Schweiz
Gesundheit

Spitalplanung: Ständerat entzieht Kantonen Kompetenzen

Der Ständerat wagt eine kleine Revolution in der Gesundheitspolitik

Die Kantonsvertreter gelten als Hüter des Föderalismus. Doch selbst sie ziehen nun die Schraube bei der überregionalen Spitalplanung an - weil die Kantone zu lange untätig bleiben.
20.03.2025, 09:12
Anna Wanner / ch media
Mehr «Schweiz»

Es gibt in der Schweiz zu viele Spitäler, da sind sich die meisten Politikerinnen und Politiker einig. Eine Konzentration findet zwar statt, wie Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider am Mittwoch im Ständerat sagte. «Die Zahl der Betten sinkt. Und es findet eine Bewegung von kleinen hin zu grösseren Strukturen statt.»

Bed of a patient at the intensive care unit of the clinic in Flawil in the canton of St. Gallen, Switzerland, pictured on June 25, 2009. The Clinic Flawil is the acute care hospital of the Cantonal Ho ...
Paradigmenwechsel in der Gesundheitspolitik: Wer bestimmt, wie viele Spitalbetten es gibt und welche Medizin in den hiesigen Spitälern angeboten wird?Bild: KEYSTONE

Doch dem Ständerat reicht diese Politik der kleinen Schritte nicht: Mit überwältigender Mehrheit und ohne Gegenrede aus dem Plenum entschieden die Kantonsvertreter mit 41 zu 2 Stimmen, die Schraube anzuziehen. Konkret müssen die Kantone nicht nur die Spitalplanung, sondern auch die Leistungsaufträge innerhalb von Versorgungsregionen aufeinander abstimmen. Falls sie dem Auftrag nicht nachkommen, soll der Bund die Planung übernehmen.

In der Gesundheitspolitik bedeutet dieser Entscheid eine kleine Revolution. Denn die Verfassung gibt vor: Die Gesundheitsversorgung obliegt den Kantonen. Und sie verteidigten diesen Föderalismus bisher auch auf nationaler Ebene. So war der Thurgauer Gesundheitsdirektor Urs Martin noch Anfang Jahr überzeugt, dass eine überregionale Planung «spätestens im Ständerat scheitern» würde.

Gärtlidenken führt zu Überkapazitäten

Jetzt hat sich genau dieser Ständerat für eine Verschärfung entschieden. Nach den Gründen braucht man nicht lange zu suchen: Die Spitalkosten machen rund einen Drittel der Gesundheitskosten von bald 100 Milliarden Franken jährlich aus. Und angesichts der hohen Dichte an Spitälern in gewissen Gebieten macht eine bessere Absprache durchaus Sinn.

SVP-Ständerätin Esther Friedli (SG) erklärte stellvertretend für die Kommission: «Das kantonale Gärtlidenken führt zu einem schädlichen Wettbewerb.» So würden Angebote unkoordiniert ausgebaut, dadurch erzeugten die Spitäler Überkapazitäten, die wiederum zu unnötigen Behandlungen und zunehmenden Gesundheitskosten führen. «Die Kantone müssen jetzt verbindlich verpflichtet werden, überregional zu planen.»

Esther Friedli, SVP-SG, spricht waehrend der ausserordentlichen Session zum Thema Asyl, an der Fruehjahrssession der Eidgenoessischen Raete, am Donnerstag, 13. Maerz 2025 im Staenderat in Bern. (KEYST ...
SVP-Ständerätin Esther Friedli.Bild: keystone

Kurz: Der Geduldsfaden ist gerissen. Die nationale Politik will dem Lavieren der Kantone nicht mehr länger zuschauen. Dass die Gesundheitsdirektoren daran keine Freude haben, erklärte der Basler Gesundheitsdirektor Lukas Engelberger jüngst in einem Meinungsbeitrag: Es werde unterschlagen, dass die stationären Spitalkosten zuletzt kaum gewachsen seien.

Lukas Engelberger, Regierungsvizepraesident Kanton Basel-Stadt, spricht waehrend einer Medienkonferenz zur Aenderung des Bundesgesetzes ueber die Krankenversicherung (KVG), am Freitag, 11. Oktober 202 ...
Basler Gesundheitsdirektor Lukas Engelberger.Bild: keystone

Ausserdem gebe es bessere Anknüpfungspunkte, um den Wettbewerb zwar hochzuhalten, aber Überkapazitäten zu vermeiden, erklärt der Präsident der kantonalen Gesundheitsdirektorenkonferenz weiter. Als Beispiele nennt er, die Beschwerderechte der Spitäler einzuschränken, wenn sie einen Leistungsauftrag vom Kanton nicht mehr erhalten. Oder den Vertragsspitälern, die nicht auf den kantonalen Spitallisten stehen, die Abrechnung über die obligatorische Krankenversicherung zu verbieten.

Den Kantonen bleibt noch eine Chance

Das Lobbying kommt zu spät – oder gar nicht an. Womöglich wurden die kantonalen Regierungen vom Vorstoss auch überrumpelt: Diesen hat die ständerätliche Kommission im Januar erarbeitet, zwei Monate später ist er durch den ersten und entscheidenden Rat. Dass die Verschärfung im Nationalrat scheitern wird, ist eher unwahrscheinlich.

Der zeitliche Druck ist gewollt, wie Friedli weiter ausführt: «Die auf 2022 angepasste Verordnung zur interkantonalen Koordination der Spitalplanung zeigt bisher keine Wirkung.» Der Ständerat will nun den Druck erhöhen, damit die Kantone selber in die Gänge kommen.

Andere, schärfere Vorstösse zur überregionalen Planung stehen im Parlament noch zur Diskussion. Friedli sagt, dass die Kommission diese noch zurückhalte, weil die Kantone bis Ende Jahr Zeit hätten, die Spitalplanung zu koordinieren. Der Ständerat hält den Gesundheitsdirektoren also das Messer an den Hals. Bis dahin steht es in der Macht der Kantone, die Hoheit in der Spitalplanung zu halten.

Dass der Wind im Ständerat gekehrt hat, beweist nicht nur diese neue Drohkulisse. Auch ein Votum des Bündner FDP-Ständerats Martin Schmid zur Zusammenarbeit der Kantone in der spezialisierten Medizin lässt aufhorchen. «Ich habe mich bisher immer dagegen gewehrt, dass man eine nationale Spitalplanung macht.» Er sei für die Kantone eingestanden. Nun stelle er sich aber die Frage, ob eine nationale Planung nicht «konsequenter und besser» wäre. (les)

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Röntgenbilder, die viel Raum für Spekulationen lassen
1 / 25
Röntgenbilder, die viel Raum für Spekulationen lassen
«Bis zur Unendlichkeit und noch viel weiter!»
quelle: imgur
Auf Facebook teilenAuf X teilen
Jede dritte Blutvergiftung bei Kindern entsteht im Spital
Video: srf
Das könnte dich auch noch interessieren:
18 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
El_Chorche
20.03.2025 09:47registriert März 2021
In welchen Bereichen macht der Kantönligeist eigentlich noch Sinn?
473
Melden
Zum Kommentar
avatar
E Bebby vom Rhy
20.03.2025 11:12registriert Mai 2019
Der Bund sollte mal langsam erkennen was Bundessache ist: Gesundheit, Bildung, Energie, Wasser!
350
Melden
Zum Kommentar
avatar
Pumba
20.03.2025 09:40registriert Januar 2018
Sind wir ehrlich: Tradition ist kein Argument, um am Föderalismus festzuhalten. Dieser ist für das Gesundheitswesen in einem so kleinen Land wie die Schweiz Gift und sollte zumindest in dem Bereich abgeschafft werden. Mit einer nationalen Regelung könnte man sehr viel Geld (weniger, dafür aufeinander abgestimmte Spitäler, einheitliches IT System, Bürokratieabbau, Förderung der Produktivität) einsparen. Da möchten die Gesundheitsdirektoren einfach ihre Macht nicht verlieren.
251
Melden
Zum Kommentar
18
    Stadt Zürich senkt die Mieten der städtischen Wohnungen

    Gute Nachrichten für die 10'000 Mieterinnen und Mieter einer städtischen Wohnung in Zürich: Ihre Miete wird tiefer. Grund ist die Senkung des Referenzzinssatzes von 1,75 auf 1,5 Prozent.

    Zur Story