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Kompass Europa sorgt mit Initiative für eine Zerreissprobe beim Freisinn

Alfred "Fredy" Gantner, Wirtschaftsfuehrer und Politaktivist, spricht waehrend einer Medienkonferenz zur Eidgenoessischen Volksinitiative "Fuer eine direktdemokratische und wettbewerbsf ...
Alfred Gantner (links), Mitgründer der Allianz Kompass Europa und Vermögensverwalter der Partners Group, spricht an der Medienkonferenz zur Initiative «Für eine direktdemokratische und wettbewerbsfähige Schweiz – keine EU-Passivmitgliedschaft».Bild: keystone

Kompass Europa sorgt mit ihrer Initiative für eine Zerreissprobe beim Freisinn

Die Allianz Kompass Europa lancierte am Montag eine Initiative. Sie will, dass Volk und Stände in EU-Fragen das letzte Wort haben. Dass eine FDP-nahe Agentur die Kampagne führt und FDP-Ständerat Hans Wicki auftrat, sorgt bei der FDP für Nervosität.
03.10.2024, 08:11
Othmar von Matt / ch media
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Schon am Dienstagabend trat Alfred Gantner im Hotel Krone Unterstrass an der Zürcher Schaffhauserstrasse auf. Er ist einer der drei milliardenschweren Vermögensverwalter der Partners Group, welche die Allianz Kompass Europa gegründet haben.

Gantners Thema: die Kompass-Initiative «Für eine direktdemokratische und wettbewerbsfähige Schweiz – keine EU-Passivmitgliedschaft». Sie will in der Verfassung festhalten, dass Staatsverträge dem obligatorischen Referendum unterstehen, mit denen die Schweiz dynamisch anderes Recht übernehmen soll. Die Initianten wollen damit Druck auf den Bundesrat ausüben, dass die Bilateralen III, die er mit der EU verhandelt, vors Volk und vor die Stände kommen.

Zürich war der Auftakt zu einer Vortragsreise, die durch 32 Städte führt. Parallel dazu soll in jeder der 2131 Gemeinden der Schweiz ein Komitee gegründet werden mit Freiwilligen. Diese Komitees braucht es, um Häuser zu beflaggen, Plakate aufzuhängen und Unterschriften zu sammeln.

Zusammenarbeit mit Farner in aller Stille beendet

Es ist nicht die renommierte Farner Consulting, welche die Kampagne führt, sondern das bisher nur in Insiderkreisen bekannte Start-up Campaigneers. Kompass Europa hat die Zusammenarbeit mit Farner im Frühsommer 2024 nach knapp vier Jahren in aller Stille beendet.

Farner gilt als schillernde Agentur in der Schweizer PR-Branche. Lange galt sie als rechtsbürgerlich mit grosser Nähe zu FDP, Rüstungsindustrie und Atomkraft. In den letzten Jahren wandelte sie aber ihr Image. Sie machte Wahlkampf für die GLP, unterstützte SP-Ständerätin Elisabeth Baume-Schneider auf dem Weg zur Bundesrätin und stellte im März Sanija Ameti ein, Co-Präsidentin der Operation Libero.

Es gibt Insider, die sagen, Farners Anwerbung der Pro-Europäerin Ameti habe zum Abgang von Kompass Europa geführt. Die Allianz will kein institutionelles Rahmenabkommen mit der EU.

Sanija Ameti, Co-President In Operation Libero, poses for a portriat on Nov.2, 2021, at Proger in Bern. (Christian Beutler/Keystone via AP)
Es gibt Insider, die sagen, Farners Anwerbung der Pro-Europäerin Ameti habe zum Abgang von Kompass Europa geführt.Bild: keystone

Nur: Stimmt das? «Nein», sagt Alfred Gantner. «Wir haben Farner zwar angefragt, ob sie uns als Agentur in Bern noch richtig vertreten könne, wenn die Co-Präsidentin von Operation Libero bei ihr arbeite. Farner hat uns aber versichert, dass sie nicht in unser Mandat involviert sei.» Ameti selbst arbeitet inzwischen nicht mehr bei Farner – wegen eines heftig kritisierten Posts auf Instagram.

Farner selbst will sich weder zum verlorenen Mandat noch zur Rolle von Sanija Ameti äussern. Gantner wiederum betont, man habe «sehr erfolgreich und gut» mit Farner zusammengearbeitet. «Für das politische Lobbying in Bern war es die richtige Agentur», sagt er. «Wir können uns auch vorstellen, später wieder mit Farner zusammenzuarbeiten – wenn wieder politisches Lobbying in Bern gefragt ist.»

Kompass Europa will eine Grassroot-Kampagne

Für das aktuelle Initiativprojekt scheint Farner mit den sechs Standorten in der Schweiz und den 300 Expertinnen nicht mehr der richtige Partner zu sein. Kompass Europa habe eine Agentur, die eine «Grassroot-Kampagne» führen könne, sagt Gantner. Darauf ist Campaigneers spezialisiert. Die Agentur soll eine Kampagnenorganisation aufbauen. Und Gantner ist voll des Lobes: «Die Agentur ist jung, unternehmerisch und engagiert. Da fühle ich mich wohl.»

Campaigneers ist drei Jahre alt und hat acht Mitarbeitende. Ihr Kernbereich liegt bei politischen Kampagnen und beim Aufbau von Communitys. Das sei, schreibt sie auf ihrer Homepage, zentraler Erfolgsfaktor jeder Kampagne.

Gegründet wurde Campaigneers von Marcel Schuler. Er war zuvor fünf Jahre lang Kampagnenleiter der FDP und hat dort 56 Abstimmungskampagnen geführt. Die Agentur selbst führte die Kampagne für die Renteninitiative des Jungfreisinns und unterstützte den Bankenpersonalverband bei der Gewerkschaftskampagne nach der CS-Übernahme durch die UBS. Aktuell hat die Agentur 20 Mandate.

Beim traditionell europafreundlichen Freisinn wird mit einer gewissen Skepsis zur Kenntnis genommen, dass ausgerechnet eine FDP-nahe Agentur die Initiativkampagne der europakritischen Allianz Kompass Europa führt. Zumal auch FDP-Ständerat Hans Wicki, ein Mitglied des Parteivorstands, im Initiativkomitee sitzt und vor den Medien auftrat.

Hans Wicki, Staenderat FDP-NW, spricht waehrend einer Medienkonferenz zur Eidgenoessischen Volksinitiative "Fuer eine direktdemokratische und wettbewerbsfaehige Schweiz - keine EU-Passivmitglieds ...
FDP-Ständerat Hans Wicki, ein Mitglied des Parteivorstands, sitzt im Initiativkomitee.Bild: keystone

Als Ständerat des Kantons Nidwalden müsse er sich in einer solchen Situation nicht mit einer Partei abstimmen, das sei sein Privileg, sagte Wicki vor den Medien.

Wickis Auftritt kommt im Freisinn nicht überall gut an. In der FDP ist klar, dass die Bilateralen III die Partei spalten können. «Man hat mich im Vorfeld gebeten, mir diesen Auftritt nochmals zu überlegen», bestätigt der Nidwaldner Ständerat gegenüber CH Media. Dennoch zog er ihn durch. «Ich kann zu 100 Prozent hinter der Forderung der Initiative stehen, dass Verträge wie die Bilateralen III vors Volk kommen müssen», betont er. Zudem stehe in der Initiative kein Wort gegen das Abkommen mit der EU. «Im Initiativkomitee gibt es sicherlich Personen, die gegen die Bilateralen III sind», sagt Wicki. «Nur darf man diese Haltung nicht mit der Initiative gleichsetzen.»

Aktiv geworden sind in Sachen Bilaterale III auch andere in der FDP. Nationalrat und Unternehmer Simon Michel und Ständerat Damian Müller haben als Dossier-Leader sechs vierstündige Workshops zu den Bilateralen III aufgegleist für Fraktion und Kantonalpräsidenten. Daraus soll eine Art Handbuch zum Abkommen entstehen, als Grundlage für die parteiinternen Diskussionen. Das Vorgehen von Michel und Müller ist intern nicht ganz unumstritten.

FDP-Präsident Thierry Burkart hat die Devise herausgegeben, den Entscheidungsprozess zu den Bilateralen III dann zu starten, wenn das Verhandlungsergebnis vorliegt. Eine Delegiertenversammlung oder ein Parteitag soll die FDP-Haltung entscheiden. Zudem will die FDP als vertrauensbildende Massnahme, dass Bundesrat und Parlament nach sieben Jahren Bilanz ziehen zu den Bilateralen III und ihre Weiterführung dem fakultativen Referendum unterstellen.

Und was sagt Marcel Schuler, der Gründer von Campaigneers? Kann er – als Freisinniger – hinter der Initiative stehen? «Ja, ganz klar», sagt er. Es gehe um die Stärkung der direkten Demokratie. Wer unter Androhung von Strafmassnahmen – die EU kann Ausgleichsmassnahmen ergreifen – einen Entscheid fällen müsse, ob er neues EU-Recht übernehme, könne keinen freien Entscheid fällen, sagt er. Hinter diesem Anliegen könnten auch Freisinnige stehen. (aargauerzeitung.ch)

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42 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Gerd Müller
03.10.2024 08:46registriert August 2022
Die EU dürfte der Initiative ganz fest die Daumen drücken.
Einen besseren Anlass, die Bilateralen I durch Nichtaufdatierung wertlos werden zu lassen, als ein innerschweizerisches Scheitern des zweiten Verhandlungsanlaufs kann sie sich doch gar nicht wünschen.
Die Schweiz hat 2007 um diese Verhandlungen gebeten und schafft es in siebzehn Jahren nicht, sich mit sich selbst zu einigen. Angesichts dessen würde niemand der EU die Schuld geben.
Ausser der SVP natürlich...
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recherchierenbitte!
03.10.2024 11:31registriert Mai 2023
Eine Graswurzelbewegung zum Wohle der Schweizer Steuervermeider und Briefkasten Industrie?

also Humor haben sie ja diese Herren Kompässler aus der Innerschweiz. 🤣
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TheRealSnakePlissken
03.10.2024 09:19registriert Januar 2018
Da wollen wohl zwei Milliardäre den Elon Musk geben. Natürlich nicht ganz so lärmig wie das Vorbild aus Amerika und man kauft sich auch keinen grossen Medienkanal, sondern nur pensionierte Showmaster aus der Deutschschweiz (gibt’s wenigstens irgendwo einen Alibi-Romand?).
Einem Blocher nehme ich die Angst, „dass sich die Schweiz in Europa auflöst, wie ein Zuckerstückchen im Kaffee“ noch halbwegs ab, aber diesen Leuten nicht.
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