17 Todesopfer forderte der Amoklauf an einer US-Schule Mitte Februar. Seither wird in Amerika über die Waffengesetze gestritten. Während viele Jugendliche eine Verschärfung fordern, geht Donald Trump den umgekehrten Weg – er will Lehrer bewaffnen. «Wenn es einen Lehrer gegeben hätte, der sich mit Feuerwaffen ausgekannt hätte – hätte dies sehr gut dazu führen können, den Angriff sehr schnell zu beenden», so der US-Präsident.
In eine ähnliche Richtung zielt ein Vorstoss von SVP-Nationalrat Jean-Luc Addor, über den der Nationalrat in der laufenden Session diskutieren wird. Darin fordert Addor, dass Bürgerinnen und Bürger das Recht haben, Waffen im öffentlichen Raum zu tragen. Vorausgesetzt, sie haben zuvor eine Ausbildung in einem Schiessverein besucht.
Die Begründung könnte aus der Feder des US-Präsidenten stammen und bezieht sich auf einen möglichen Terrorakt oder Amoklauf. Jean-Luc Addor: «Die blosse zufällige Anwesenheit von bewaffneten und ausgebildeten Bürgerinnen und Bürgern an öffentlichen Plätzen garantiert ein sofortiges Eingreifen, wodurch eine Verschlimmerung der Situation bis zum Eintreffen der Einsatzkräfte verhindert werden kann», schreibt der Nationalrat im Vorstoss und macht ein anschauliches Beispiel. Eine Waffe zum Zeitpunkt einer Schiesserei sei vergleichbar mit einem Feuerlöscher im Brandfall. Denn: «Die Bürger sind keine potenziellen Kriminellen, sondern viel eher eine Zielscheibe, egal ob in einem Konzertsaal, auf der Terrasse eines Cafés oder bei einem festlichen Anlass.»
Addor, seit Dienstag Präsident ad interim der Schweizer Waffenlobby «Pro Tell», regt sich darüber auf, dass sich die Bürger nicht selber verteidigen dürfen und auf die Sicherheitsdienste angewiesen sind. «Sogar einem Juwelier, der das Opfer von mehreren Raubüberfällen war, wurde keine Waffentragbewilligung erteilt!»
«Dieses Beispiel bringt er immer», sagt Chantal Galladé zu watson, «und Addor glaubt tatsächlich, dass mehr Waffenträger die Schweiz sicherer machen würden.» Für Galladé hingegen ist diese Vorstellung der pure Horror. Sie spricht von Wildwest-Fantasien: «Das heisst, dass jeder, der sich bedroht fühlt, zur Waffe greifen könnte.»
Die SP-Nationalrätin ist so etwas wie die direkte Widersacherin von Addor. Während Addor mit mehreren Vorstössen das Schweizer Waffenrecht liberalisieren will, fordert Galladdé dessen Verschärfung. Zwei Anträge von ihr sind derzeit im Nationalrat hängig. Erstens fordert die Zürcherin, dass der Erwerb und Besitz von Waffen nur noch bei jenen zulässig sein sollen, die ihre Schusswaffe für den Schiesssport beziehungsweise für die Jagd brauchen.
Ihre zweite Forderung ist ein Anliegen, mit dem Galladé in der Vergangenheit schon gescheitert war. Die Nationalrätin will, dass sämtliche Waffen in Schweizer Haushalten registriert werden müssen. Seit 2008 ist es zwar Pflicht, neu erworbene Waffen zu registrieren, doch sämtliche Waffen, die vorher den Besitzer wechselten, lassen sich nicht nachverfolgen.
Auch die Konferenz der Kantonalen Justiz- und Polizeidirektorinnen und -direktoren unterstützt die Einführung einer Nachregistrierung, «Pro Tell» hingegen lehnt eine Gesetzesänderung ab. Der Verband befürchtet ein teure Bürokratisierung und eine geringe Wirksamkeit der Massnahme, wie Generalsekretär Robin Udry gegenüber watson ausführt.
Gemäss dem Bundesamt für Statistik starben in der Schweiz im Jahr 2015 239 Personen durch Schusswaffen. Davon waren über 90 Prozent Suizide. Galladé hofft, dass mit einer noch restriktivere Gesetzgebung die Zahl der Todesfälle weiter reduziert werden könnte. 1998 starben noch 466 Menschen durch Schusswaffen.