Modefarben sind wechselhaft. Das gilt für die Haute Couture wie für die Politik. Vor vier Jahren, nach der Atomkatastrophe in Fukushima, war Grün voll im Trend. Jetzt aber erlebt ein Farbton ein Comeback, der lange megaout war: Das Blau der FDP. Seit mehr als 30 Jahren ging es für die Gründerpartei der modernen Schweiz auf nationaler Ebene nur bergab.
Besonders heftige Schläge mussten die Freisinnigen in ihrer Hochburg Zürich einstecken: Den tiefen Fall von Bundesrätin Elisabeth Kopp etwa oder das Grounding der Swissair, das dem FDP-Filz angelastet wurde. Umso süsser schmeckt nun der fulminante Erfolg bei den kantonalen Wahlen: Plus 4,4 Prozent Wähleranteil, plus acht Sitze im Kantonsrat, dazu die beiden Sitze im Regierungsrat verteidigt. Zuvor hatte die FDP bereits bei den Wahlen in Basel-Landschaft und Luzern zugelegt.
#FDP Die Liberalen: Freude herrscht! Grosse Freude! Danke allen, die an liberale Werte glauben und uns ihr Vertrauen geschenkt haben!
— Doris Fiala (@DorisFiala) April 12, 2015
Das Zürcher Ergebnis ist kein Strohfeuer, sondern ein Versprechen für die nationalen Wahlen am 18. Oktober. Als «hoch motivierend» bezeichnete es Parteipräsident Philipp Müller in der Tagesschau von SRF. Wie konnten die Freisinnigen ihr notorisches Verliererimage abstreifen? Drei mögliche Erklärungen bieten sich an:
Die Aufhebung des Euro-Mindestkurses durch die Nationalbank am 15. Januar hat den Franken massiv aufgewertet. Seither geht im «Wirtschaftswunderland» Schweiz die Angst um vor einer Rezession und Arbeitslosigkeit. Die Ökonomie verdrängte die Ökologie auf der politischen Agenda nach hinten. Davon profitiert die FDP. Ihr Image als Wirtschaftspartei hat Schaden genommen, das Stimmvolk scheint ihr aber in diesem Bereich noch immer mehr zuzutrauen als anderen Parteien.
Ökonomie statt Ökologie: Top5 gemäss Hochrechnung #rrzh15 gewählt. FDP legt bei #krzh15 zu; Graf, GPS u GLP sind Verlierer der #wahlenzh15.
— Claude Longchamp (@claudelongchamp) April 12, 2015
Die Grünliberale Partei (GLP) galt bis vor kurzem als sichere Siegerin im Herbst. Der Absturz in Zürich hat ihr Winnerimage mehr als nur angekratzt. Gründe dafür sind der Frankenschock, aber auch das monströse Debakel ihrer Energiesteuer-Initiative. Es hat ernsthafte Zweifel an der Kompetenz dieser Partei aufkommen lassen. Auch dürften sich immer mehr Wählerinnen und Wähler die Frage stellen, ob man gleichzeitig grün und wirtschaftsliberal sein kann.
Die SVP stagniert im Blocher-Kanton Zürich, obwohl die unsichere Weltlage ihrer Abschottungs-Ideologie in die Hände spielen sollte. Eine Erklärung sind die immer radikaleren Initiativen, die von der Partei lanciert werden. Sie hält damit ihren rechten Rand bei Laune, dürfte aber Wähler aus der Mitte abschrecken. Profiteurin ist jene Wirtschaftspartei, die für den Rechtsstaat und die Bilateralen einsteht: Die FDP.
Indizien für eine solche Entwicklung sind vorhanden. Ein Beispiel ist der Berner Unternehmer Jobst Wagner. Er flirtete eine Zeit lang mit der SVP. Nun grenzt er sich als Mitinitiant der neuen Bewegung «Vorteil Schweiz» klar von ihr ab.
Für die FDP ist dies eine Genugtuung. Lange musste sie sich von der SVP vorführen und als «weichsinnig» verhöhnen lassen. Nach den jüngsten Erfolgen tut sie gut daran, sich nicht auf Hirngespinste wie einen «Freisinn blocherscher Prägung» einzulassen.