Und plötzlich funkte es gewaltig zwischen zwei Polen, die sich sonst eher abweisend gegenüberstehen. Es war kurz vor Unterbruch der Monsterdebatte um die Schweizer Energieversorgung, als FDP-Nationalrat Kurt Fluri mit einem Einzelantrag durchstiess und damit bewies: Das fragile Konstrukt zur Bewältigung der Schweizer Energiewende ist akut einsturzgefährdet.
Die Debatte war am Montag verhalten angerollt. Zwar ist spätestens seit der Diskussion im Ständerat vergangenen Herbst klar, dass die Güterabwägung zwischen Umweltschutz und einem Ausbau der erneuerbaren Energien nicht einfach wird. Doch es steht viel auf dem Spiel: Die Schweiz braucht mehr Strom und will zugleich mittelfristig auf Fossile und Atomkraft verzichten, ohne die Versorgung zu gefährden.
Zugeständnisse erwartet jeder von jedem. Kein Wunder, fiel das Wort «Kompromiss» allein in den ersten Stunden der Debatte zwanzigmal. Mittendrin: Albert Rösti (SVP), neuer Energieminister in der ersten Bewährungsprobe. Doch je später die Stunde, desto schwieriger wurde seine Rolle als Hüter der Balance.
Eine grosse Rolle spielen dabei die Fische. Es ist noch nicht lange her, da startete der Fischereiverband eine Initiative, um die Gewässer vor einer Übernutzung durch Kraftwerke zu schützen. Nach langem Ringen stand am Ende das Versprechen, die Restwassermengen zu erhöhen – ein Entscheid, den der Nationalrat am Montagabend kippte. Er tat dies denkbar knapp: mit nur einer Stimme Unterschied.
Gross war die Entrüstung unter Umweltverbänden am Tag danach: Der Mantelerlass Strom sei aus dem Gleichgewicht geraten. Der Fischereiverband schrieb von einer «riesengrossen Enttäuschung». Noch deutlicher wurde Martina Munz (SP/SH): «Mit diesem Gesetz kann ich nicht leben. Wenn die Vorlage bis zum Ende der Debatte so bestehen bleibt, werde ich sie bekämpfen.» Es ist die kaum verhohlene Referendumsdrohung einer Frau, die in den Vorständen dreier Umweltverbände mitwirkt: Aquaviva, der Stiftung Landschaftsschutz und der Greina-Stiftung.
Alle drei sind wohl kaum imstande, allein eine Volksabstimmung zu gewinnen. Holen sie sich aber den Fischereiverband ins Boot, wächst der Druck. Auch auf die anderen Umweltverbände: Grosse Namen wie WWF, Pro Natura oder Greenpeace halten sich zwar noch zurück. Doch Michael Fust vom WWF sagt stellvertretend: «Wir werden die gesamte Vorlage abwägen, aber für uns fällt die Frage um das Restwasser sehr stark ins Gewicht.»
Der Unmut über den Mantelerlass Strom wächst auch in der rechten Ecke des Nationalrats. Grund dafür war ein Antrag der Umweltkommission, grössere bestehende Bauten einer Solardachpflicht zu unterziehen. Darauf sagte Mike Egger (SVP/SG): «Ich warne Sie abschliessend vor einem allfälligen Referendum, wenn Sie diesem Mist zustimmen.» Schliesslich schwenkte das Parlament auf Neu- und Umbauten um.
Halb wähnte sich das Parlament schon im Mittag, als schliesslich Kurt Fluri aufkreuzte und sämtliche Konfliktlinien offenbarte: durch die SP, durch die FDP, durch die Mitte. Vor allem aber: entlang von SVP und Grünen.
Zwar stellte sich das Parlament hinter den Ausbau der Wasserkraft, die hauptsächlich mit fünfzehn Projekten gelingen soll. Diese hatte Röstis Vorgängerin Simonetta Sommaruga an einem runden Tisch mit verschiedensten Interessensvertretungen ausgehandelt und sollen nun von beschleunigten Verfahren profitieren. Das Interesse an ihrer Realisierung soll anderen nationalen Interessen grundsätzlich vorgehen.
Die Umweltkommission wollte dieses Statut auch auf Sonne und Wind ausweiten – und fand in Fluri ihren Meister. Der Solothurner ist Präsident des Stiftungsrats des Schweizer Landschaftsschutzes. Mit 97 zu 89 Stimmen bei 7 Enthaltungen strich der Nationalrat besagten Artikel – entgegen der breiten Kommissionsmeinung.
Das lässt sich als direkte Antwort auf den Montagabend lesen. Auch wenn es niemand offen aussprechen will: Für Umweltschützer dürfte dies ein gewichtiges Unterpfand sein, wenn sich im Sommer der Ständerat nochmals über die Vorlage beugt. Gut möglich, dass dann die Fische von einem Kuhhandel profitieren.
Ein wichtiges Signal war diese Abstimmung allerdings auch an die SVP. Sie darf mit Genugtuung feststellen, dass sie vielleicht gar nicht alleine gegen ihren neu gewählten Bundesrat anficht. Bereits heute geht die Verhandlung über die Schweizer Energieversorgung in die nächste Runde. Weitere spontane Allianzen sind nicht ausgeschlossen. (aargauerzeitung.ch)
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Allerdings entspricht eine Unabhängigkeit vielen kleiner PV-Anwender nicht der Geschäftspolitik einiger Stromanbieter - denn diese möchten Strom gewinnbringend verkaufen!
Die Energielobby hat zwar auch die Aufgabe die industrielle Energieversorgung zu sichern, aber dies ist eben nicht die einzige Argumentation dieser Lobby.