Schweiz
Gleichstellung

Inklusion: Menschen mit Beeinträchtigungen machen Druck auf Bundesrat

Maud Theler, Vorstandsmitglied von Agile, leitende Sozialarbeiterin, Vorstandsmitglied von Cerebral Wallis, Praesidentin des Forums Handicap Valais/Wallis und Walliser Grossraetin, rechts, spricht vor ...
Während der Session gab es auf dem Bundesplatz eine Manifestation für die Inklusionsinitiative – mit Mitte-Nationalrat Philipp Kutter (von links), SP-Nationalrat Islam Alijaj und Mitte-Nationalrat Christian Lohr.Bild: keystone

Mehr Inklusion: Menschen mit Beeinträchtigungen machen Druck auf Bundesrat

Der Bundesrat schickt am Mittwoch den indirekten Gegenvorschlag zur Inklusionsinitiative in die Vernehmlassung - und stellt sich bereits auf grosse Widerstände ein. Denn er begrenzt die Initiative stark.
25.06.2025, 22:3325.06.2025, 22:33
Othmar von Matt / ch media
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Die Hoffnungen waren gross. Doch inzwischen scheint Islam Alijaj ernüchtert. «Unsere Befürchtung ist, dass wir eine historische Chance verpassen», sagt der SP-Nationalrat, der wegen einer Cerebralparese seit Geburt im Rollstuhl sitzt. Alijaj gilt als Vorreiter der Bewegung von Menschen mit Beeinträchtigungen.

Mitstreitende im September 2024 eingereicht haben. Am Mittwoch schickt der Bundesrat einen indirekten Gegenvorschlag in die Vernehmlassung.

Die Initianten befürchten, der Bundesrat schwäche ihr Anliegen massiv ab. Deshalb kündigen sie im Vorfeld Widerstand an. «Sollten unsere Befürchtungen eintreffen, werden wir den Druck als inklusive Bewegung massiv erhöhen», sagt Alijaj. «Damit Bundesrat und Parlament den Mut bekommen, eine echte Gleichstellung zu erreichen. Die Ausgrenzung muss endlich vom Tisch.»

Die Initiative definiert drei Schlüsselbereiche. Erstens sollen Menschen mit Beeinträchtigungen frei wählen können, wo und mit wem sie wohnen. Zweitens fordert die Initiative die personelle Assistenz als Basis für ein selbstbestimmtes Leben. Drittens wollen die Initianten einen Systemwechsel. Alijaj: «Wir müssen wegkommen von getrennten Strukturen beim Wohnen, bei der Arbeit und bei der Bildung.»

Der indirekte Gegenvorschlag begrenzt sich auf das Wohnen

Recherchen zeigen: Die Befürchtungen der Initianten sind berechtigt. Der Bundesrat beschränkt sich im indirekten Gegenvorschlag auf ein Thema: das Wohnen. Das Problem der getrennten Strukturen bei Arbeit und Bildung bleibt aussen vor. Das deutete sich bereits Ende 2024 in einer Medienmitteilung des Bundesrats an.

Der erste Teil des indirekten Gegenvorschlags sei ein neues nationales Rahmengesetz zur Inklusion von Menschen mit Behinderungen, hiess es darin. Und: «Das Gesetz formuliert Grundsätze für den Bereich des Wohnens.» Der zweite Teil umfasse eine IV-Teilrevision mit verbessertem Zugang zu modernen Hilfsmitteln wie Hörgeräten oder Prothesen.

Aus dem Innendepartement ist zu hören, man habe den Fokus beim Gegenvorschlag zur sehr breit angelegten Inklusionsinitiative gezielt auf das Wohnen gelegt, das zentrale Anliegen der Initianten. Klar ist auch: Das Innendepartement darf den Gegenvorschlag nicht überladen, um ihn in einer Regierung mit SVP-FDP-Mehrheit durchzubringen.

Das Innendepartement bereitet sich auf grossen Widerstand vor

Dass die Initianten auf die Barrikaden steigen werden, ist im Innendepartement klar – man bereitet sich auf grossen Widerstand vor. Dieser dürfte in der Tat folgen. «Bringt der Bundesrat den Mut nicht auf, eine echte Gleichstellung umzusetzen, zementieren wir die Ausgrenzung für Jahrzehnte», sagt Islam Alijaj.

Für Mitte-Nationalrat Philipp Kutter – er sitzt seit einem Skiunfall im Rollstuhl – ist es «unverständlich», dass im Gegenvorschlag das Thema Arbeit fehlt. Gerade, wenn man an den Fachkräftemangel denke, sagt er. Dafür brauche es Anreize. So sollten Unternehmen steuerlich entlastet werden, die Menschen mit Beeinträchtigungen einstellen. Zudem müssten Fehlanreize beseitigt werden. «Viele Menschen mit Beeinträchtigungen arbeiten nicht zu viel, weil sie befürchten, sie könnten im Zweifelsfall nicht in die IV zurück.»

Innenministerin Elisabeth Baume-Schneider liegt die Initiative allerdings persönlich am Herzen. Das sagen mehrere Involvierte – und das zeigt auch eine Aussage, die sie im Paraplegiker-Zentrum Nottwil machte: «Inklusion ist ein Gewinn für die Gesellschaft.»

Wir haben Philipp Kutter auf seinem Arbeitsweg begleitet:

Video: watson/david indumi
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