Schweizer Anwälte sollen russische Firmen trotz verbrecherischem Angriffskrieg weiter beraten dürfen: Dafür hat sich kürzlich der Ständerat ausgesprochen und in Teilen der Bevölkerung Unverständnis ausgelöst.
Nach dem jüngsten Urteil des Gerichts der Europäischen Union erscheint der umstrittene Entscheid in noch schlechterem Licht: Der Europäische Gerichtshof (EuGH) beurteilt das Verbot der Rechtsberatung nämlich als rechtskonform, wie er am Mittwoch mitteilte.
Das Gericht mit Sitz in Luxemburg ist das oberste rechtsprechende Organ der Europäischen Union.
Das Rechtsberatungs-Verbot ist Bestandteil der wegen des russischen Angriffskrieges verhängten Sanktionen der EU. Diese Wirtschaftssanktionen richten sich gegen den alleinigen Aggressor im Ukraine-Krieg und werden eigentlich von der Schweiz mitgetragen. Doch dann scherte der Ständerat am 23. September aus.
Trotz Warnung des Schweizer Wirtschaftsministers, Bundesrat Guy Parmelin, sprach sich die kleine Kammer des eidgenössischen Parlaments mit 34 zu 10 Stimmen dafür aus, die Sanktionen gegen Russland zu lockern.
Die Solothurner SP-Ständerätin Franziska Roth plädierte erfolglos dafür, das am 2. Oktober erwartete Urteil aus Luxembourg abzuwarten. Ein Alleingang der Schweiz würde ein unglückliches Signal an die EU senden. Es gelte, die Sanktionen wasserdicht zu erhalten.
Die bürgerliche Mehrheit wollte nicht hören.
In den Augen des EU-Gerichts ist das Verbot der Rechtsberatung gegenüber der russischen Regierung und in Russland niedergelassenen Organisationen gültig. Belgische, französische und niederländische Rechtsanwalts-Organisationen hatten dagegen geklagt.
Weiterhin erlaubt sind laut dem am Mittwoch veröffentlichtem Urteil die rechtliche Vertretung natürlicher Personen aus Russland sowie die Rechtsberatung in Gerichts-, Verwaltungs- oder Schiedsverfahren.
Die EU-Richter betonen, dass jeder und jede das in der EU-Charta der Grundrechte anerkannte Recht auf einen effektiven gerichtlichen Rechtsschutz und einen Anwalt habe. Dieses ist nach Ansicht des Gerichts durch das streitige Verbot nicht infrage gestellt.
Das Verbot gilt gemäss dem Urteil nur für die Rechtsberatung, die keinen Bezug zu einem Gerichts-, Verwaltungs- oder Schiedsverfahren hat, und nicht für die Vertretung natürlicher Personen. Es greift damit auch nicht in die anwaltliche Unabhängigkeit ein.
Die Tätigkeit eines Anwalts könne zum Schutz der Rechtsstaatlichkeit Beschränkungen unterliegen und diese müssten durch dem Gemeinwohl dienende Ziele gerechtfertigt sein, wird das Urteil begründet.
Nach Auffassung des Gerichts verfolgt das fragliche Verbot, so wie es durch die Ausnahmen begrenzt ist, «dem Gemeinwohl dienende Ziele, ohne die grundlegende Aufgabe der Anwälte in einer demokratischen Gesellschaft in ihrem Wesensgehalt anzutasten».
Gegen das Urteil des Europäischen Gerichtshofes können noch Rechtsmittel eingelegt werden.
Der Entscheid aus Luxembourg hat für die Schweiz keine juristischen Konsequenzen.
In Bundesbern wird als Nächstes auch noch die grosse Kammer des Parlaments, der Nationalrat, über den politischen Vorstoss zur Lockerung der Sanktionen befinden. Es ist also noch nichts definitiv entschieden.
Die umstrittene Motion stammt von Walliser Ständerat und Rechtsanwalt Beat Rieder (Die Mitte). Sie wird unter anderem auch von dessen Zürcher Rats- und Anwalts-Kollegen Daniel Jositsch (SP) mitgetragen.
Da hockt doch sicherlich 1/3 Juristen im Ständerat.
Die Damen und Herren sind im aller höchsten Masse zum Fremdschämen!