Das vielleicht grösste Wechselbad der Gefühle am gestrigen Wahlsonntag erlebte Nationalrätin Katharina Prelicz-Huber von den Grünen. Fast den ganzen Tag sah es danach aus, als werde die 64-Jährige abgewählt. Die Hochrechnungen prognostizierten, dass die Grünen drei ihrer fünf Zürcher Sitze verlieren würden, Prelicz-Huber (Rang 4) und auch Meret Schneider (Rang 5) lagen deutlich hinter Balthasar Glättli, Marionna Schlatter und Bastien Girod zurück.
«Am Mittag habe ich erstmals gehört, dass sich der Verlust, den man uns Grünen vorausgesagt hat, bewahrheitet. Zuerst war die Rede von einem Sitz, dann von zwei.» Sie habe dann relativ schnell gewusst, dass es sie treffen werde, sagt Prelicz-Huber am Montag am Telefon. «Leider ist es auch bei uns noch so, dass die Männer die Frauen überholen.»
Was die Sache nochmals etwas brisanter macht: Es wäre bereits die zweite Abwahl aus dem Nationalrat gewesen. Schon 2011 hat das Zürcher Stimmvolk Katharina Prelicz-Huber die Wiederwahl verweigert.
Damit konfrontiert, dass es zu 90 Prozent nicht reichen würde, habe sie den Medien Auskunft gegeben und Fragen zu ihrer bevorstehenden Abwahl beantwortet, sagt Prelicz-Huber weiter.
Die Minuten zerrannen, Gewissheit hatte die Grünen-Politikerin nach wie vor keine. «Um 17.30 Uhr erhielt ich die Information, dass unsere Prozente leicht steigen und auch noch nicht alle Wahlkreise ausgezählt sind. Bis 21.20 Uhr wusste ich aber nicht, wie es definitiv ausschaut.»
Auch an der Wahlfeier der Grünen sei es eine Berg- und Talfahrt der Gefühle gewesen, sie habe viele unterstützende Reaktionen erhalten, auch von jungen Parteimitgliedern. «Es hat mich wahnsinnig gefreut, dass scheinbar auch bei den Jungen meine Politik gut ankommt.»
Doch dann war plötzlich Besserung in Sicht. Die Prozente der Grünen in Zürich nahmen weiter zu, es war wieder im Bereich des Möglichen, dass zumindest der vierte Sitz gerettet werden könnte.
Und irgendwann war die Sache dann klar, immer mehr Menschen hätten ihr ein Handy unter die Nase gehalten, wo ersichtlich wurde, dass sie wiedergewählt sei, so Prelicz-Huber. «Da fiel eine Zentnerlast von mir ab, ich habe das physisch wirklich gespürt. Damit einher ging ein Energieschub und eine unendliche Dankbarkeit, wie ich sie im Leben schon lange nicht mehr hatte.»
Katharina Prelicz-Huber wird also nach langem Zittern im Amt bestätigt und kann das Debakel einer zweiten Abwahl abwenden. Den fünften Sitz in Zürich konnten die Grünen im Zuge der grossen Wahlniederlage nicht halten, Meret Schneider wurde nach einer Legislatur am Sonntag nicht wiedergewählt.
Man wird gewählt oder nicht gewählt. Es ist schliesslich nicht so, dass die bisherigen einen Sitzanspruch hätten und explizit abgewählt werden müssten. Vielmehr müssen alle (auch die bisherigen) gewählt bzw. wiedergewählt werden. Ist diese Differenzierung wirklich so schwer?