Bundesrat prüft neuen Anlauf für bundesweite Volksmotion
Sechs Nationalrätinnen und Nationalräte aus einem bunten Parteistrauss aus SP, SVP, Mitte, EVP, GLP und Grünen starten in der Herbstsession einen neuen Anlauf für die Volksmotion. Die Bevölkerung soll dadurch die Möglichkeit erhalten, direkter in den Gesetzgebungsprozess des Bundes einzugreifen.
Eine Volksmotion entsteht aus Unterschriften einer gewissen Anzahl Bürger und verlangt von der Regierung, dass diese ein Gesetz ausarbeitet oder eine bestimmte Massnahme ergreift. Sie wird vom Parlament praktisch wie eine parlamentarische Motion behandelt.
Unerwartete Unterstützung aus dem Bundesrat
Bereits vor 13 Jahren hatte der Schaffhauser Ständerat Thomas Minder einen ähnlichen Vorschlag lanciert. Damals lehnte der Bundesrat die Einführung einer nationalen Volksmotion klar ab. Umso überraschender ist nun, dass das neue Vorhaben aus der Sechsergruppe auf wohlwollende Signale aus der Regierung trifft.
«Ich bin erfreut und positiv überrascht!», so der EVP-Nationalrat Marc Jost in einem Gespräch mit dem Blick. Die überparteiliche Gruppe umfasst neben Jost die Grünen-Politikerin Delphine Klopfenstein Broggini (GE), SP-Nationalrätin Nina Schläfli (TG), Mitte-Vertreterin Maya Bally (AG), GLP-Nationalrat Beat Flach (AG) sowie SVP-Politiker Paolo Pamini (TI).
Sie alle sehen in der Volksmotion ein Instrument, das eine Lücke zwischen Petition und Volksinitiative schliesst.
Petition, Volksmotion und Volksinitiative
Die Initiantinnen und Initianten argumentieren, die Volksmotion könne ein wirksamer Mittelweg sein: stärker als eine Petition, aber weniger aufwendig und kostspielig als eine Volksinitiative. Während Petitionen keinen verbindlichen Charakter haben und im politischen Prozess oft wenig Gewicht erhalten, verursacht eine Volksinitiative mit dem Ziel einer Verfassungsänderung hohe finanzielle und organisatorische Aufwände.
SVP-Nationalrat Paolo Pamini betonte gegenüber RSI, dass die Volksmotion gut zur politischen Kultur der Schweiz passe: «Ich denke, dass die Volksmotion sich wirklich in unsere Kultur der direkten Demokratie einfügt.» Entsprechend sei die breite Unterstützung von der SVP bis zu den Sozialdemokraten.
Bereits heute existiert das Instrument auf kantonaler Ebene – etwa in Solothurn, Schaffhausen, Freiburg, Neuenburg und Appenzell Ausserrhoden. Dort werden Volksmotionen von den Kantonsparlamenten wie parlamentarische Motionen behandelt.
Wie viele Unterschriften braucht es?
Noch offen ist, wie das Instrument konkret ausgestaltet werden soll. Die Initiantinnen und Initianten überlassen diese Ausarbeitung bewusst dem Bundesrat. Marc Jost bringt aber schon mögliche Richtwerte ins Spiel: Die Zahl könne zwischen Referendum (50'000 Unterschriften) und Volksinitiative (100'000 Unterschriften) liegen. Denkbar sei aber auch eine Schwelle von über 100'000 Unterschriften.
Wie geht es weiter?
Nun liegt der Ball beim Parlament: Die grosse Kammer mit ihren 200 Nationalrätinnen und Nationalräten muss entscheiden, ob sie den Vorstössen Folge geben will. Erst dann wird sich zeigen, ob die Volksmotion tatsächlich eine Chance erhält, als neues Instrument die direkte Demokratie auf Bundesebene zu erweitern.
