Neue Zölle aus Brüssel – auch gegen die Schweiz: Die EU wandelt auf Trumps Spuren
Die EU verhängt neue Stahlzölle, und das auch gegen die Schweiz, die gerade erst die Verhandlungen über die Bilateralen III abgeschlossen hat. In Bern reagiert man überrascht: Eigentlich meinte man, nicht schlechter gestellt zu werden als die Länder des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR). Und Zölle verhängt normalerweise US-Präsident Donald Trump und nicht «unser Freund, die EU». Doch es kommt anders. Die EU-Stahlzölle in der Höhe von 50 Prozent treffen auch Schweizer Unternehmen empfindlich.
Das geschah vor wenigen Tagen. Und jetzt verhängt Brüssel wieder neue Zölle. Und wieder ist die Schweiz betroffen. Dieses Mal geht es um Eisenlegierungen. Ein Vorprodukt für die Stahlherstellung. Die wirtschaftlichen Auswirkungen halten sich in Grenzen. Die Exportmenge von Eisenlegierungen aus der Schweiz in die EU ist überschaubar.
Grösser ist aber der politische Flurschaden. Helfen bei der Mehrheitssuche für die neuen Bilateralen Verträge in Bern wird das «Zoll-Hämmerchen» aus der EU jedenfalls nicht. Schon gar nicht, wenn das Hauptargument für die Bilateralen der möglichst florierende Handel zwischen der Schweiz und der EU sein soll. In der Schweizer Öffentlichkeit droht der Eindruck zu entstehen: In EU-Europa floriert hauptsächlich eines – Protektionismus.
Bemerkenswert ist, dass dieses Mal sogar die EWR-Staaten betroffen sind. Auch sie müssen die neuen Zölle bezahlen. Und dort hat es echte Auswirkungen: 47 Prozent aller Eisenlegierungen importiert die EU aus Norwegen und Island. Proteste aus Oslo und Reykjavik, dass die Schutzzölle gegen die EWR-Abkommen verstossen würden, verhallten ungehört.
Um eine Industrie mit kaum 1800 Angestellten zu schützen, setzt Brüssel voll auf «Europe first». Den Konflikt mit einem befreundeten Land wie Norwegen, das die EU auch bei der Ukraine unterstützt, nimmt man in Kauf. Die EU auf den Spuren von Donald Trump? Man kann es so formulieren.
Gleichzeitig lässt sich die europäische Handelspolitik nicht auf Abschottung reduzieren. Die EU schliesst sogar neue Freihandelsabkommen ab. Zum Beispiel mit den Mercosur-Ländern oder Indonesien. Die Zölle auf die meisten Waren, die nach Europa kommen, sinken, statt zu steigen. Es klingt vielleicht ironisch, aber es ist wahr: Wenn jemand noch den offenen Markt verteidigt, dann sind es die EU-Bürokraten in Brüssel.
Aber Europa muss dort auf Trumps Spuren wandeln, wo dieser bereits vorausgegangen ist. Es ist ein Domino-Effekt, ähnlich wie bei Covid: Als Reaktion auf das Zoll-Virus aus den USA zieht einer nach dem anderen seine Grenzen hoch. Unter anderem eben beim Stahl, wo chinesische Billig-Ware nicht mehr in die USA fliessen darf und deswegen Europa überschwemmt. Das zwingt die EU zu Reaktionen, die mit klassischem Freihandelsdenken nur noch schwer in Einklang zu bringen sind.
Wir befinden uns in einer Zeit der sogenannten «Geoökonomie». Der Begriff hat gerade Hochkonjunktur und beschreibt die Durchsetzung von geopolitischen Interessen mittels Wirtschaftsmacht. Die USA gehen mit ihrer Zoll-Brechstange voran. Auf der anderen Seite manipuliert China die Märkte und setzt seine hochsubventionierten Unternehmen als Waffe gegen die europäische Industrie ein.
Einfach nichts zu tun und sich in freihändlerischer Schönheit in sein Schicksal zu ergeben, wäre fahrlässig. In einer Welt der Fleischfresser könne Europa nicht länger Vegetarier bleiben, hat der französische Präsident Emmanuel Macron einmal gesagt. Er mag zu Hause als abgehalftert gelten, aber hier hat der Franzose recht.
Heute gibt es grob gesagt drei wirtschaftliche Supermächte auf der Welt: Amerika, China und Europa. Für wirtschaftlich neutrale Staaten wie die Schweiz birgt ihre Blockfreiheit ein Risiko.
Wir laufen Gefahr, zwischen Hammer und Amboss zu geraten. Das sehen wir bei den USA, die im Fahrwasser des Zoll-Deals ihre Macht offen ausspielen. Sie möchten der Schweiz ihre Digital-Politik aufzwingen und vielleicht schnappen sie uns sogar unsere letzte Grossbank weg. Aber auch die EU verlangt mit wirtschaftlichen Argumenten politische Zugeständnisse von der Schweiz.
Im neuen Zeitalter der Geoökonomie wird es immer schwieriger, zwischen den Mächten zu manövrieren. Der Druck steigt, sich für die am wenigsten schlechte Option zu entscheiden. (aargauerzeitung.ch)
