermatt.Bild: keystone

Entspannter sieht es SVP-Nationalrat Christian Imark (SO), wie Meury ein Befürworter der Atomkraft. Das Problem der Versorgungssicherheit werde mit dem Beznau-Aus nicht grösser. «Aber das Klumpenrisiko für die Versorgung bei Ausfällen nimmt zu, wenn nur noch zwei Meiler am Netz sind.» Für die 2030er Jahre habe die Schweiz kein Problem, schwierig werde es ab 2050, weil die Schweiz wegen der Elektrifizierung und dem Ausstieg aus den fossilen Energien massiv mehr Strom brauchen werde.

Mitte-Nationalrat Stefan Müller-Altermatt (SO) beunruhigt der Wegfall von Beznau nicht. «Mit Effizienz, intelligenten Netzen und dem Ausbau der Erneuerbaren und der Speicher können wir das verkraften». Das sei schon auch eine Herausforderung, «aber die machbarere als ein neues AKW».

Was bedeutet der Entscheid für den Ausbau der erneuerbaren Energien?

FDP-Nationalrätin Vincenz-Stauffacher sieht den Axpo-Entscheid als «weiteren Weckruf, dass wir die erneuerbaren Energien rasch ausbauen müssen». Er sei ein Wink mit dem Zaunpfahl an die Umweltverbände, gerade auch die 16 Wasserkraftprojekte aus dem Mantelerlass nicht zu blockieren.

Susanne Vincenz-Stauffacher, FDP-SG, spricht waehrend der Wintersession der Eidgenoessischen Raete, am Mittwoch, 20. Dezember 2023 im Nationalrat in Bern. (KEYSTONE/Anthony Anex)
«Wink an Umweltverbände»: Susanne Vincenz-Stauffacher, FDP-SG.Bild: keystone

SP-Nationalrat Nordmann pflichtet ihr bei. Der Druck für einen Ausbau der Erneuerbaren erhöhe sich massiv. Nordmann plädiert dafür, die Verfahren bei den 16 im Stromgesetz verankerten Wasserkraftprojekten zu straffen. Die Umwelt werde nicht besser geschützt, wenn der Ausbau der Erneuerbaren verhindert werde, mahnt Nordmann jene Umweltverbände, welche Vorhaben blockierten. Denn sonst werde man die Stromlücke mit fossilen Energien decken müssen.

Die ständerätliche Umweltkommission hatte im Oktober einem Antrag von FDP-Chef Burkart zugestimmt, das Verbandsbeschwerderecht bei den besagten 16 Wasserkraftprojekten zu streichen. Im Parlament laufen nun Bemühungen für eine Kompromisslösung beim Beschleunigungserlass. Dieser soll Verzögerungen verhindern und gleichzeitig die Umweltverbände nicht dermassen vor den Kopf stossen, dass sie ein Referendum ergreifen.

Was heisst das Beznau-Aus für Leibstadt und Gösgen?

Keine Einigkeit herrscht in der Frage, was das Beznau-Aus für die letzten beiden Schweizer Atommeiler bedeutet: «Ideen von langen Superlaufzeiten für AKW und entsprechenden Subventionen sind damit vom Tisch», sagt SP-Nationalrat Nordmann Die grossen Investitionen in alte AKWs lohnten sich nicht.

Christian Imark, SVP-SO, spricht waehrend der Herbstsession der Eidgenoessischen Raete, am Montag, 23. September 2024 im Nationalrat in Bern. (KEYSTONE/Anthony Anex)
Langzeitbetrieb ist nicht vom Tisch: Christian Imark.Bild: keystone

Fundamental anders sieht SVP-Mann Imark die Lage: Das Konzept der Langzeitbetriebe. Technologisch sei Beznau nicht mit Gösgen und Leibstadt zu vergleichen. «Ich rechne damit, dass Gösgen und Leibstadt über 80 Jahre laufen werden.» Für deren Nachrüstung werde es kaum Bundessubventionen brauchen. FDP-Präsident Burkart betont indes, dass die Betreiber Investitionssicherheit brauchen – und die könne die Politik zurzeit nicht gewähren.

Und was heisst das angekündigte Ende von Beznau für das von der Stopp-Blackout-Initiative geforderte Comeback der Atomkraft? Als indirekten Gegenvorschlag will der Bundesrat das AKW-Neubauverbot aufheben. Mit-Initiantin Vanessa Meury vom Energie Club fordert die Planung neuer Kernkraftwerke. SVP-Nationalrat Imark begrüsst den bundesrätlichen Vorschlag und die Tatsache, dass sich das Volk zur Frage wird äussern können. Mitte-Energiepolitiker Müller-Altermatt wertet den Axpo-Entscheid hingegen als «Zeichen des Unwillens, an der Atomkraft festzuhalten». Er stärke das Lager, das den Ausstieg aus der Atomkraft und den Ausbau der Erneuerbaren wolle.

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quelle: globalsecurity.org
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174 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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ELMatador
06.12.2024 08:08registriert Februar 2020
Nur so als Randbemerkung, ursprünglich wurde beim Bau eine Abschaltung im Jahr 1992 bzw 1993 angegeben. Somit laufen sie knapp doppelt so lange wie ursprünglich vorgesehen.
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Overton Window
06.12.2024 08:53registriert August 2022
Wir dürfen jetzt nicht vernachlässigen, der Politik genau auf die Finger zu schauen!

Denn die Strategie ist ganz klar ersichtlich: die Erneuerbaren weiterhin verzögern, damit man in 5-10 Jahren das Volk mit der Angst vor einem Blackout dazu bringt, neue AKW über die Steuern zu finanzieren. Sind diese dann gebaut, wird eine private Firma, geführt von Vetterli der Entscheidungsträger, die Gewinne abschöpfen. Und wenn es ausgedient hat, darf der Steuerzahler wieder dran.

Mark my words.
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_andreas
06.12.2024 09:31registriert April 2020
Warum wird immer noch über AKWs debattiert?

- Nicht wirtschaftlich
- sehr abhängig von verbrecher-Staaten wie Russland
- Das Müll Problem ist noch immer nicht gelöst
- wir haben per Abstimmung entschieden dass wir keine mehr wollen

Also nochmals, warum debattiert man immer noch darüber statt alternative Lösungen mal konkret zu erarbeiten?
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