Bezahltes Sammeln von Unterschriften steht in der Kritik. Der Kanton Neuenburg wollte die Praxis für nationale Referenden und Initiativen verbieten. Doch der Bundesrat gab diese Woche bekannt, dass er das Verbot nicht genehmigt – das bezahlte Unterschriftensammeln soll weiterhin erlaubt sein.
Werden damit nicht jene bevorzugt, die eine volle Kriegskasse haben? Flavia Caroni, Politologin an der Universität Zürich, ordnet für watson ein.
«Am meisten profitieren von dieser Praxis Leute oder Organisationen, die kein grosses Netzwerk haben», sagt Caroni. So habe zum Beispiel das Komitee hinter der Organspende-Initiative stark auf bezahlte Unterschriftensammler gesetzt. «Das Komitee bestand aus Menschen, die noch keine Erfahrung beim Sammeln hatten. Für sie war es einfacher, Spenden zu sammeln und dieses Geld für Unterschriftensammler einzusetzen.»
Wenn man es schaffe, von einigen Stiftungen oder Einzelpersonen grosse Spenden zu erhalten, sei es möglich, eine Initiative oder ein Referendum auf die Beine zu stellen. Auch die Hornkuh-Initiative sei zu einem grossen Teil gegen Bezahlung zustande gekommen, sagt Caroni.
«Etwas überraschend sind es nicht die grossen Parteien, die auf bezahltes Unterschriftensammeln setzen», sagt Caroni. Die SVP und die SP würden sogar ganz darauf verzichten. «Sie haben viele Mitglieder und Freiwillige, die auf die Strassen gehen.»
Gegen das bezahlte Unterschriftesammeln sind vor allem linke Kreise. So wurde in Neuenburg das Verbot von der SP angestrebt. Auf nationaler Ebene gibt es Vorstösse, die in eine ähnliche Richtung gehen. Sie stammen von der SP und den Grünen.
So argumentiert etwa Léonore Porchet von den Grünen: «Diese Praxis macht eine Volksabstimmung vor allem für jene möglich, die über genügend Geld verfügen, um die Sammlung der notwendigen Unterschriften zu bezahlen.»
Ausserdem habe es in jüngerer Vergangenheit in den Westschweizer Kantonen immer wieder Fälle gegeben, in denen die Unterschriftensammler falsche Argumente vorgetragen hätten, um ans Ziel zu kommen. Tatsächlich gab es mehrere Medienberichte, die fragwürdiges Vorgehen der Unterschriftensammler aufdeckten.
«Aus Einzelfällen kann nicht darauf geschlossen werden, dass beim bezahlten Unterschriftensammeln generell unlautere Methoden angewendet werden», sagt der Bundesrat in einer Antwort auf eine Motion von Mathias Reynard (SP).
Weiter könne das Verbot den Zugang zu den Volksrechten für gewisse Akteure einschränken, so die Landesregierung. Bezahltes Unterschriftensammeln könne günstiger sein als zum Beispiel ein Massenversand von Unterschriftenbögen. «Ein Verbot könnte also dazu führen, dass nur noch etablierte, finanzstarke Gruppierungen es schaffen, das Unterschriftenquorum zu erreichen.»
Die Initiativkomitees greifen für bezahltes Unterschriftensammeln teilweise tief in die Taschen. Die Initianten von «Blackout stoppen», die das AKW-Verbot kippen wollen, zahlen 7.50 Franken für eine Unterschrift. Dies berichtete die Rundschau Anfang des Jahres.
Aber auch ohne bezahltes Unterschriftensammeln ist es teuer, erfolgreich für eine Initiative zu sammeln. «150'000 bis 200'000 Franken ist das absolute Minimum», sagt Caroni. «Die teuerste Strategie, die mir bekannt ist, ist diejenige der SVP. Sie lanciert eine Initiative und verschickt ihr Extrablatt an über drei Millionen Haushalte.» Dem Extrablatt würden jeweils vorfrankierte Unterschriftenbögen beigelegt. «Man kann sich ja ungefähr ausrechnen, was das kostet», so Caroni.
Caroni bezweifelt, ob ein Verbot von bezahlten Unterschriften die Schweizer Demokratie gerechter machen würde. Sie fände es löblich, wenn man genau hinschaue, woher das Geld komme, sagt Caroni. In Sachen Transparenz gebe es im Schweizer Politbetrieb noch viel zu tun. «Aber ich finde es kurzsichtig, wenn man nur auf das bezahlte Unterschriftensammeln schaut.»
Das Extrablatt ist der erste Eskalationsschritt im Abstimmungskampf und soll den Bias bereits setzen, gegen denn dann später die vernünftigen Politiker ankämpfen müssen.