Der Nationalrat will nach Sicherheitsvorfällen in und um die Bundesasylzentren handeln. Er hat verschiedene in der Praxis gelebte Disziplinarmassnahmen gesetzlich verankert. Zusätzlich sollen der Anwendungsbereich und die Instrumente der Behörden ausgeweitet werden.
Mit 104 zu 87 Stimmen sagte die grosse Kammer am Mittwoch in der Gesamtabstimmung Ja zu verschiedenen Änderungen im Asylgesetz. Diese sollen klarer regeln, wer auf welcher Grundlage disziplinarische Massnahmen anwenden darf.
Ziel ist es, die Sicherheit von Bewohnerinnen und Bewohnern sowie von den Mitarbeitenden in Bundesasylzentren zu verbessern. Basis für den vom Bundesrat vorgeschlagenen Gesetzesentwurf waren Empfehlungen von alt Bundesrichter Niklaus Oberholzer vom Herbst 2021.
Zuvor waren Vorwürfe publik geworden, wonach private Sicherheitsleute in den Bundesasylzentren immer wieder Gewalt gegenüber Asylsuchenden angewendet haben sollen. Inzwischen ist in den Asylzentren des Bundes die Zahl von Aggressionen, Drohungen, Belästigungen und weiteren Vorfällen gesunken, wie der Bundesrat in der Botschaft zur Vorlage schreibt.
Trotzdem sollen im Asylgesetz künftig die wichtigsten Aufgaben des Staatssekretariats für Migration (SEM) in diesen Zentren und an den Flughäfen verankert werden, um klare Grundlagen zu schaffen. Dabei sollen jene Bereiche ausdrücklich genannt werden, in denen das SEM polizeilichen Zwang oder polizeiliche Massnahmen anwenden darf, um die Sicherheit und Ordnung zu gewährleisten.
Auch soll geregelt werden, wie die Kompetenzen im Sicherheitsbereich auf Sicherheitsdienstleister oder an die zuständigen kantonalen Polizeibehörden übertragen werden können. Beispielsweise soll die Möglichkeit der vorübergehenden Festhaltung einer Person während maximal zwei Stunden zur Abwehr einer ernsten und unmittelbaren Gefahr im Asylgesetz verankert werden.
Der Nationalrat stimmte als Erstrat allen Vorschlägen zu und ging in zwei Punkten weiter als die Landesregierung. So soll die Zone um die Bundesasylzentren vergrössert werden, in der gegen Asylsuchende Disziplinarmassnahmen ergriffen werden können, wenn ihr Verhalten die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährdet.
Der Nationalrat will die Ordnung auch «in der Umgebung» von Bundesasylzentren staatlich sicherstellen. Der Bundesrat will dies nur «in unmittelbarer Nähe» der Zentren tun. Laut Justizminister Beat Jans ist der Bund heute für die Sicherheit im Umkreis von wenigen hundert Metern rund um die Zentren zuständig. «Was darüber hinausgeht, liegt klar in der Kompetenz der Kantone.»
Der Nationalrat sah dies anders und weitete die Vorlage in einem zweiten Punkt aus: So sollen SEM-Mitarbeitende künftig auch elektronische Geräte wie Handys von Asylsuchenden konfiszieren können zur Gewährleistung der Sicherheit und Ordnung. Der Einwand von Bundesrat Jans, wonach diese Bestimmung in Konflikt stehe mit der Bundesverfassung, blieb von einer Mehrheit ungehört.
Insbesondere Vertreterinnen und Vertreter der Polparteien SVP und Grüne stellten Minderheitsanträge, da ihnen der Entwurf unausgeglichen schien - für die SVP zu sehr zugunsten der Asylsuchenden, für die Grünen zu sehr zu deren Ungunsten.
Beide Fraktionen waren am Ende der über dreistündigen Debatte unzufrieden mit dem Ergebnis und lehnten die Vorlage ab. Die FDP, Mitte-Partei und die GLP stimmten dafür. Auch die SP-Fraktion sagte schliesslich Ja, obwohl ihre selbstdefinierten «roten Linien» überschritten wurden.
Die Vorlage geht nun an den Ständerat.
Rund um die vorgeschlagenen Änderungen im Asylgesetz entstand im Nationalrat wie erwartet eine lebhafte Debatte zur Schweizer Migrationspolitik. «Viel wichtiger wäre es, die Sicherheit ausserhalb der Asylzentren zu regeln», sagte Pascal Schmid (SVP/TG). Die Asylkriminalität steige. «Das ist nicht tolerierbar und nicht akzeptabel.»
Auch Christian Wasserfallen (FDP/BE) plädierte im Namen seiner Fraktion dafür, «die Schraube anzuziehen». Die Vorlage sei ein erster Schritt dazu.
Die Rednerinnen und Redner der übrigen Fraktionen betonten, dass sich nur ein kleiner Teil der Asylsuchenden nicht an die Regeln hielten. «Wir brauchen kein Sonderpolizeigesetz», sagte Balthasar Glättli (Grüne/ZH). Vielmehr sollten die Verfahren von Schutzbedürftigen beschleunigt werden. (sda)