Diese Schutzklausel. Sie wäre die Rettung, glauben viele. Wie eine Fata Morgana taucht sie immer wieder auf. Nur greifen kann man sie nie. Michael Ambühl, ETH-Professor für Verhandlungsführung und einst viel gelobter Chefunterhändler der Eidgenossenschaft, hat sie ins Spiel gebracht. Die EU kenne zahlreiche Schutzklauseln, doziert er selbstbewusst.
Da werde es wohl für die Schweiz und deren Problem mit der Masseneinwanderung auch noch eine mathematische Lösung geben können. Wäre ja gelacht.
Auch BDP und CVP tun so, als hätten sie die rettende Klausel selbst erfunden. Und ein Vertreter von Economiesuisse, dem Dachverband der Schweizer Wirtschaft, meinte gestern am Telefon, selbstverständlich sei man weiterhin für die Schutzklausel, schliesslich habe man sie dem Bundesrat ja auch eingeflüstert.
Bis heute ist unklar, wie diese Schutzklausel mit Leben gefüllt werden könnte. Wer ist von den Kontingenten betroffen? Wie hoch sind die Höchstzahlen? Wann gilt der Inländervorrang? Wer löst die Klausel aus?
Am 4. März will der Bundesrat die Katze aus dem Sack lassen und uns zeigen, wie die Zuwanderung reduziert werden kann – auch wenn die Details erst später in einer Verordnung geregelt werden sollen.
Einvernehmlich soll sie sein, sagt die Regierung. Ausgetüftelt zusammen mit der EU. Der Haken nur: Die EU will diese Schutzklausel gar nicht. Dem gewichtigen Mitglied Grossbritannien jedenfalls wollte sie partout keine fixen Quoten gegen Zuwanderer gewähren. Nur ein paar Massnahmen gegen die Einwanderung in den Sozialstaat, die erst noch von der EU abgesegnet werden müssen. That’s all. Warum Bern mehr herausholen soll als London, bleibt das Geheimnis der Schutzklausel-Apologeten.
Der Bundesrat, ein chronisch zerrissenes und darum strategisch eher schwaches Führungsgremium, unter Druck gesetzt von den zahlreichen Erfindern der Schutzklausel, liess sich im Dezember auf eine Wette ein.
Entweder, liebe Freunde in Brüssel, macht ihr mit und gebt uns, was wir wollen. Oder wir führen autonom eine Schutzklausel ein und verletzen damit das Freizügigkeitsabkommen (FZA). Der Poker ist eröffnet. Ein bisschen Druck kann ja nie schaden, dachten die vermeintlich cleveren Berner Politstrategen.
Doch die Euphorie währt nicht lange. Das Bundesgericht hält in einem Grundsatzurteil, dessen Tragweite erst im Januar publik wird, fest: Selbst mit einer autonomen Schutzklausel bleibt das FZA in Kraft. Pacta sunt servanda. Verträge müssen eingehalten werden. Punkt.
Schlimmer noch: Mittlerweile lässt auch die EU durchblicken, was sie von den Schweizer Muskelspielen hält: Nichts. Die Rebellion der Eidgenossen soll erstickt werden, noch ehe sie richtig begonnen hat.
Den Mutigen gehört die Welt. Doch der Bundesrat kämpft zunehmend mit der Verzweiflung. Die Kündigung des FZA ist keine Lösung, die Bilateralen sollen schliesslich nicht geopfert werden. Um nicht komplett das Gesicht zu verlieren, dürfte die Landesregierung die Fiktion Schutzklausel aufrechterhalten. Nur nicht wankelmütig wirken, lautet die Devise.
Immerhin aber will sie nach dem folgenschweren Bundesgerichtsurteil in der Botschaft, die am 4. März verabschiedet werden soll, festhalten, dass die Einführung einer autonomen Schutzklausel die Kündigung des Freizügigkeitsabkommens zur Folge habe.
Das ist konsequent. Vor allem aber soll damit, so der Hintergedanke, der riskante Weg des Alleingangs definitiv sabotiert werden.
Was bleibt? Die einvernehmliche Lösung. Vielleicht. Wenn die Briten dereinst Ja zum Verbleib in der EU gesagt haben, könnte diese entspannter Hand bieten zu einer wie auch immer gearteten Schutzklausel. Oder vielleicht eher: Zu einem Schutzkläuselchen mit viel Wenn und Aber. Aber das muss man den geschätzten Mitbürgern ja noch nicht jetzt unter die Nase reiben.