In der Romandie spricht man stolz vom «Health Valley» - in Anlehnung an das «Silicon Valley» in San Francisco. Dazu gehört der Campus Biotech Geneva. Geforscht wird zum Beispiel an einer Simulation des menschlichen Gehirns bis ins Detail durch einen Supercomputer.
Der Campus gilt als Vorzeigebeispiel einer Public-private-Partnership. Zwei Männer, die zu den Reichsten der Welt gehören, initiierten ihn: die Unternehmer Hansjörg Wyss und Ernesto Bertarelli. Die Milliardäre kauften den Gebäudekomplex 2013 für 310 Millionen Franken vom Pharmakonzern Merck Serono, als dieser seinen Standort in Genf schloss. Für elf Millionen pro Jahr vermieten sie ihn seither an eine Trägerschaft mit der ETH in Lausanne, kurz EPFL, dem Kanton und der Universität Genf.
Die Freude über den Deal war so gross, dass er so schnell wie möglich unterzeichnet wurde. Der ETH-Rat, der als übergeordnete Instanz der EPFL für deren Immobilien verantwortlich ist, konnte ihn nur noch abnicken. Zeit für kritische Fragen blieb keine.
Die Abklärungen wurden erst im Nachhinein durchgeführt. Dafür zuständig ist das interne Audit des ETH-Rats. Das ist quasi die Finanzkontrolle der ETH.
Die Revisoren wollten untersuchen, ob der Deal mit den Milliardären wirklich zum Vorteil der Hochschule ist, ob die Strukturen sauber organisiert sind und ob die Strategie Sinn macht. Doch dabei stiessen sie auf erheblichen Widerstand. Dies zeigen Gerichtsurteile und Berichte, die der ETH-Rat gestützt auf das Öffentlichkeitsprinzip herausgeben musste.
In einer ersten Fassung ihres Berichts schrieben die Auditoren: Die EPFL habe ihnen nicht alle relevanten Dokumente herausgerückt. Deshalb könnten sie keine Verantwortung übernehmen, dass ihre Beurteilungen vollständig und richtig seien.
Die EPFL reagierte mit einem Gegenangriff. Sie kritisierte die Revisoren und wählte dafür «erniedrigende» Worte, wie der Leiter des internen Audits feststellte. Er weigerte sich deshalb, die Stellungnahme wie üblich in den Bericht aufzunehmen.
Der ETH-Rat, zu dem das interne Audit gehört, musste den Konflikt lösen. Er hätte seine Auditoren vorbehaltlos unterstützen können. Doch er wählte ein anderes Vorgehen. Er beauftragte die Revisionsgesellschaft KPMG, die Arbeit seines internen Audits zu überprüfen. Dieses sah darin einen Angriff auf seine Unabhängigkeit.
Die KPMG stellte in ihrem Bericht zwar fest, dass die ETH-Auditoren nach internationalen Standards arbeiteten. Doch sie empfahl, die Kritik zur verweigerten Herausgabe von Dokumenten zu streichen. In der finalen Version fehlt diese nun.
Dabei ist für die Compliance-Expertin Monika Roth die Sachlage eindeutig:
Der Entscheid, welche Dokumente relevant sind, liege dabei ausschliesslich bei ihnen.
Eine Revisorin und ein Revisor konnten den Eingriff in ihren Bericht nicht akzeptieren. Ein Revisor weigerte sich deshalb, den Bericht zu unterzeichnen, und eine Revisorin weigerte sich, mit der KPMG zu kooperieren. Die EPFL übte Druck auf die beiden aus, ihre Haltung zu ändern. Darauf wurden sie krank und reichten Arztzeugnisse ein. Später wurden sie vom ETH-Rat entlassen, weil sie Weisungen nicht befolgten.
Die beiden Revisoren wehren sich vor Gericht gegen die Kündigung. Vor dem Bundesverwaltungsgericht haben sie teilweise recht und Entschädigungen von einem halben Jahreslohn erhalten. Doch ihr Ziel haben sie nicht erreicht. Sie wollen eine Bestätigung, dass die Kündigungen missbräuchlich waren. Deshalb gehen sie nun vor Bundesgericht.
Selbst der entschärfte Auditbericht stellt dem Campus Biotech kein schmeichelhaftes Zeugnis aus. Der Hauptvorwurf lautet, es fehle eine Strategie. Die Rollen und Verantwortlichkeiten der unterschiedlichen Akteure seien nicht definiert. Dies sei auch finanziell riskant, weil Geld in Stiftungen fliesse, welche die Hochschule nicht kontrolliere. Sie solle deshalb alle Verträge nochmals überprüfen.
Die EPFL weist die Kritik in einer Stellungnahme teilweise zurück. Da die Hochschule eben nicht die einzige Akteurin sei, könne sie dem Campus nicht eine Strategie verordnen. Die Auditoren würden die Regeln des teilweise privat finanzierten Campus nicht verstehen.
Die Risiken in Genf, wie sie durch die EPFL eingehandelt wurden, verantwortet der ETH-Rat. Schon beim Kongresszentrum in Lausanne war es zu ähnlichen Problemen gekommen. Hat die ETH gegenüber der EPFL ein Aufsichtsproblem?
Der ETH-Rat sagt auf Anfrage, er verbessere seine Aufsicht stetig. Diese sei heute «State of the Art»; nichts deute auf Missstände hin. Die interne Revision wird es sich allerdings künftig vermutlich zweimal überlegen, ob sie allfälligen Hinweisen auf solche auch nachgehen soll.