In der Schweizer Wirtschaft zeigen sich deutliche Bremsspuren
Die Schweizer Wirtschaft war in den letzten Jahrzehnten bemerkenswert resilient. Finanzkrise, Frankenschock, Corona – nichts schien sie in Bedrängnis zu bringen. Nun aber häufen sich die Warnsignale. «In der Weltwirtschaft ist Unsicherheit die neue Normalität», hiess es am Mittwoch an einer Medienkonferenz von Economiesuisse.
Der Wirtschaftsverband präsentierte seinen Konjunkturausblick für 2026, basierend auf einer Umfrage unter den Mitgliedsfirmen. Demnach dürfte das Bruttoinlandprodukt (BIP) nur um 1,0 Prozent wachsen, gegenüber 1,2 Prozent in diesem Jahr. Problematisch sieht es bei den Exporten aus. Mehrere Branchen erwarten sinkende Auslandsumsätze.
«Der Wind auf den internationalen Märkten bleibt rau», meinte Economiesuisse-Chefökonom Rudolf Minsch. Dabei waren die Exporte 2025 «fulminant gestartet», doch das lag vor allem an den USA, wo viele Firmen ihre Lager präventiv füllten, bevor Präsident Donald Trump seine angedrohten Zölle in die Tat umsetzte. Danach kam es zu einem deutlichen Einbruch.
Probleme nicht nur mit den USA
Die Schweiz traf es mit 39 Prozent besonders heftig. Zwei Drittel der von Economiesuisse befragten Firmen erklärten, sie seien von den US-Zöllen stark bis sehr stark betroffen. Mittlerweile kam es zu einer Einigung, doch die Senkung auf 15 Prozent wurde noch nicht umgesetzt. Und noch handelt es sich erst um eine Absichtserklärung.
Anderswo sieht es kaum besser aus. China lebt praktisch nur noch vom Export. Die Binnennachfrage bleibt schwach, auch wegen der hartnäckigen Immobilienkrise. In Europa entwickeln sich einige Länder dynamisch, doch ausgerechnet in den für die Schweiz wichtigen Nachbarstaaten Deutschland, Frankreich und Italien bleibt das Wachstum gering.
Robuster Konsum
Die Schweiz hat wie wenige Länder von der Globalisierung profitiert, basierend auf der Welthandelsorganisation WTO. Nun kämpft sie mit dem Backlash. Zu leiden hat besonders die Industrie, deren Umsätze seit Monaten rückläufig sind. «Und das wird sich nicht so schnell ändern», so die unerfreuliche Botschaft von Rudolf Minsch.
Bei der Binnenwirtschaft sieht es besser aus. Economiesuisse erwartet, dass der zuletzt stagnierende Wohnungsbau anziehen wird. Der private Konsum dürfte robust bleiben, auch weil die Reallöhne wie schon 2025 erneut steigen dürften, wobei diese Einschätzung umstritten ist. Denn die Schweiz profitiert vorab von der vergleichsweise tiefen Inflation.
Unabhängig von den verhaltenen positiven Einschätzungen (auch Raiffeisen erwartet für 2026 ein BIP-Wachstum von 1,0 Prozent) gibt es Indikatoren, wonach die «goldenen Jahre» vorbei sein könnten. Denn in einigen Bereichen sind die Bremsspuren unübersehbar.
Arbeitsmarkt
Die Schweizer Wirtschaft war in den letzten Jahren eine Jobmaschine. Economiesuisse erwartet, dass auch 2026 viele neue Stellen entstehen und die Arbeitslosigkeit nur leicht von 2,8 auf 3,0 Prozent ansteigt. Doch 18 Prozent der befragten Firmen gaben an, sie hätten zu viel Personal, und auch sonst wird das Klima auf dem Arbeitsmarkt rauer.
So häufen sich Berichte, wonach Hochschulabsolventen bei der Stellensuche Mühe bekunden. Auch IT-Spezialisten, deren Jobs lange als sicher galten, verspüren Druck. Grund ist die Künstliche Intelligenz (KI), die «deutliche Spuren auf dem Schweizer Arbeitsmarkt» hinterlässt, wie es in einer Studie des KOF-Instituts der ETH Zürich heisst.
Zu den Verlierern durch die Einführung von generativen KI-Modellen gehören demnach Programmierer und Systementwickler, aber auch andere Bürojobs. In diesen Bereichen steigt die Zahl der Stellensuchenden. Kaum betroffen sind hingegen «manuelle» Branchen wie Reinigungspersonal, Hauswarte oder Näherinnen. Es ist kein ganz neuer Befund.
Frankenstärke
Der starke Franken wurde lange als permanente Fitnesskur für die Schweizer Unternehmen gefeiert. So auch im Buch Antifragile Schweiz, das sich die Denkfabrik Avenir Suisse zu ihrem 25-jährigen Bestehen geschenkt hat. Zuletzt hat sich die Währung gegenüber Dollar und Euro weiter aufgewertet, und das dürfte sich laut Economiesuisse in geringem Ausmass fortsetzen.
Für die Schweizer Konsumenten ist ein harter Franken positiv, doch die Nationalbank muss Devisenkäufe tätigen, um eine noch stärkere Aufwertung zu verhindern. Und die bedrängten Industriefirmen bezeichneten in einer Umfrage des Verbands Swissmem die Frankenstärke als Hauptproblem. Man kann es mit dem Fitnesstraining auch übertreiben.
Pharma
Der Exporterfolg der Schweiz basiert in erster Linie auf einer Branche: der Pharmaindustrie. Ihr verdanken Stadt und Region Basel ihren Wohlstand, doch nun droht gemäss der NZZ das Ende des Schlaraffenlands. So übt Donald Trump starken Druck auf die Pharmakonzerne aus, ihre Preise zu senken und die Produktion in die USA zu verlagern.
Im Gegenzug ziehen vor allem die beiden «Grossen» Novartis und Roche ein Powerplay auf, um hierzulande höhere Medikamentenpreise zu erzwingen. Roche-CEO Thomas Schinecker machte laut der NZZ jüngst an einer Veranstaltung klar: «Als globales Unternehmen sind wir geografisch flexibel. Die Schweiz ist es nicht.» Es war ein ziemlich eindeutiger Fingerzeig.
Noch muss die Schweiz keinen Abstieg fürchten, doch wegen anhaltender geopolitischer Spannungen können «leicht Abweichungen vom Basisszenario entstehen», so der Befund von Economiesuisse. Ein Unsicherheitsfaktor sei die «sportliche Bewertung» an den Börsen, mahnte Rudolf Minsch. Bei einer Korrektur könnte das Konsumklima in den USA leiden.
Ein sprunghafter US-Präsident, China als Rivale statt als reiner Absatzmarkt, dazu die Herausforderung durch KI. Für ein kleines, exportorientiertes Land wie die Schweiz sind es keine einfachen Zeiten. Vielleicht sind die verhalten positiven Konjunkturprognosen nur die Ruhe vor dem Sturm.
