Grünen-Präsident Balthasar Glättli zieht die Konsequenzen aus der Wahlschlappe seiner Partei: Er tritt nach weniger als vier Jahren im Amt zurück. Er werde sich im Frühling 2024 nicht mehr zur Wiederwahl stellen, so der 51-Jährige. Für einen neuen Aufschwung brauche es neue Kräfte an der Parteispitze.
Das teilten die Grünen am Dienstag mit, nachdem das Schweizer Radio (SRF) darüber berichtet hatte. Eigentlich wollte Glättli den Rücktritt erst nach den Bundesratswahlen vom 13. Dezember ankündigen, um die Kampfkandidatur von Gerhard Andrey auf einen FDP-Sitz nicht zu stören. Nun sickerte die Nachricht bereits früher durch.
Die Grünen hatten bei den Parlamentswahlen fünf Sitze im Nationalrat und 3,4 Prozent Wähleranteile verloren. Im Ständerat büssten sie am letzten Wochenende gleich zwei Sitze ein und besetzen neu noch deren drei.
Glättli meint: «Ich bin das Gesicht dieser Niederlage.» Die Grünen hätten es verdient, mit einem neuen Gesicht in einen neuen Aufschwung starten zu können.
Der Zürcher Nationalrat hatte seinen Rücktritt der Geschäftsleitung der Grünen bereits am Tag nach den nationalen Wahlen vom 22. Oktober 2023 mitgeteilt, wie die Partei schrieb. Die Information des nationalen Vorstands und der Fraktion erfolgte demnach Anfang November.
«In einer Partei gibt es die Verantwortung, im richtigen Moment nach vorne zu stehen und Herausforderungen anzunehmen», liess sich Glättli in der Mitteilung zitieren. «Und es gibt die Verantwortung, im richtigen Moment einen Schritt zurück zu machen.» Es sei nun an der Zeit, den Stab weiterzugeben.
Glättli prägte die Grünen ein Jahrzehnt lang massgeblich. Seit 2013 war er Fraktionspräsident, 2019 hat er die Partei als Co-Wahlkampfleiter zu ihrem historischen Wahlerfolg geführt. Und ab 2020 führte er die Grünen als Präsident durch krisenreiche Zeiten.
Ein Erfolg von Glättli war die deutliche Annahme des Klimaschutz-Gesetzes durch das Stimmvolk – war er doch Miterfinder und Mitinitiant der Gletscher-Initiative. Trotz der Wahlniederlage vom Oktober sind die Grünen während Glättlis Amtszeit stärker gewachsen denn je zuvor: Noch nie zuvor hatte die Partei so viele Mitglieder.
Dennoch hatten die Grünen bei den Wahlen 3,4 Prozentpunkte an Wähleranteil verloren. Sie stellen in der kommenden Legislatur fünf Mitglieder weniger im Nationalrat. Auch im Ständerat dürfte die Sitzzahl von fünf auf drei schrumpfen.
Ein Teil der Wählerschaft wanderte vier Jahre nach der historischen Klima-Wahl an die SP ab, wie Nachwahlbefragungen zeigten. Andere Sympathisanten der Grünen gingen demnach im Unterschied zu 2019 nicht mehr wählen. Zu diesen Befunden sagte Glättli im SRF-Beitrag, dass seine Partei vielleicht einen thematisch zu engen Wahlkampf geführt habe.
Die Wahlschlappe seiner Partei sei aber nicht nur auf seine Person zurückzuführen, so wie er im Herbst 2019 auch nicht alleine dafür verantwortlich gewesen sei für das historische Bestresultat der Grünen, sagte Glättli weiter.
Betreffend Nachfolge sagte Glättli, dass er sich ein Führungsduo gut vorstellen könne. Die Parteispitze solle jünger und weiblicher werden. Den Entscheid über die neue Parteileitung fällen die Delegierten der Grünen an ihrer Versammlung vom 6. April 2024.
Er selbst werde sich – als bestgewählter grüner Nationalrat aus Zürich – weiterhin im Parlament engagiert einbringen, schrieb Glättli. Als Partei müssten die Grünen den Misserfolg hinter sich lassen und neu aufbrechen. «Das können wir mit neuen Gesichtern.»
(mlu/sda)