Schweiz
Gesellschaft & Politik

Bericht zu Corona-Leaks: Publikation nach Wahlen von Vorteil für die SP

Hickhack um Bericht zu Corona-Leaks: Zeitpunkt der Publikation löst Spekulationen aus

Eine Arbeitsgruppe untersucht die Rolle von Bundesrat Alain Berset bei der Weitergabe von Informationen zur Coronapolitik der Regierung. Nun kommt es zu einem Hickhack. Es betrifft den Zeitpunkt, an dem die Untersuchung publiziert wird.
04.10.2023, 09:2004.10.2023, 09:43
Francesco Benini / ch media
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Der Bericht der Geschäftsprüfungskommission über die Corona-Leaks sorgt in Bundesbern noch vor der Publikation für Aufregung. Dabei ist es nicht einfach, Fakten von Gerüchten zu trennen. Denn verschiedene Medien schreiben über den Bericht – und die offiziellen Stellen sagen nicht viel oder nichts.

Zwei Sozialdemokraten treten ab: Ständerat Hans Stöckli (links), Bundesrat Alain Berset.
Zwei Sozialdemokraten treten ab: Ständerat Hans Stöckli (links), Bundesrat Alain Berset.Bild: keystone

Bei den Corona-Leaks geht es um Indiskretionen, die aus dem Departement Berset an den Ringier-Verlag flossen. Thema der Informationen war die Coronapolitik des Bundesrats. Alain Berset versicherte den Amtskolleginnen und -kollegen, dass er von den Indiskretionen nichts gewusst habe.

Es sehe nicht gut aus für Berset – meint der «Blick»

Ende August schrieb der «Blick», dass die parlamentarische Geschäftsprüfungskommission «fündig geworden» sei. Eine sechsköpfige Arbeitsgruppe untersucht seit Januar die Corona-Leaks.

Ausgerechnet der «Blick», der zum Unternehmen Ringier gehört und während der Pandemie gut im Bild war über die geplanten Massnahmen der Regierung, zeigte sich überzeugt: Für Berset werde es «unangenehm», wenn die Arbeitsgruppe «wie geplant noch vor den Parlamentswahlen vom 22. Oktober ihren Bericht» abliefere.

Die Parlamentarier seien auf E-Mails gestossen, deren Inhalt als Aufforderungen verstanden werden könnten, Informationen an die Medien weiterzugeben. Das Boulevardblatt kam zum Schluss, dass Bersets Verteidigungshaltung als Unwissender ins Wanken geraten könnte. Es wäre ein bitteres Ende seiner politischen Laufbahn.

Und natürlich wäre ein Untersuchungsbericht, in dem Berset schlecht wegkäme, keine Wahlempfehlung für seine Partei, die SP. Interessant ist in diesem Zusammenhang eine Meldung, die «20 Minuten» vor einer Woche veröffentlichte: Der Bericht der Kommission über die Corona-Leaks werde nicht vor, sondern nach dem 22. Oktober veröffentlicht. Besonders SP-Ständerat Hans Stöckli habe sich dafür stark gemacht.

Hans Stoeckli, SP-BE, spricht waehrend der Herbstsession der Eidgenoessischen Raete, am Dienstag, 26. September 2023 im Staenderat in Bern. (KEYSTONE/Anthony Anex)
Hans Stöckli soll sich für eine Publikation nach den Wahlen eingesetzt haben.Bild: keystone

Nach dieser Version wäre es so: Der SP-Exponent in der Arbeitsgruppe drängt erfolgreich auf die Verschiebung der Publikation eines Berichtes, der seiner Partei vor den Wahlen schaden könnte.

In der Geschäftsprüfungskommission löst der Text von «20 Minuten» Unruhe aus. Ein Mitglied, das nicht der Corona-Arbeitsgruppe angehört und nicht genannt werden will, sagt: «Ich bin sehr erstaunt.» Denn intern sei «etwas anderes» kommuniziert worden. «Etwas anderes» bedeutet: Der Bericht werde der Öffentlichkeit vor den Wahlen vorgestellt.

Schont die Kommission mit ihrem Zeitplan die Sozialdemokraten? SVP-Fraktionspräsident Thomas Aeschi sagt: «Sollte die Publikation des Berichtes aus politischer Rücksichtnahme verschoben worden sein, wäre das skandalös.»

Ständerat Stöckli will sich zum Vorwurf nicht äussern

Was sagt der scheidende Ständerat Hans Stöckli? Hat er im Interesse seiner Partei erreicht, dass die Veröffentlichung eines unvorteilhaften Berichts zurückgestellt wird? «Ich kann mich gestützt auf die in der Geschäftsprüfungskommission geltenden Kommunikationsbestimmungen nicht zu Ihrer Anfrage äussern», erklärt Stöckli.

Er verweist an Stefan Diezig, den Leiter des administrativen Sekretariats der Kommission. Diezig teilt mit: «Die Geschäftsprüfungskommissionen beziehungsweise die eingesetzte Arbeitsgruppe haben nie einen konkreten Zeitplan kommuniziert und werden dies auch weiterhin nicht tun.»

Das heisst allerdings nicht, dass intern kein Termin genannt wurde, an dem man die Untersuchung abschliessen will.

Letzter Versuch beim Präsidenten der Arbeitsgruppe, FDP-Ständerat Philippe Bauer. Trifft es zu, dass die Kommission die Publikation des Berichtes nach einer Intervention von Ständerat Stöckli verschoben hat?

«Wir haben am Anfang der Arbeiten einen Zeitplan festgelegt. Der hat sich nicht verändert», sagt Bauer. Ein glasklares Dementi ist das zwar nicht, aber wenigstens ein halbes. Der Bericht zu den Corona-Leaks bleibt voller Geheimnisse. Bis er endlich vorliegt. (aargauerzeitung.ch)

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Diese SPler wollen für Alain Berset in den Bundesrat
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quelle: keystone / peter klaunzer
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39 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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ostpol76
04.10.2023 09:40registriert November 2015
"Der SP-Exponent in der Arbeitsgruppe drängt erfolgreich auf die Verschiebung der Publikation"

Man stelle sich vor Vertreter der SVP würden so etwas machen.... Dann ginge es hier in der Kommentarspalte ab wie im Wilden Westen.
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Raphael Stein
04.10.2023 09:33registriert Dezember 2015
Stöckli würde also gerne bis nach den Wahlen schweigen lassen.
Müssen sie den Fax noch etwas vorwärmen?
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Snowy
04.10.2023 10:09registriert April 2016
Berset traue ich für seinen eigenen Vorteil so ziemlich alles zu.

Jeder, der schon mal persönlich mit ihm zu tun hatte, bestätigt mir, dass er mit Abstand die grösste Diva und Unsympath im Bundesrat ist (natürlich ist erst wenn Kameras und Mikrofone aus sind).
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