Es ist die grösste Fluchtbewegung seit dem zweiten Weltkrieg, welche die Schweiz vor Herausforderungen stellt. Bund, Kantone, Hilfswerke und Private hätten jedoch mit beispielloser Solidarität reagiert, sagte Karin Keller-Sutter vor den Medien. Hier die wichtigsten Stichpunkte:
Rund drei Monate nach Kriegsbeginn in der Ukraine zieht Justizministerin Karin Keller-Sutter (KKS) ein positives Fazit von der Aufnahme der Geflüchteten. Dennoch blieben viele Fragen an der Presskonferenz offen. Externe Expertinnen und Experten sollen deshalb den Schutzstatus S genauer unter die Lupe nehmen.
Es sei anzunehmen, dass auch weiterhin monatlich bis zu 10'000 Personen Schutz suchen würden, da kein Ende des Krieges in Sicht sei, sagte die Vorsteherin des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements (EJPD) am Freitag vor den Medien.
Nebst der Suche nach Unterkünften bleibe das Verhindern von Missbräuchen beim Schutzstatus S ein Thema. Bis Ende Jahr soll nun eine Evaluationsgruppe einen Bericht verfassen. Eine europäische Registrierungsplattform, bei der die Schweiz beteiligt werde, sei zudem in Aufbau. Dies solle Missbräuche verhindern.
Es hätten bisher drei Mal so viele Menschen Schutz in der Schweiz gesucht wie sonst in einem Jahr. In Spitzenzeiten seien es 1800 täglich gewesen, momentan seien es 400. «Zusammenfassend haben wir die Situation im Griff», sagte Keller-Sutter. Auch wenn vieles Neuland gewesen sei, wie die erstmalige Anwendung des Schutzstatus S am 12. März.
Die Kosten für die Aufnahme der aus der Ukraine geflüchteten Personen beläuft sich gemäss Keller-Sutter derzeit auf rund 1,2 Milliarden Franken. Wie es mit den Kosten weitergehe, hänge davon ab, wie sich die Lage in der Ukraine entwickle.
Bei den Ausgaben handle es sich nicht um einen Teil des Budgets, sondern um einen ausserordentlichen Posten, sagte Keller-Sutter am Freitag vor den Medien in Bern.
Die Kosten bezögen sich auf die rund 50'000 Personen, die seit Kriegsbeginn aufgenommen worden seien und enthielten die Kosten, welche der Bund an die Kantone bezahle. Es handle sich dabei um eine Schätzung, sagte Keller-Sutter.
Die Kantone haben gemäss eigenen Angaben die Aufnahme der aus der Ukraine geflüchteten Personen in den vergangenen drei Monaten meistern können. Sie hätten auf die Hilfe aus der Bevölkerung zählen können, sagte Nathalie Barthoulot, Präsidentin der Konferenz der kantonalen Sozialdirektorinnen und Sozialdirektoren (SODK) am Dienstag vor den Medien in Bern. Jetzt müsse man an eine längerfristige Aufnahme denken.
Die Prozesse für das Erteilen des Schutzstatus S hätten sehr schnell eingesetzt werden müssen, um die vielen Leute aufnehmen zu können. Das habe einige Herausforderungen bedeutet.
Höchste Priorität sei zunächst gewesen, den Menschen eine Unterbringung zu gewähren. Da hätten die Behörden auf das Engagement der Bevölkerung zählen können. In dieser ersten Phase sei es mit einer Unterkunft aber nicht getan gewesen. Wer es benötigte, habe medizinische Hilfe und soziale Betreuung erhalten. Zudem hätten Kinder relativ rasch in die Schulen integriert werden können.
Die Kantone hätten die Herausforderungen meistern können, sagte Barthoulot. Aber natürlich sei nicht immer alles gut gelaufen. Bei der Unterbringung der Menschen in Privatunterkünften habe man den Organisations- und Koordinationsaufwand etwas unterschätzt.
Es sei zudem schwierig gewesen, diese Personen in Privatunterkünften mit offiziellen Informationen zu erreichen, etwa zur Erlangung des Schutzstatus S. Zudem habe man erst mit der Zeit gemerkt, dass die Geflüchteten nicht angemessen auf die Kantone verteilt worden seien.
«Das Ungleichgewicht zwischen den Kantonen ist inzwischen etwas kleiner geworden», sagt Keller-Sutter dazu. Ein Grossteil der ukrainischen Flüchtlinge wolle in den grossen Zentren bleiben. Dies habe sich auch in Deutschland oder Polen gezeigt. Die Betroffenen hätten vom Leben auf dem Land eine Vorstellung, die nicht der Schweizer Realität entspreche. «Sie befürchten, an einem Ort ohne öffentlichen Verkehr und intakte Strassen zu landen und abgekoppelt zu werden», sagte die Bundesrätin.
Mit Blick in die Zukunft sagte Barthoulot, dass ein Ende des Krieges nicht absehbar sei und man an eine längerfristige Aufnahme der Flüchtlinge denken müsse. Es gehe jetzt um eine zweite Phase der Aufnahme. Kinder und Jugendliche müssten eingeschult werden, die Erwachsenen ins Arbeitsleben integriert und so vielen wie möglich die soziale Integration ermöglicht werden.
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(adi/sda)