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Systemwechsel: Sollen Jüngere weniger und Ältere mehr für die Krankenkasse bezahlen?

Die Beiträge der Jungen an die Älteren seien enorm, sagt Thomas Grichtig, Generalsekretär der Groupe Mutuel. Das gefährde die Generationensolidarität. 
Die Beiträge der Jungen an die Älteren seien enorm, sagt Thomas Grichtig, Generalsekretär der Groupe Mutuel. Das gefährde die Generationensolidarität. Bild: shutterstock

Systemwechsel: Sollen Jüngere weniger und Ältere mehr für die Krankenkasse bezahlen?

Jugendliche (19 bis 25 Jahre) sollen 35 Prozent weniger zahlen, junge Erwachsene (26 bis 35) 11 Prozent. Im Gegenzug müssten alle anderen 7 Prozent höhere Prämien berappen. So will die Groupe Mutuel die Generationensolidarität retten.  
02.08.2015, 05:5902.08.2015, 09:15
othmar von matt / schweiz am Sonntag
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Ein Artikel von Schweiz am Sonntag
Schweiz am Sonntag

Das Modell hat es in sich. Um die Generationensolidarität bei der obligatorischen Krankenkasse nicht zu strapazieren, schlägt die Groupe Mutuel eine massive Entlastung junger Prämienzahler zwischen 19 und 25 Jahren vor. Gleichzeitig fordert der Krankenversicherer, eine neue Altersklasse für junge Erwachsene (26 bis 35) einzuführen. Auch sie hätte Anspruch auf reduzierte Prämien – weil es bei ihnen oft um junge Eltern geht.  

«Die Solidaritätsbeiträge der Jungen an die Älteren sind enorm», sagt Thomas Grichting: Generalsekretär und Mitglied der Generaldirektion der Groupe Mutuel. Die Finanzierung des Krankenversicherungssystems müsse renoviert werden. Es sei «nicht zukunftstauglich» – wegen der Kostenentwicklung und der demografischen Herausforderungen. Renoviere man das System nicht, «wird die Solidarität gefährdet», glaubt Grichting. «Dann könnten politische Kurzschlussmassnahmen salonfähig werden.» 

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Deshalb schlägt die Groupe Mutuel ein modifiziertes Generationenmodell vor. Jugendliche von 19 bis 25 sollen nicht mehr 100 Prozent ausgleichen müssen zwischen den Durchschnittskosten der eigenen Altersklasse und jenen aller Erwachsener. Sondern nur noch 50 Prozent. Auch die jungen Erwachsenen (26 bis 35) müssten weniger Solidaritätsbeiträge bezahlen: statt 100 Prozent wie heute nur noch 80 Prozent. Jenen Teil, den Jugendliche und junge Erwachsene nicht mehr tragen, müssten alle Versicherten über 35 Jahre übernehmen.  

Prämienverbilligungen gezielter an Bedürftige ausschütten

Nur: Welche Auswirkungen hätte dieses Modell auf die Prämien? Die Groupe Mutuel hat sie anhand der Zahlen der Risikoausgleichsstatistik von 2012 errechnet. Sie kommt zum Schluss, dass die Monatsprämien für Jugendliche (19 bis 25) für 2010 von 260 auf 170 Franken gesunken wären. Das entspricht einer Reduktion von 90 Franken oder 34,6 Prozent. Die Prämie junger Erwachsener (26 bis 35) wäre von 260 auf 231 Franken gesunken. Reduktion: 11 Prozent. Auffangen müssten dies alle Versicherten über 35 Jahre. Deren Prämie würde sich um 19 Franken oder 7,4 Prozent erhöhen.  

Rechnet man das Modell auf 2030 hoch, profitieren Jugendliche und junge Erwachsene noch stärker. Müssten sie nach altem System 670 Franken berappen, kämen Jugendliche mit dem neuen System auf 401 Franken (40 Prozent weniger), junge Erwachsene auf 578 Franken (13,8 Prozent weniger). Versicherte über 35 Jahre hingegen müssten 47 Franken oder 7 Prozent mehr berappen.  

Rechne, rechne, rechne. Die Prämien für Jugendlichen würden um 90 Franken sinken, die für junge Erwachsene um knapp 30 Franken. 
Rechne, rechne, rechne. Die Prämien für Jugendlichen würden um 90 Franken sinken, die für junge Erwachsene um knapp 30 Franken. Bild: KEYSTONE

Bei der Groupe Mutuel geht man davon aus, dass dank dem Systemwechsel Prämienverbilligungen gezielter an Bedürftige aller Alterskategorien ausgeschüttet werden könnten. «Der Vorschlag, die Prämien für junge Erwachsene zu senken, würde das Prämienverbilligungssystem entlasten», sagt Grichting. «Und es würde einen zielgerichteten Einsatz der freigewordenen Mittel von rund einer Milliarde Franken für wirtschaftlich schwächere Versicherte aller Altersklassen ermöglichen.»  

Auch im Parlament werden Revisionen gefordert

Wie weit das System angepasst werden sollte, wird zurzeit auch in der Subkommission Krankenversicherungsgesetz (KVG) der gesundheitspolitischen Kommission (SGK) debattiert. Zwei parlamentarische Initiativen machen eine Revision notwendig. In einer verlangt CVP-Nationalrätin Ruth Humbel (AG) eine Prämienbefreiung für Kinder und fordert zudem, Jugendliche bis 25 Jahre sollen eine reduzierte Erwachsenenprämie bezahlen. SP-Nationalratspräsident Stéphane Rossini (VS) wiederum fordert, die Prämienkategorien für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene zu ändern.  

Heute unterscheidet das KVG drei Alterskategorien: Kinder (0–18 Jahre), junge Erwachsene (19–25 Jahre) und Erwachsene (ab 26 Jahren). Rossier möchte, dass es in Artikel 61 künftig heisst: «Für Versicherte bis zum vollendeten 20. Altersjahr (Kinder und Jugendliche) und für Versicherte bis zum vollendeten 25. Altersjahr (junge Erwachsene) hat der Versicherer eine tiefere Prämie festzusetzen als für ältere Versicherte.»  

Ist eine neue Alterskategorie tatsächlich nötig?

Inzwischen hat sich die Subkommission weitgehend auf eine Linie geeinigt. Prämien von Kindern sind wohl auch künftig nicht gratis. «Sie sollen aber nochmals massiv entlastet und mit Prämienverbilligungen steuerfinanziert werden», sagt Ruth Humbel, Präsidentin der Subkommission. «Diese Entlastung via Prämienverbilligungen erfolgt kostenneutral, weil weniger Mittel für Jugendliche eingesetzt werden müssen.» Gleichzeitig sollen die Prämien von Jugendlichen (19 bis 25) gesenkt werden, indem sie beim Risikoausgleich um 50 Prozent entlastet werden. Berappen müssten die Entlastungen die Versicherten über 26 Jahre. Ihre Prämie würde um 2 Prozent steigen.  

Ruth Humbel beim Impfen. Die Nationalrätin bezweifelt, ob eine neue Alterskategorie geschaffen werden muss. 
Ruth Humbel beim Impfen. Die Nationalrätin bezweifelt, ob eine neue Alterskategorie geschaffen werden muss. Bild: KEYSTONE

Auch der Vorschlag der Groupe Mutuel bleibt im Rennen. «Wir haben ihn von bürgerlicher Seite her als Minderheitsantrag eingereicht», sagt SVP-Nationalrat Jürg Stahl (ZH), Leiter des Service Centers Zürich Oerlikon der Groupe Mutuel und Mitglied der Direktion.  

Humbel steht dem Vorschlag kritisch gegenüber. «Mir fehlt das Grundlagenmaterial dafür, dass eine neue Alterskategorie für junge Erwachsene von 26 bis 35 Jahren tatsächlich nötig ist», sagt sie. Familien hätten die grössten Belastungen oft erst später. Sie wirbt für ihre eigene Lösung: «Damit würden Familien auf jeden Fall entlastet.» Welche Variante in die Kränze kommt, wird sich bald zeigen. Schon im Oktober oder im November, bestätigt Humbel, kommt der Bericht in die Gesamtkommission.  

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