Das Scheinwerferlicht ist da, der Respekt der Filmconnaisseurs noch immer nicht wirklich: Das Zurich Film Festival (ZFF), 2005 aus der Taufe gehoben, ist seit Beginn bemüht, dem in der Branche hochangesehenen Locarno Filmfestival Paroli zu bieten. Die beiden Co-Direktoren Karl Spoerri und Nadja Schildknecht setzen dabei auf die Karte Hollywood.
Vor dem «Corso», dem Hauptkino des Festivals, zwischen Opernhaus und Bellevue, gaben sich schon zahlreiche Filmstars die Ehre: Hugh Jackman, Cate Blanchett, Sylvester Stallone bis hin zu Glenn Close und Diane Keaton gingen über den grünen Teppich, erhielten den «Golden Icon Award» oder präsentierten ihre neusten Filme. Und seit 2016 hält die NZZ die Mehrheit am Event.
Doch noch immer rümpfen viele Cinéphile die Nase ob der glamourösen Filmsause in der Limmatstadt. Kommerz statt Kunst, so der oft geäusserte Tenor. Es sei ein seelenloses Retorten-Festival, die teilnehmenden Kinos zu weit voneinander entfernt, und überleben könne es nur dank spendierfreudiger Sponsoringpartner wie der Credit Suisse, UPC oder neuerdings Samsung, das die arabische Airline Etihad als Hauptsponsor dieses Jahr ablöst.
Das Festival ist stetig gewachsen und ab Ende September findet es bereits zum 14. Mal statt. Doch die Unkenrufe sind geblieben. Und nun sind die Verantwortlichen mit einer weiteren Baustelle konfrontiert – im wahrsten Sinne des Wortes. In der Filmbranche würde man von einem «Cliffhanger» sprechen, unklar ist, wie es weitergeht. Dies liegt an den seit länger gehegten Plänen der Stadt Zürich, ihr geschichtsträchtiges «Corso»-Haus von Grund auf zu sanieren (siehe Box). Vor einigen Tagen hat das Hochbaudepartement der Stadt eine Ausschreibung für die Generalplanung publiziert. Gesucht sind Architekten, Bau-, Sanitär- und Elektroingenieure für die veraltete Haustechnik.
Hinter den Kulissen wird spekuliert, was diese Pläne für das ZFF bedeuten. Denn derart aufwändige Sanierungsarbeiten dürften mehrere Monate dauern und somit das Filmfestival zumindest für eine Saison lang seiner Heimat berauben; des Corsos mit seinen vier Sälen und über 1300 Sitzplätzen.
Matthias Wyssmann, Sprecher des Hochbaudepartements, bestätigt, dass die Stadt zurzeit einen Generalplaner für die Instandsetzungsarbeiten des Corso-Hauses sucht. Sobald dieser erkoren ist, soll eine Machbarkeitsstudie durchgeführt werden. Dabei wird analysiert, welche Baumassnahmen nötig sind, was das Projekt kostet und wie der Terminplan aussehen wird. Die Studie wird voraussichtlich im zweiten Quartal 2019 vorliegen.
Wie lange das Corso-Kino geschlossen wird, sei zum heutigen Zeitpunkt nicht klar, sagt Wyssmann. Er gehe jedoch davon aus, dass der Kinobetrieb während der Bauausführung über eine gewisse Zeit «ganz oder zumindest teilweise» unterbrochen werden müsse. In diesem Fall müsse für das Zurich Film Festival eine Lösung gefunden werden.
Ob die ZFF-Verantwortlichen auf ein anderes Zürcher Stadtkino als Event-Basis ausweichen, von denen schon heute viele am Festival teilnehmen, ist fraglich. Denn keine der Alternativen liegt an so prominenter Lage wie das «Corso» nahe des Zürichsees – weder das «Arena» im Sihlcity-Areal am Stadtrand, noch das «Abaton» im ehemaligen Industriequartier Zürich West.
Wäre ein Kino-Provisorium denkbar auf dem Sechseläutenplatz, dem zweitgrössten Platz der Schweiz, gleich vor der Haustüre des «Corso»? Wyssmann sagt nur, dass man bemüht sei, die Betriebsschliessung «möglichst kurz» zu halten. Und die Verantwortlichen könnten bei der Suche nach einer Ersatzlösung auf die Unterstützung der Stadt zählen, da sich das Festival einen festen Platz in Zürich erobert habe. Festival Co-Direktor Karl Spoerri gibt sich bedeckt.
Er sagt nur, dass das «Corso» für die Durchführung des ZFF «ein zentraler Anker» sei und man die möglichen Optionen mit der Kinobetreiberin Kitag und der Stadt Zürich besprechen werde, sobald die Pläne konkreter würden.
Doch will die Kitag, die mehrheitlich im Besitz der Swisscom ist, dem Haus treu bleiben? Denn die Kino-Eintrittszahlen sind in den vergangenen Jahren schweizweit deutlich gesunken. Allein dieses Jahr rechnet die Branche mit einem Minus von bis zu 20 Prozent. Einerseits, weil zugkräftige Blockbuster wie «James Bond» und Überraschungshits à la «Intouchables» fehlen. Hauptsächlich aber, weil die Streaming-Konkurrenz mit Netflix und Co. das Filmeschauen zu Hause auf dem Sofa beliebt machen.
Matthias Wyssmann vom Hochbaudepartement sagt, die heutigen Hauptmieter würden ihren Betrieb nach der Gesamtinstandsetzung weiterführen können. Entsprechende Verträge seien bereits abgeschlossen. So laufe der Mietvertrag mit der Kitag bis 2032 weiter. Und auch Kitag-Chef Philippe Täschler gibt Entwarnung. Man wolle dem Haus treu bleiben und plane auch in Zukunft mit mindestens vier Leinwänden. Zudem versuche die Kitag, das Festival in allen Belangen zu unterstützen.
Doch nebst dem Umbau steht das ZFF vor weiteren Herausforderungen. So gab das Bundesamt für Kultur (BAK) im März bekannt, das Festival nicht mehr finanziell zu unterstützen. Grund dafür sind die neuen Besitzverhältnisse mit der NZZ-Mediengruppe, die das BAK zu einer Neubeurteilung ihrer Subventionspolitik veranlassten.
Die ZFF-Direktoren Spoerri und Schildknecht gaben sofort zu verstehen, dass sie diesen Entscheid nicht hinnehmen wollen. Denn mit den staatlichen Subventionen, auf die man angewiesen sei, würden beim ZFF unter anderem das Nachwuchsförderprogramm und der Schweizer Filmwettbewerb unterstützt. Das Gesamtbudget des Festivals beträgt 7,3 Millionen Franken. Vom Staat erhielt der Event zuletzt Subventionen in der Höhe von einer Viertelmillion Franken. Von Stadt und Kanton Zürich wird das ZFF nach wie vor finanziell unterstützt.
Und dann wäre da noch das Sponsoring-Thema. Festival-Co-Direktorin Nadja Schildknecht ist mit Credit-Suisse-Präsident Urs Rohner liiert. Dessen Grossbank tritt seit Beginn als Hauptsponsor des Events auf. Doch unlängst kündigte Rohner an, spätestens 2021 vom Präsidium zurückzutreten. Fragt sich, ob Rohners Nachfolger genauso viel Freude an Popcorn und Hollywood-Glamour haben wird.