Schweiz
Gesellschaft & Politik

Studie: Jeder zehnte Schweizer findet, Homosexualität sei unmoralisch

Schwules Paar, LGBTQ, gay couple, two men, zwei männer
Vor allem junge Männer haben ein Problem mit Schwulen und Lesben. bild: shutterstock

Studie zeigt: So verbreitet ist Homophobie in der Schweiz wirklich

Eine neue Erhebung zeigt: Homophobie ist in der Schweiz bis heute verbreitet. Die Lesbenorganisation LOS fordert nun eine Veränderung in den Klassenzimmern – und dass Homosexualität dort nicht mehr als etwas Aussergewöhnliches präsentiert wird.
14.01.2020, 06:0714.01.2020, 22:13
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Schlechter als Montenegro, Albanien oder das erzkatholische Irland: Im Vergleich zu anderen westeuropäischen Ländern haben Schwule und Lesben bei uns deutlich weniger Rechte. Bisher unveröffentlichte Erhebungen der Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften (ZHAW) zeigen nun, dass auch Homophobie in Teilen der Schweizer Bevölkerung noch immer tief verwurzelt ist: Jeder zehnte Schweizer hält gleichgeschlechtliche Liebe für unmoralisch. Weiter sind 22,7 Prozent der Befragten gegen eine Ehe für alle.

Muriel Waeger, Co-Geschäftsleiterin der Lesbenorganisation LOS, überraschen diese Zahlen nicht: «Das ist zwar schockierend, aber dass Homophobie in der Schweiz ein grosses Problem ist, wissen wir. Man merkt es im Alltag, an Beleidigungen auf der Strasse oder an den Anrufen auf unsere Helpline.»

Zur Studie

Die Erhebung der ZHAW basiert unter anderem auf Daten von bereits veröffentlichten Studien (Mehr-Themen-Befragungen aus den Jahren 2017 und 2019). Die NZZ hatte am Montag erstmals darüber berichtet.

Weitere Ergebnisse:

  • Vor allem junge Männer haben ein Problem mit Schwulen und Lesben.
  • Religiosität begünstigt Homophobie. Und zwar unabhängig von der Religion.
  • Je höher die Bildung, umso weniger haben die Befragten Vorurteile gegenüber Homosexuellen.
  • Befragte mit Migrationshintergrund (laut Definition der Verfasser wenn mindestens ein Elternteil nicht in der Schweiz geboren wurde) stimmen homophoben Einstellungen eher zu. Vor allem Länder wie Kosovo, Nordmazedonien und Italien fallen auf.
  • Je politisch rechter sich ein Befragter einstuft, umso eher hat er homophobe Ansichten.

Offizielle Statistiken zu sogenannten «Hatecrimes» gibt es nicht. Der einzige Anhaltspunkt: Bei Pink Cross und LOS gehen jede Woche durchschnittlich zwei Meldungen ein – wegen Beleidigungen, Hass-Kommentaren in den sozialen Medien oder körperlicher Gewalt.

Von diesen erfassten Meldungen landen jedoch nur wenige bei der Justiz. Oft ist es schwierig, die Taten zu beweisen – oder die rechtliche Grundlage fehlt (mehr dazu weiter unten). Ausserdem hätten viele Homosexuelle Mühe, zur Polizei zu gehen, sagt Muriel Waeger von LOS: «Bis in die Achtzigerjahre wurden Schwule und Lesben in der Schweiz fichiert. Deshalb fällt es ihnen auch heute noch schwer, sich der Polizei und anderen staatlichen Institutionen anzuvertrauen.»

Kein Generationen-Problem

40 Jahre später ist der Hass auf Schwule und Lesben kein Phänomen der älteren Generationen. Zwar stellen die meisten Studien fest, dass jüngere Personen eine positivere Einstellung gegenüber Homosexuellen haben. In der ZHAW-Erhebung bezeichneten es aber immerhin 23,3 Prozent der Jugendlichen als «ekelhaft», wenn sich Homosexuelle in der Öffentlichkeit küssen.

Dringend nötig ist laut Waeger deshalb eine Veränderung in den Klassenzimmern: «Über Homosexualität wird in der Schule kaum gesprochen, und wenn doch, wird sie als etwas Aussergewöhnliches präsentiert. Das hinterlässt Spuren in den jungen Köpfen.» Am besten wäre es deshalb, die verschiedenen sexuellen Orientierungen in den Schulstoff zu integrieren, plädiert sie: «Also zum Beispiel im Französischkurs explizit darüber zu sprechen, dass die homosexuelle Affäre von Dichter Arthur Rimbaud sein Werk stark beeinflusst hat.»

Vera Studach, Chefin der Fachstelle Liebesexundsoweiter, besucht regelmässig Schulklassen und klärt sie über Sexualität und sexuelle Gesundheit auf. Sie kennt die Problematik: «Bei unseren Einsätzen sind wir des Öfteren mit homophoben Äusserungen konfrontiert.» Diese basierten meist auf Vorurteilen und Fehlinformationen wie zum Beispiel, dass Homosexualität etwas Unnatürliches sein soll.

Es sei besonders die Wertehaltung der Eltern, religiöse oder kulturelle Einflüsse, die zu Homophobie führen: «Jugendliche stehen noch stark unter Einfluss ihres Elternhauses. Gibt es dort eine homophobe Tendenz, ist es wahrscheinlich, dass die Jugendlichen diese übernehmen – jedenfalls bis sie mit Kritik und wissenschaftlichen Erkenntnissen zum Thema konfrontiert werden und die Ansicht ihrer Eltern hinterfragen.»

Deshalb sei es wichtig, dass die Schüler ihre Bedenken in einem geschützten Rahmen – wie es die Schuleinsätze von entsprechenden Fachstellen sind – offen äussern könnten. Falls die Abstimmung zur Erweiterung der Anti-Rassismus-Strafnorm angenommen wird, käme ein weiterer Punkt dazu: «Dann werden wir sie zudem darüber informieren, dass sie für gewisse Aussagen mit rechtlichen Folgen rechnen müssen.»

Kommende Abstimmung

Über die Anti-Rassismus-Strafnorm entscheidet das Stimmvolk am 9. Februar. Diese soll neu auch vor Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung schützen. Der Gang zur Urne ist nötig, weil die im Parlament beschlossene Änderung des Strafgesetzbuchs mit dem Referendum bekämpft wird. Ergriffen haben dies die Eidgenössisch-Demokratische Union (EDU) und die Junge SVP.

Die Änderung ist laut den Befürwortern nötig, weil die Schweiz bei der Gleichstellung von Homo-, Trans- und Intersexuellen hinterherhinkt. Menschen wegen ihrer Rasse, ihrer Volks- oder Religionszugehörigkeit zu diskriminieren – das ist hierzulande zwar bereits verboten. Wer hingegen Homosexuelle pauschal verunglimpft, muss nicht mit einer Strafe rechnen.

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380 Kommentare
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Ironiker
14.01.2020 06:37registriert Juli 2018
Ich zitiere: Vor allem junge Männer haben ein Problem mit Schwulen und Lesben.

Und am Abend Zuhause auf Youporn den zwei heissen Katzen auf dem Bildschirm zuschauen und sich einen runterholen.

Was für eine Doppelmoral!
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Calvin Whatison
14.01.2020 06:26registriert Juli 2015
Man könnte sich manchmal schon Fragen, in welchem Jahrhundert gewisse Menschen eigentlich stehen geblieben sind. Einfach zum ko....🤮.

Darum Ja am 9.Februar 👍🏻
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Munchkin
14.01.2020 10:13registriert Januar 2019
Ich bin selbst Schweizer und homosexuell, habe einen serbischen Freund, eine Türkische Kollegin, einen albanischen Kollegen, einen spanischen Mitbewohner einen italienischen Vater. Mir tun homophobe und rassistische Menschen leid, welche nie angefangen haben selber zu denken
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