«Alle bei uns im Block sind wütend und völlig überrumpelt. Für mich, aber auch für meine Nachbarn, will ich einstehen und mehr Gerechtigkeit fordern», sagt Elisabeth Stäger. Sie lasse sich nicht unterkriegen, spreche Missstände an, kenne ihre Rechte.
Was ihre Nachbarn und sie wütend macht: Ihre Hausverwaltung hat sie gerade einmal fünf Tage im Voraus darüber informiert, dass in der Liegenschaft Sanierungsarbeiten stattfinden werden. Die Bauarbeiten dauern über sechs Wochen. Deshalb müssen die Bewohnenden zeitweise in einem Container vor dem Haus aufs WC gehen und duschen. Mitten im Winter.
Laut Mieterverband Zürich können die Mieterinnen und Mieter die Bauarbeiten protokollieren und Fotos davon machen. So können sie eine Mietzinsreduktion beantragen. Die Verwaltung sei den Mieterinnen und Mietern aber nicht von sich aus mit einer Mietzinsreduktion entgegengekommen, sagt Stäger.
Die Bauarbeiten bedeuten für Stäger: elf Tage kein Wasser in der Wohnung. Ihre Kinder können darum weder baden noch die Hände regelmässig waschen. Auch der Abwasch wird schwer – Spülmaschinen gibt es im Block ohnehin nicht.
Zudem müssen Stäger und die Kinder jeweils in den Containern vor dem Haus auf die Toilette. Vor allem in der Nacht sei das mühsam. Stägers achtjähriger Sohn sagt:
Stäger und ihre Kinder gehen nun bei einer Freundin duschen und baden. Denn die Sanitäranlagen würden nicht regelmässig gereinigt, und für die Pflege der Kinder seien diese schlicht zu eng.
In der Badewanne planschen wird die Familie auch in Zukunft nicht mehr können: Während der Bauarbeiten wurde Stäger darüber informiert, dass sie nun eine Dusche bekomme und keine Badewanne mehr. Sie sagt: «Für meine Kids und mich ist das ein heftiger Schlag. Ohne Badewanne hätte ich die Wohnung eventuell nicht genommen, die Kids lieben es, zu baden.»
Für die meisten Mieterinnen und Mieter in dem Mehrfamilienhaus birgt die kurzfristig angekündigte Renovation Probleme. So arbeiten gewisse Leute in der Schichtarbeit im Spital und können sich aufgrund des Baulärms nicht genügend erholen, ein älterer Bewohner pflegt seine kranke Frau.
Ein pensionierter Bewohner, welcher anonym bleiben will, sagt: «Es ist eine Frechheit, wie mit den Mieterinnen und Mietern umgegangen wird.» Wegen des Baustaubs sei er ständig am Putzen, das sei eine körperliche Herausforderung. Andere Nachbarn habe es noch stärker getroffen, sie hätten sogar allergische Reaktionen gehabt auf den Baustaub.
Walter Angst vom Mieterverband erklärt gegenüber watson, dass es sich bei Stägers Fall um eine grosse Sanierung handelt, die zwei Monate im Voraus angekündigt werden müsse. Mit der späten Ankündigung habe man den Mieterinnen und Mietern die Möglichkeit genommen, während der Bauzeit weniger belastende Alternativen zu finden.
Ist der Mieterverband oft mit solchen Fällen konfrontiert, in denen die Mieterinnen und Mieter so kurzfristig informiert werden?
«Professionelle Eigentümer, Verwaltungen und Bauherren halten sich in eigenem Interesse an die Ankündigungsfristen und informieren meist noch viel früher – aus eigenem Interesse.» Angst ergänzt: «Wenn die Mieterinnen und Mieter frühzeitig involviert werden, können Bauarbeiten in der Regel mit weniger Komplikationen umgesetzt werden. Es gibt leider immer noch zu viele Bauherren, die keine Rücksicht auf die Mietenden nehmen.»
Ob es für Stäger nach der Renovation eine Mietzinserhöhung gibt, ist noch unklar. Doch eines steht für die Bülacherin, welche im Verkauf arbeitet, fest: Wenn die Miete schon nur 100 Franken höher wird, muss sie ausziehen. «Der Mietzins der Wohnung stieg bei unserem Einzug schon extrem an. 2017 betrug die Miete noch 990 Franken, als ich 2022 eingezogen bin, wurde sie auf 1340 Franken erhöht.»
Sie ergänzt: «Hier in Bülach wird die Wohnungssuche immer schwerer. Ich weiss, dass diese Zwei-Zimmer-Wohnung eigentlich zu klein ist für die Kinder und mich – aber etwas Besseres habe ich schlicht nicht gefunden.»
Stäger und ihre Nachbarn vermuten, dass bald auch die Küchen renoviert werden, denn die alte Küche und das brandneue Bad würden überhaupt nicht zusammenpassen.
watson hat die Verwaltung, die iREM Schweiz AG, mit den Vorwürfen der Mieterschaft konfrontiert. Weshalb wurden die Mieterinnen und Mieter so kurzfristig informiert? Wird der Mietzins erhöht? Folgt bald die Sanierung der Küchen? Eine lakonische Antwort folgt: «Seitens Eigentümerschaft gibt es keine Kommentare.»
Stäger kann der Situation immerhin etwas Gutes abgewinnen: Die Kinder finden die Bauarbeiten spannend und beobachten die Männer, die täglich ein und aus gehen. Sie sagt: «Meine Tochter hat sogar ein paar Tage lang gesagt, dass sie Bauarbeiterin werden wolle.»
Wir hätten es in der Hand, aber nei...
Dass man bei so etwas offensichtlichem noch für seine Rechte kämpfen muss. Hier müsste man nebst Mietzinsreduktuon noch eine Entschädigung erhalten.
Dass man dann noch Angst vor einer Mietzinserhöhung haben muss... Wo ist der Mehrwert einer Dusche gegenpber einer Badewanne. Imho wäre das ein klarer Fall für eine dauerhafte Mietzinssenkung.
Dieser Vermieter sollte wegen Nörigung vor Gericht antanzen müssen.