In den USA, in Kanada und in der EU ist die Impfung gegen Affenpocken zugelassen und für die Risikopersonen verfügbar. In der Schweiz noch nicht. Doch das soll sich nun rasch ändern: Dem Vernehmen nach wird der Bundesrat an seiner Sitzung am Mittwoch über einen Kredit zur Beschaffung des Impfstoffs beraten. Der Liefervertrag sei noch nicht ausgehandelt. Es dürfte sich um eine Bestellung von 40'000 Dosen handeln.
Bundesrat Alain Berset hat das Geschäft am Samstag in einem Interview mit den Tamedia-Zeitungen angedeutet: «Wir haben sehr früh versucht, die Impfung zu beschaffen», sagte der Gesundheitsminister:
Deshalb wolle er «den Impfstoff nun auch ohne ein solches Gesuch so rasch als möglich beschaffen».
Es ist ein bemerkenswerter Vorgang, der darauf schliessen lässt, dass die Verhandlungsmacht der Eidgenossenschaft in diesem Geschäft klein war.
Kurze Rückblende. Am 19. Mai wurde in der Schweiz der erste Fall von Affenpocken gemeldet. Bereits vier Tage später liess das Bundesamt für Gesundheit (BAG) wissen, man überprüfe die Beschaffung von Impfstoffen. Inzwischen sind in der ganzen Schweiz über 400 Fälle laborbestätigt registriert, 416 waren es ganz genau am Sonntag. Die aktuell am stärksten betroffene Bevölkerungsgruppe sind Männer, die Sex mit Männern haben. Die Aids-Hilfe Schweiz sensibilisiert und informiert diese Community im Auftrag des BAG. Im Juli hat die Weltgesundheitsorganisation den Ausbruch der Affenpocken als «Notlage von internationaler Tragweite» deklariert.
Dass in der Schweiz trotz alldem bis heute kein Impfstoff zugelassen, geschweige denn vorhanden ist, liegt weniger an den Behörden, die sich laut eigenen Angaben seit dem Frühsommer darum bemühten, als an den Bedingungen der Herstellerfirma Bavarian Nordic: Dem Unternehmen war offenbar der Aufwand für ein Zulassungsgesuch in der Schweiz zu gross, zumal die zu erwartende Bestellmenge - etwa im Vergleich zur EU - klein war. Auf Anfrage teilte Bavarian Nordic mit, dass die Schweiz in einer Notfallsituation den Impfstoff erhalten würde.
Gleichwohl geriet Gesundheitsminister Berset zuletzt unter Druck. So forderten mehrere Schwulenorganisationen und Fachleute, «bei der Beschaffung einen Gang höher zu schalten», wie das der Infektiologe Jan Fehr von der Universität Zürich im Schweizer Radio formulierte: «Ausserdem müssen die Bedingungen geschaffen werden, dass wir den Impfstoff rasch bekommen können.»
Dieser Schritt scheint nun zu erfolgen. Einerseits hat der Bund laut einer involvierten Person die geplante Impfstrategie angepasst. Zunächst sah diese vor, sogenannte Ringimpfungen durchzuführen: Dabei wären lediglich Kontaktpersonen einer infizierten Person geimpft worden. Nun sei das Ziel, die Risikogruppe, namentlich Männer, die Sex mit Männern haben, möglichst umfassend zu impfen. Da die Impfung zweimal verabreicht wird, geht der Bund dem Vernehmen nach von einem Bedarf von zweimal 20'000 Dosen aus. Dies ist eine Bestellmenge, über die sich mit der Anbieterfirma offenbar verhandeln lässt.
Damit auch die zweite Bedingung erfüllt ist, will der Bund laut Gesundheitsminister Berset auf ein Zulassungsverfahren beim Heilmittelinstitut Swissmedic verzichten. Rechtlich dürfte sich dieses Vorgehen auf eine Ausnahmeregelung in der Verordnung über die Bewilligungen im Arzneimittelbereich stützen. Artikel 49 regelt dort die «Einfuhr nicht zugelassener Arzneimittel durch Fachpersonen». Mehrere Bedingungen müssen dafür erfüllt sein, etwa, dass in der Schweiz «kein alternativ einsetzbares Mittel zugelassen ist», oder dass das einzuführende Mittel von einem Land mit «vergleichbarer Arzneimittelkontrolle» zugelassen ist. Dies ist im vorliegenden Fall gegeben.
Dass nicht zugelassene Arzneimittel gemäss der Verordnung nur «in kleinen Mengen» eingeführt werden dürfen, ist angesichts der Ansteckungszahlen wohl vernachlässigbar. (aargauerzeitung.ch)