Im Kanton Waadt klagen Neumietende 2019 gegen den Anfangsmietzins ihrer 4,5-Zimmer-Wohnung. Dieser sei missbräuchlich, da mit der Miete eine zu hohe Rendite erwirtschaftet wird. Zu diesem Zeitpunkt gilt ein Mietzins als missbräuchlich, sobald die Rendite höher ist als plus 0,5 Prozent des Referenzzinssatzes. Das zuständige Mietgericht gibt der Klägerschaft recht und senkt die Miete von 2190 auf 900 Franken. Das Kantonsgericht Waadt bestätigt diesen Entscheid. Doch die Vermieterin, eine Pensionskasse, zieht das Urteil ans Bundesgericht weiter.
Am 26. Oktober 2022 urteilen ein SVP-, zwei FDP- und zwei Mitte-Bundesrichterinnen und -richter über den Fall und geben der Vermietung teilweise recht. Der Mietzins wird auf 1390 anstatt der 900 Franken festgelegt. Gestützt ist der Entscheid des Bundesgerichts auf einen noch hängigen Vorstoss im Parlament von FDP Nationalrat Olivier Feller. Mit diesem Urteil untergräbt das Bundesgericht die Politik und ändert seine bisherige Rechtssprechung zur Berechnung der erlaubten Nettorendite auf Mietzinsen – ohne auf einen Parlamentsentscheid zu warten.
Am Ende hebt das Urteil des Bundesgerichts die erlaubte Rendite auf Mietzinsen von 0,5 auf 2 Prozent über dem Referenzzinssatz an, solange dieser unter zwei Prozent liegt.
Dass die Mietzinsen in der Schweiz ganz allgemein einiges höher angesetzt sind als erwartet, bestätigt eine Studie des Büro BASS zur Entwicklung und Renditen auf dem Mietwohnungsmarkt. Die Studie kommt zum Schluss, dass im Jahr 2021 ein durchschnittlicher Mietzins um fast 370 Franken pro Monat zu hoch angesetzt war.
Doch wie sieht es heute aus? Seit der Erhebung der Studie ist einiges passiert. Am prominentesten wohl der zweifache Anstieg des Referenzzinssatzes, welcher seit dessen Einführung 2008 nur gesunken ist. Zu Beginn der BASS-Berechnungen 2005, die nun exklusiv für watson auf den neuesten Stand gebracht wurden, entwickelten sich die Mietzinsen in etwa wie erwartet und waren 2008 sogar tiefer als der erwartete Preis.
Doch seit 2009 sinkt der erwartete Mietpreisindex kontinuierlich, während die tatsächlichen Mietpreise konstant ansteigen. Im Jahr 2023 lag also die Miete bei 124,8 anstatt bei 94,7. Der Vergleich mit dem Landesindex der Konsumentenpreise zeigt, dass die Mieten deutlich stärker angestiegen sind als andere Güter und Dienstleistungen im selben Zeitraum.
Der Blick auf die Umverteilung zeigt, wie sich diese Diskrepanz zwischen dem realen Mietpreisindex und dem erwarteten Mietpreisindex auf die Mietzinsen auswirkt. Sprich, wie viel mehr Mietende an Vermietende bezahlt haben als erwartet. In absoluten Zahlen beläuft sich die Umverteilung seit 2006 auf mehr als 100 Milliarden Franken oder 5,8 Milliarden pro Jahr.
Konkret heisst das, im Jahr 2023 haben Mietende rund 10,6 Milliarden Franken oder 34 Prozent zu viel Miete bezahlt. Die Umverteilung zwischen Mietenden und Vermietenden beträgt pro Wohnung im Jahr 2023 durchschnittlich 4350 Franken oder 360 Franken pro Monat, ein leichter Rückgang von 10 Franken pro Monat seit 2021. Allerdings liegt dies vor allem am höheren Referenzzinssatz, denn die Mieten steigen weiterhin an.
Anfang Dezember 2023 stieg der Referenzzinssatz auf 1,75 Prozent, dementsprechend dürfen Vermietende nun eine Nettorendite von 3,75 Prozent erwirtschaften. Doch steigt der Referenzzinssatz weiterhin an, was theoretisch eine Mietzinserhöhung mit sich bringt, fällt die erlaubte Nettorendite wieder auf den Wert von vor dem Bundesgerichtsurteil vom Oktober 2022, also 0,5 Prozent.
Falls sich der Referenzzinssatz weiter nach oben entwickelt, laufen wir potenziell in die Situation, dass die erlaubten Renditen um mehr als 1 Prozent sinken werden und dabei wohl einen Grossteil der Mietzinsen missbräuchlich macht, sofern sie es nicht bereits sind.
Aber wann ist ein Mietzins eigentlich missbräuchlich? «Es ist sehr kompliziert», sagt Fabian Gloor, Jurist und Rechtsberater beim Mieterinnen- und Mieterverband. «Aber grundsätzlich ist ein Mietzins missbräuchlich, wenn eine zu hohe Rendite erzielt wird». Momentan ist eine maximale Rendite aus Mietzinsen von 3,75 Prozent zulässig.
Doch um zu verstehen, wie sich ein Mietzins zusammensetzt, ist es wichtig zu verstehen, wie Mieten berechnet werden. Fabian Gloor schlüsselt auf: «Bei Immobilien, die jünger als 10 Jahre sind, gilt die Bruttorendite. Die Bruttorendite wird aus den Nettomieteinnahmen und den gesamten Anlagekosten berechnet. Bei Liegenschaften, die vor 10 bis 30 Jahren gebaut wurden, zählt die Nettorendite. Dabei stehen sich die Nettomieten und das Eigenkapital gegenüber. Sprich, der Liegenschaftsaufwände sind nicht in die Rechnung einbezogen. Und als Letztes bleiben noch die Gebäude, welche älter als 30 Jahre sind. Hier gilt die Orts- und Quartierüblichkeit – die Mietzinsen werden also nach dem Marktmieten-Prinzip an ähnlichen Mietobjekten in der Nachbarschaft angepasst.»
Es ist also kompliziert. Doch können Mietende genau hier ansetzen, denn diese Varianten dürfen nicht vermischt werden. «Falls eine Mietzinserhöhung aufgrund des Referenzzinssatzes stattfindet und auch noch gleich nach Orts- und Quartierüblichkeit, ist dies zum Beispiel missbräuchlich.» so Fabian Gloor.
Fakt ist aber: Die Kontrolle der Rendite liegt alleine bei den Mietenden, es gibt keine staatliche Kontrollinstanz. Ausserdem sind leere Wohnungen rar. In der ganzen Schweiz und spezifisch in den Städten müssen Mietende fast froh sein, überhaupt eine Wohnung zu finden. «Viele Mietende haben daher Hemmungen, den Anfangsmietzins anzufechten», meint Fabian Gloor und so werden gerade Mieten, die aufgrund der Orts- und Quartierüblichkeit berechnet werden, immer teurer.
Das Problem der Mieten ist sehr komplex und es wird von den Mietenden ein vertieftes Verständnis des Mietrechts verlangt, um missbräuchliche Mieten überhaupt zu erkennen und dagegen Einspruch zu erheben. «Sowohl bei der Orts- und Quartierüblichkeit als auch bei der Renditeberechnung sind die Hürden hoch, da die Beweislage bei den Mietenden liegt. Es müssen also Rechnungen aufgrund von Unterlagen wie zum Beispiel dem Eigenkapital oder Nebenkosten vorgewiesen werden, die Eigentümerinnen und Eigentümer oft nicht herausrücken», erklärt Fabian Gloor. «Dazu kommen potenziell noch hohe Gerichtskosten, welche sich nicht alle einfach so leisten können.»
Fazit: Die Mieten sind fast 32 Prozent höher angestiegen als unter Einbezug der relevanten Kostenfaktoren und des geltenden Mietrechts zu erwarten gewesen wäre. 2023 haben Mietende im Durchschnitt 360 Franken zu viel Miete bezahlt – pro Monat. Die Wohnungsknappheit und die komplizierte Rechtslage machen eine Anfechtung missbräuchlicher Mietzinsen durch die Mietenden zu einer grossen Hürde. Es fehlt weiterhin eine staatliche Mietzinskontrolle.
Eine einfache Durchsetzung der bestehenden Regeln im Mietwesen (Kostenmiete) könnte die entstandenen Zusatzkosten für Millionen Menschen locker kompensieren. Eine konkrete Möglichkeit dazu hätte ein Vorstoss der SP-Parlamentsmitglieder Jacqueline Badran und Carlo Sommaruga geboten, welcher periodische Kontrollen der Mieten durch eine Revisionspflicht forderte. Doch die rechte Mehrheit wollte davon nichts wissen.
Akteull haben wir ein Einkommen von (ich28 90.000, meine Freundin 29 77.000)
Nun planen wir Kinder, dann werde ich alleine Atbeiten und wir brauchen eine grössere Wohnung … realistisch wird was bei ~3‘200 - 3‘500.- + ein Parkplatz + Versicherung für die ganze Familie, 😅 Ciao Lebe 🥲… Immerhin sind die Steuern sehr günstig … aber ernsthaft, wie kann eine Junge Familie mit normalem Einkommen heute noch überleben ?