Das kryptische Schreiben flatterte dieser Tage in die Briefkästen. Die Zuger Kantonalbank hat die Kundschaft über wichtige Änderungen in den Hypothekarverträgen informiert. Es sei eine Anpassung nötig, um «den neuen Anforderungen der Schweizerischen Nationalbank bezüglich Liquiditätsversorgung gerecht zu werden», heisst es in dem Brief, der CH Media vorliegt. Eine Ergänzungsvereinbarung zum Hypothekarvertrag sei bis Ende Mai unterzeichnet an die Bank zurückzusenden.
Bei solchen Aufforderungen werden Schweizer Kundinnen und Kunden naturgemäss stutzig, vor allem wenn der Vertragszusatz solche Sätze enthält: «Die Bank ist berechtigt, das Kreditverhältnis und insbesondere die Kreditforderungen mit dafür bestehenden Sicherheiten ganz oder teilweise sicherungs- oder erfüllungshalber an einen Dritten in der Schweiz zu übertragen oder zu verpfänden, wie etwa zum Zweck der Refinanzierung oder des Risikotransfers oder zwecks Auslagerung oder Verkauf.» In einem weiteren Dokument ist explizit davon die Rede, dass eine «Veräusserung von Hypotheken an Dritte» möglich ist, wenn dies der Bank dazu dient, Kreditrisiken zu reduzieren. Ein besorgter Leser meldete sich bei CH Media und fragt sich: «Wie sicher ist diese Bank, wenn sie jetzt versucht, Hypotheken an Dritte zu verkaufen?»
Die Frage ist mehr als berechtigt. Banken, die Hypotheken verkaufen – das erinnert an die dunklen Zeiten der Finanzkrise 2007, als diese Praxis vor allem in Amerika üblich war. Auch die Schweizer Grossbanken verbrannten sich damit mehr als nur die Finger.
Doch so bedrohlich, wie sich der Kunde der Zuger Kantonalbank die Situation vorgestellt hat, ist sie nicht. Wie sich herausstellt, ist der Hintergrund eine Initiative der Nationalbank namens «Liquidität gegen hypothekarische Sicherheiten» (LGHS). Dieses SNB-Programm dient nicht der alltäglichen Liquiditätssteuerung, sondern ist ein Instrument für den Krisenfall. Es sieht vor, dass Geschäftsbanken im Notfall kurzfristig liquide Mittel von der SNB erhalten können, wenn sie sich nicht mehr am Markt refinanzieren können. Die Nationalbank wirkt dabei als Kreditgeberin in letzter Instanz, als «Lender of Last Resort», wie es im Fachjargon heisst. Im Gegenzug verpfänden die Geschäftsbanken der SNB die Schuldbriefe der Hypotheken.
LGHS richtet sich nur an nicht systemrelevante Banken. Die systemrelevanten Banken UBS, Raiffeisen, Zürcher Kantonalbank und Postfinance sind schon seit längerem an die sogenannte ELA-Fazilität angeschlossen (Emergency Liquidity Assistance) und können neben hypothekarischen Sicherheiten auch Wertschriften einliefern. Den nicht systemrelevanten Banken hat die SNB nach Angaben einer Sprecherin «nachdrücklich empfohlen, an LGHS teilzunehmen und ein für Krisensituationen ausreichendes Volumen an Sicherheiten vorzubereiten».
Neben der Zuger Kantonalbank sind diverse Finanzinstitute wie etwa die Valiant derzeit an der Umsetzung der Massnahmen im Kontext von LGHS. Grundvoraussetzung dafür ist, dass der digitale Register-Schuldbrief der Hypothek auf die Infrastrukturbetreiberin SIX als neue Treuhandverwaltung übertragen wird. Trotz Gläubigerwechsel im Grundbuch bleibt der Kreditvertrag zwischen Kunde und Bank bestehen.
Als erste nicht systemrelevante Bank erfüllt die Migros Bank schon seit dem ersten Halbjahr 2024 die Anforderungen der SNB. Die Luzerner Kantonalbank macht derzeit «umfassende Vorabklärungen» bezüglich LGHS, wie eine Sprecherin sagt. In der neuen Eignerstrategie des Kantons äussert der Luzerner Regierungsrat gar die explizite Erwartung, dass die LUKB an der LGHS-Initiative teilnimmt. Kein Einzelfall, wie sich zeigt: Auch die St.Galler Regierung schreibt vor, dass sich die Kantonalbank am SNB-Programm beteiligt.
Die Übertragbarkeit von Hypotheken an Dritte wird also schon bald in den allermeisten Hypothekarverträgen vermerkt sein, wenn es nicht heute schon der Fall ist. So wird zum Beispiel die Nidwaldner Kantonalbank demnächst mit der Anpassung der vertraglichen Grundlage für die mögliche Umsetzung von LGHS beginnen. «Im Zuge dessen werden die Hypothekar- und Kreditverträge um eine Übertragbarkeitsklausel ergänzt, die eine zentrale Anforderung in diesem Kontext darstellt», bestätigt ein Sprecher.
Die Finanzinstitute sprechen von Übertragung oder Verpfändung, doch die Erläuterungen im Merkblatt der Zuger Kantonalbank zeigen, dass rein theoretisch mit der Einräumung des Rechts, das Kreditverhältnis an einen Dritten zu übertragen, mehr möglich wäre als die reine Teilnahme am SNB-Programm. Die Zuger Kantonalbank betont jedoch: «Es ist nicht geplant, Hypotheken an Dritte zu verkaufen. Mit den Änderungen in den Verträgen schaffen wir die Grundlage, um Kreditforderungen gegenüber unseren Kunden im Krisenfall als Sicherheit an die Nationalbank zu übertragen, um so kurzfristig liquide Mittel zu erhalten», sagt ein Sprecher. Die Vertragsänderungen seien eine regulatorisch gewünschte vorsorgliche Massnahme für mögliche Krisenfälle.
Doch genau das wird vertraglich nicht eingegrenzt. Warum?
Weil weder SNB noch FINMA noch Politik es von den Banken verlangen.
Man nennt es "Vorsorge für den Krisenfall", meint aber: volle Flexibilität für alle Fälle. Aus genau solchen Spielräumen entstand einst die US-Hypothekenkrise