Im Frühling dieses Jahres entbrannte im deutschsprachigen Raum eine Debatte um kulturelle Aneignung. Auslöser dafür war Folgendes: Aktivistinnen von Fridays for Future Hannover luden die Sängerin Ronja Maltzahn aus, die beim globalen Klimastreik hätte auftreten sollen. «Es ist für uns nicht vertretbar, eine weisse Person mit Dreadlocks auf unserer Bühne zu haben», schrieben die Aktivistinnen damals.
Darauf wurde tagelang über Sinn und Unsinn von «kultureller Aneignung» diskutiert. Damit ist die Übernahme von Aspekten einer Kultur in die andere gemeint.
Ein ähnlicher Vorfall wie in Deutschland hat sich nun auch in der Schweiz ereignet. Vergangenen Montag brach die Berner Brasserie Lorraine ein Konzert der Band Lauwarm ab. «Während dem Konzert kamen mehrere Menschen unabhängig voneinander auf uns zu und äusserten Unwohlsein mit der Situation. Es ging dabei um die Thematik ‹Kulturelle Aneignung›», schreibt das Restaurant auf Facebook.
Man möchte sich bei allen Menschen entschuldigen, bei denen das Konzert schlechte Gefühle ausgelöst habe. Man habe es verpasst, sich vorneweg mit dem Thema auseinanderzusetzen, so die Brasserie. «Unsere Sensibilisierungslücken und die Reaktion von vielen Gästen auf das Abbrechen des Konzertes haben uns wieder einmal gezeigt, dass das Thema emotional geladen ist und wir zusammen reden und einander zuhören müssen.» Das Restaurant plant nun eine Diskussionsrunde zum Thema kultureller Aneignung.
Offenbar war es aber nicht so, dass sich alle Besucher am Konzert gestört haben. Ein Facebook-User, der angibt, dabei gewesen zu sein, schreibt, er sei schockiert gewesen, dass das Konzert abgebrochen wurde.
Es seien berndeutsche Songs gespielt worden, die Elemente von Reggae, Pop und Worldmusic gehabt hätten. Einige Bandmitglieder hätten blonde «Rastafrisuren». Er würde gerne den Grund wissen, was zum Unwohlsein geführt habe, schreibt der Konzertbesucher und fügt an: «Ich dachte an Bob Marley und was er dazu sagen würde, dass Reggae nur von Jamaikanern gespielt werden darf?!»
Auf den Konzert-Abbruch in der Lorraine reagieren die meisten Facebook-User mit Unverständnis. «Meine Familie in Afrika würde sich fragen: Habt ihr überhaupt Probleme in eurem Leben?», schreibt eine weitere Person. Und ein User fragt: «Gibts in Zukunft nur noch Ländler-Musik bei euch? Wobei man beim ‹Schottisch› wohl schon wieder einschreiten müsste …»
Dominik Plumettaz, Leader der Band «Lauwarm», sagt in einem Interview mit 20min.ch, dass die Stimmung während des Konzertes super gewesen sei. Die Mehrheit des Publikums habe gewollt, dass das Konzert weitergeführt werde. «Das Publikum tobte. Die Leute haben nicht verstanden, dass das Konzert abgebrochen wird», so Plumettaz gegenüber 20min.ch.
Die Band sei danach noch drei Stunden in der Brasserie geblieben und habe Gespräche mit dem Publikum geführt, da man dessen Unterstützung gespürt habe. Die Kritiker hätten sich hingegen nicht zu erkennen gegeben. «Bis heute weiss ich nicht, wer die Kritik geäussert hat, wer von den Gästen sich unwohl gefühlt hat, weil wir als weisse Männer mit Rastas Reggae spielen.» (cma)