Die Zahl der Frauen steigt, die ihren Kinderwunsch auf Eis legen. Bei minus 196 Grad lassen sie ihre Eizellen konservieren, um die Chance zu erhöhen, auch über 40 noch Mutter werden zu können. Über 2500 Frauen haben 2023 in der Schweiz vom sogenannten Social Freezing Gebrauch gemacht. Dreimal mehr als 2019, wie Erhebungen des Bundes zeigen.
SP-Nationalrätin Farah Rumy findet das eine positive Entwicklung, gerade im Hinblick auf die Gleichstellung. Kinder und Karriere: Das Einfrieren der Eizellen mache es Frauen leichter, sich nicht für eines von beidem entscheiden zu müssen. «Für viele Frauen ist es extrem entlastend, wenn sie die Option haben, erst später eine Familie zu gründen», sagt Rumy.
Die Solothurnerin ist der Meinung, dass alle Frauen Zugang zur Behandlung haben sollten – unabhängig ihrer finanziellen Möglichkeiten. «Es gibt viele Frauen, die sich das Einfrieren der Eizellen überlegen, es sich aber nicht leisten können», sagt sie. Die Entnahme kostet rund 4500 bis 6000 Franken pro Versuch, hinzu kommen die Kosten fürs Lagern – rund 400 Franken pro Jahr – und das eventuelle Einsetzen der Eizellen.
Darum wird die Nationalrätin nun aktiv. Farah Rumy fordert vom Bundesrat, sich des Themas anzunehmen. In einem Vorstoss will sie unter anderem wissen, wie das Social Freezing zugänglicher gemacht werden könnte. Als eine Möglichkeit sieht sie, dass die Krankenkasse einen Teil der Kosten übernehmen. Zudem regt Rumy an, Preisobergrenzen festzulegen oder die Kosten für die Lagerung der gefrorenen Eizellen zu regulieren.
«Politisch besteht sehr grosser Handlungsbedarf», findet Rumy. Es sei auch im Interesse des Staates, dass Frauen die Familienplanung flexibler gestalten können – und verweist dabei unter anderem auf die sinkende Geburtenrate.
Anna Raggi vom privaten Kinderwunschzentrum Fertisuisse mit Standorten in Olten und Basel berät regelmässig Frauen, die sich überlegen, ihre Eizellen einzufrieren. Sie sind meist zwischen 34 und 38 Jahre alt und lassen sich in zwei Kategorien unterteilen: «die Karrierefrauen, die aktuell keine Kinder wollen, sich die Option aber offenlassen wollen. Und die Frauen, bei denen eine Beziehung auseinandergegangen ist oder die schon länger keinen Partner haben und deren Familienplanung dadurch über den Haufen geworfen wird», erzählt die Ärztin. Die zweite Gruppe mache die Mehrheit aus.
Doch es gibt auch Frauen, die sich schon viel früher an eine Ärztin wenden. Brigitte Leeners, Direktorin der Klinik für Reproduktions-Endokrinologie am Zürcher Unispital, hat auch schon Frauen Anfang 20 Eizellen entnommen. Dies, wenn frühzeitige Wechseljahre drohen. «Dass die Eizellen derzeit nur maximal zehn Jahre aufbewahrt werden dürfen, ist gerade in solchen Fällen problematisch», sagt sie.
Für die Frauen seien die eingefrorenen Eizellen eine Art Versicherung, sagt Anna Raggi – wobei es keine Sicherheit gibt, dass es mit den eingefrorenen Eizellen dann klappt.
Und wie das bei einer Versicherung so ist: «Längst nicht jede Frau nutzt die eingefrorenen Eizellen dann auch», sagt Brigitte Leeners. Eine Statistik dazu gibt es nicht, weil bei vielen Frauen die Lagerfrist noch nicht abgelaufen ist. US-Studien deuten darauf hin, dass weniger als 20 Prozent der Frauen von den gefrorenen Eizellen Gebrauch machen. In der Schweiz sei der Anteil sicher höher, sagt Leeners.
Es gibt auch Unternehmen, die die Kosten fürs Einfrieren der Eizellen ihrer Angestellten übernehmen. Ein umstrittener «Corporate Benefit» – schliesslich kann das Frauen auch unter Druck setzen. Vorreiter waren in den USA Apple und Facebook. Brigitte Leeners vom Zürcher Unispital beobachtet, dass immer mehr Frauen zu ihnen kommen, deren Arbeitgeber die Behandlung zahlt – oder sogar jener ihres Partners.
SP-Politikerin Rumy hält das nicht für problematisch. Doch noch lieber wäre es ihr, wenn nicht nur Firmen, sondern auch der Staat den Frauen zu Hilfe käme. Aus ihrer Sicht böte sich noch dieses Jahr die Gelegenheit, das Thema anzugehen. Denn bald wird das Parlament über ein neues Fortpflanzungsmedizin-Gesetz beraten. Auch eine längere Lagerdauer der eingefrorenen Eizellen steht zur Debatte. «Wenn wir schon über In-Vitro-Fertilisation und die Legalisierung der Eizellenspende reden, sollten wir das Social Freezing nicht ausser Acht lassen», sagt Rumy. (aargauerzeitung.ch)
Schafft lieber Rahmenbedingungen, die es erlauben Kinder früh zu haben und das ohne die berufliche Entwicklung negativ zu beeinflussen. Dieses toxische familienfreundliche Klima in Firmen muss weg.