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«Wir haben nichts gegen Fleischesser»: Der Aufstieg der Tibits-Brüder

Bereit zum Degustieren: Raphael Wittwer, Daniel Frei und Reto Frei (von links nach rechts) im Kreativatelier von Tibits.
Bereit zum Degustieren: Raphael Wittwer, Daniel Frei und Reto Frei (von links nach rechts) im Kreativatelier von Tibits.Bild: Rahel Empl/bzbasel.ch

«Wir haben nichts gegen Fleischesser»: Der Aufstieg der Tibits-Brüder

Die Co-Gründer Reto und Daniel Frei plaudern zum 25-Jährigen der Restaurantkette aus dem Nähkästchen – oder besser: aus der Gewürzkiste. Über Vorurteile, ihre Stammkunden, Rosenkohl und den nächsten grossen Food-Trend.
27.12.2025, 22:1327.12.2025, 22:13
Rahel Empl / ch media

Es ist vielleicht das berühmteste Buffet der Schweiz. Was 1998 mit der Idee für ein vegetarisches Fast-Food-Konzept unter den Brüdern Reto, Daniel und Christian Frei begann, ist heute ein Gastrobetrieb mit 550 Mitarbeitenden und 13 Restaurants in der ganzen Schweiz. Tibits zählt zu den erfolgreichsten Familienunternehmen des Landes. Vor 25 Jahren wurde im Zürcher Seefeld mit Unterstützung des damaligen Vegi-Königs Rolf Hiltl das erste Restaurant eröffnet. Grund genug für ein Gespräch mit den Co-Geschäftsführern Reto und Daniel Frei – und dem jungen Rezepte-Entwickler Raphael Wittwer.

Seit 25 Jahren betreiben Sie das Tibits. Hand aufs Herz: Haben Sie seither nie mehr Fleisch gegessen?
Reto Frei (R. F.): Ich esse kein Fleisch mehr, seit ich sechs Jahre alt war. Meine Mutter bereitete damals ein ganzes Poulet zu, da wurde mir bewusst, dass das ein Tier war. Aber Du musst Dich jetzt outen, Daniel. 
Daniel Frei (D. F.): Ja gut, das eine Mal, aus Anstand. Lange her. Ich war eingeladen, es gab Filet. Die Gastgeber haben sich solche Mühe gegeben, da konnte ich es nicht einfach stehen lassen. 
R. F.: Aber wir haben nichts gegen Fleischesser. Wir wollen sie vielmehr ins Tibits bringen. Wenn es Degustationen von neuen Gerichten gibt, laden wir sie stets ein. Und in unseren Betrieben arbeiten nicht nur Vegetarier, im Gegenteil. Als wir unser Kebab-Sandwich mit Seitan entwickelten, liessen wir es von den türkischen Mitarbeitern absegnen.

Prost: Rolf Hiltl (links) mit Daniel, Reto und Christian Frei bei der Eröffnung des Tibits am 6. Dezember 2000 im Zürcher Seefeld.
Prost: Rolf Hiltl (links) mit Daniel, Reto und Christian Frei bei der Eröffnung des Tibits am 6. Dezember 2000 im Zürcher Seefeld.Bild: zvg/bzbasel.ch

Viele Fleischesser gehören zur Stammkundschaft des Tibits. Wie haben Sie sie in ihr Restaurant gelockt?
R. F.: Am Anfang waren wir die «Chörnlipicker». Uns war klar: Wir dürfen keine Kompromisse beim Geschmack machen.
D. F. : Deshalb setzten wir auf Klassiker, die jede und jeder kennt, etwa vegetarisches «Züri-Gschnätzlets». Es hat den Leuten geschmeckt, das hat sich schnell herumgesprochen. 
R. F.: In Werbung konnten wir nur wenig investieren. Mund-zu-Mund-Propaganda war sehr wichtig, um die Vorurteile abzubauen. Da haben die Frauen eine Vorreiterrolle eingenommen.

Inwiefern?
D. F.: Es waren vor allem die Frauen, die ihre Männer «mitgeschleikt» und von dem Essen überzeugt haben. Frauen sind offener gegenüber neuen Food-Entwicklungen und Ernährungsthemen. Ohne sie wäre das Tibits heute nicht so erfolgreich. 
R. F.: Das Buffet-Konzept hat auch sehr geholfen, wir werden weiterhin daran festhalten. Es baut Hemmungen ab. Da kann man so viel oder so wenig von etwas nehmen, wie man möchte.
D. F.: Dieses Individualisieren entspricht dem Zeitgeist. Wir leben in einer Multioptions-Gesellschaft.

Das Buffet in der Filiale im Zürcher Seefeld.
Das Buffet in der Filiale im Zürcher Seefeld.Bild: zvg/bzbasel.ch

Sie haben diese Entwicklung vor 25 Jahren antizipiert. Was ist der nächste grosse Food-Trend, und wie reagieren Sie darauf?
D. F. : Interessant ist die relativ neue Bewegung «Food as your Medicine». Man isst gesunde Lebensmittel zur Krankheitsprävention und -heilung. Wenn den Leuten noch mehr bewusst wird, dass sie bei uns zulangen können und dabei ihrem Körper und Geist etwas Gutes tun, sind wir gerüstet für die Zukunft, denke ich.

Enthalten die Gerichte im Tibits viel Zucker?
R. F.: Nein. Wir achten auch darauf, dass das Essen mit wenig Öl auskommt. Aber eben, der Genuss darf nicht zu kurz kommen. Deshalb wird ein Gericht mit mehr als 1 Prozent Zucker gekennzeichnet. Das war ein Wunsch unserer Gäste. Wir haben immer ein offenes Ohr für Wünsche – auch vom Team.
D. F.: Eine Stammgästin aus Basel, die das Tibits fast täglich besucht, meinte wiederum, wir sollten mehr Abwechslung ins Dessert-Buffet bringen. Das haben wir umgesetzt und die Rückmeldungen waren sehr positiv.

Reto Frei (links) 2011 in London mit dem damaligen Bürgermeister Boris Johnson, rechts der Küchenchef des Tibits London, Brian Mesmain. Das Tibits durfte im Mayor’s office an einem Medienanlass catern ...
Reto Frei (links) 2011 in London mit dem damaligen Bürgermeister Boris Johnson, rechts der Küchenchef des Tibits London, Brian Mesmain. Das Tibits durfte im Mayor’s office an einem Medienanlass catern.Bild: zvg/bzbasel.ch

Das Tibits zählt 13 Restaurants in der Schweiz. Im lateinischen Landesteil sind Sie mit nur einer Filiale und einem Take-Away in Lausanne allerdings wenig präsent. Und im Ausland, namentlich UK und Deutschland, sind Sie gescheitert. Woran haperte es?
R. F.: Das Interesse, das uns aus der Westschweiz erreicht, ist gross, auch aus dem Tessin kommen viele Anfragen. Wir gehen dorthin, wo uns die Gäste wünschen. Darum haben wir beispielsweise in Aarau ein Restaurant eröffnet. In Genf suchen wir schon länger nach einem geeigneten Standort, aber dies gestaltet sich schwierig. Chur und Thun stehen auch auf unserer Liste. In Zukunft werden wir mehrheitlich in kleineren Städten eröffnen. 
D. F.: In London mussten wir während Corona schliessen. Die Nachfrage war zwar da, aber wir konnten das finanziell nicht mehr stemmen. Und aus Deutschland – das Restaurant befand sich in Darmstadt – haben wir uns zurückgezogen, weil die Wirtschaftslage schwierig war und das Gros der Leute sehr preissensitiv ist. Potenzial sehen wir aber schon, sofern sich die Wirtschaftslage verbessert.

Raphael Wittwer, Sie arbeiten als Rezeptentwickler bei Tibits. Die Restaurants haben eine grosse, aber auch anspruchsvolle Stammkundschaft. Wie gehen Sie mit diesem Druck um?
Raphael Wittwer (R.W.): Ich sehe meinen Job als Challenge, im Positiven. Gerade, wenn es um alte Gemüsesorten geht, die nicht mehr so populär sind. Da denke ich aktuell an Schwarzwurzel, Feder- oder Rosenkohl. Ich bin kein Vegetarier, finde aber, dass Gemüse bei der Zubereitung ein viel grösseres Spielfeld bietet als Fleisch; man kann mit vegetarischer Küche mehr überraschen. Zurzeit beschäftige ich mich damit, regionale Gemüsesorten bei sehr hoher Temperatur anzurösten – ohne Grill, im Ofen oder in der Bratpfanne. Das sorgt für ein spannendes Umami-Geschmackserlebnis. Den Rosenkohl kombiniere ich mit Granatapfelkernen und würze ihn mit Zatar. Probieren Sie!

... Ja, sehr fein. Für ein bisschen Säure würde ich allerdings noch Balsamico oder Zitronenzesten dazu geben.
R.W.: Gute Idee! In den Degustationsrunden bin ich genau auf solche Feedbacks angewiesen. 
R. F.: Raphael arbeitet erst seit vier Monaten bei uns. Wir haben uns bewusst für einen jungen Koch entschieden, um die Sichtweise der neuen Generation reinzubringen. Es ist spannend zu sehen, wie ein junger Mensch das Tibits interpretiert.

Gerösteter Rosenkohl-Salat mit Granatapfelkernen und Zatar.
Gerösteter Rosenkohl-Salat mit Granatapfelkernen und Zatar.Bild: Rahel Empl/bzbasel.ch

Herr Wittwer, was ist denn Ihre Vision für die Tibits-Küche?
R. W.: Ich sehe da kein konkretes Gericht, sondern, dass wir noch enger mit lokalen Produzenten und Lieferanten zusammenarbeiten sollten. Nach dem Motto: internationale Rezepte, lokale Zutaten. Das Tibits kann hier verstärkt eine Vorreiterrolle einnehmen. Unsere Udon-Nudeln zum Beispiel werden in der Schweiz hergestellt. So muss das laufen. Der Nachhaltigkeitsaspekt wird immer wichtiger, etwa, indem das ganze Gemüse verarbeitet wird, ähnlich wie das «Nose-to-Tail» beim Fleisch.

Welche Gerichte am Tibits-Buffet gehören zu den Rennern – und welche kamen gar nicht an?
R. F.: Es kann sein, dass uns ein Essen bei der Degustation begeistert, im Restaurant indes keinen Anklang findet. Da müssen wir schon über unseren Schatten springen und es wieder rausnehmen. Gerichte mit Lakritze liefen überhaupt nicht, ebenso Früchte-Tiramisus. Bei gewissen Kreationen wissen wir, dass sie Zeit brauchen, bis sie bei den Leuten ankommen – etwa Gerichte mit Algen. Wenn du innovativ bist und nicht einfach kopierst, braucht es Mut – und einen langen Atem.
D. F.: Wir gehörten vor 25 Jahren zu den ersten, die Quinoa in der Schweiz auftischten. Ein peruanischer Mitarbeiter hatte uns damals darauf aufmerksam gemacht. Die Skepsis bei den Leuten war riesig. Heute ist der Salat ein Bestseller – neben dem Dörrbohnensalat.

Quinoa ist aber nicht wirklich nachhaltig.
D. F.: Das stimmt leider. Wir beziehen Quinoa aus Peru, jedoch von kleinen, unabhängigen Bio-Bauern.
R. F.: Das ist ein klassischer Zielkonflikt. Wir wollen möglichst grosse Vielfalt und Genuss bieten, deshalb versuchen wir, einen guten Mittelweg zu finden. Aber vollständig mit regionalen Produkten zu arbeiten, ist fast nicht möglich. Wir achten dafür umso mehr auf Saisonalität; Tomaten finden Sie im Moment an unseren Buffets kaum.

Werden wir dereinst alle vegetarisch essen?
R. F.: Diese Hoffnung habe ich längst aufgegeben (lacht). Aber das ist okay. Wenn die Menschen nur schon weniger Fleisch essen, ist das ein Erfolg. Am meisten können wir mit unserem Angebot bewirken, Optionen bieten und aufzeigen, wie vielfältig vegetarische Küche sein kann.

Kein Missionieren also.
R. F.: Keineswegs. Wir starteten vor 25 Jahren aus einem eigenen Bedürfnis heraus: Gute vegetarische Restaurants und Angebote waren damals in der Schweiz – abgesehen bei Hiltl – kaum zu finden. Wir Vegetarier mussten uns oft mit faden Beilagen begnügen. Das hat uns Brüder gestört, und wir haben nach einer Lösung gesucht. Umso schöner, begeistert das Tibits heute derart viele Menschen. (bzbasel.ch)

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39 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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JefftheBeff
27.12.2025 23:16registriert Juni 2020
Zwar bin ich kein Vegetarier, aber ich gehe trotzdem sehr gerne ab und zu ins Tibits. Das Personal ist immer freundlich, das Ambiente angenehm, das Hahnenwasser gratis und das Buffet hält für jeden etwas Feines bereit. Und ja, meine Frau hat mich dort mitgeschleikt.
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Oliver01
28.12.2025 06:53registriert Februar 2023
Tibits ist ein gutes Konzept- auch für Nicht Vegetarier.
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same shit different day
28.12.2025 06:33registriert Oktober 2022
bin kein Vegi doch ich stimme RW zu.
mit Gemüse könnte man so viele spannende Kombinationen machen🙏🏼

am liebsten mag ich im Tibits die Jalapeno Poppers, den Dörrbohnensalat und der Orechiettesalat mit Oliven,Tomaten und Tofu.

der Dörrbohnensalat mache ich seither regelmässig zu Hause nach und er kommt stets gut an 😊
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