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«Killerclowns»: Ein Phänomen, das eigentlich gar keines ist

A person dressed in a clown costume stands amongst attendees during the Greenwich Village Halloween Parade in Manhattan, New York, U.S., October 31, 2016. REUTERS/Andrew Kelly
Alle fürchten sich vor den «Horror-Clowns».Bild: ANDREW KELLY/REUTERS

So funktioniert das (Möchtegern-)Phänomen der «Killer-Clowns»

Es ist wie beim «Bachelor»: Jedes Jahr wiederholt sich das gleiche Theater um einen Haufen Clowns. Pünktlich vor Halloween taucht das «Killer-Clown»-Phänomen auf – und verschwindet, so schnell es gekommen ist.
02.11.2016, 08:0702.11.2016, 15:16
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Sie sind die neue Geissel an Halloween: «Killer-Clowns». Jedes Jahr werden sie kurz vor dem Volksbrauch zum Thema. «Düstere Clowns verbreiten Angst und Schrecken», schreibt «20 Minuten» im Oktober. Kurz vor Halloween spricht die Stadtpolizei Zürich gegenüber «Radio Zürisee» von drei Sichtungen solcher «Horror-Clowns».

Nun soll in Essen in Deutschland ein Jugendlicher von einem Horror-Clown niedergestochen worden sein, wie die «Bild» schreibt. Im Artikel wird dieser Tweet gezeigt:

Die Fakten: Ein Jugendlicher geriet am «Zombiewalk» mit einem 30-Jährigen in eine Auseinandersetzung, der sein Gesicht geschminkt hatte. Der Jugendliche wurde dabei leicht verletzt und schwebt nicht in Lebensgefahr. Die Polizei Essen hat dazu nicht einmal eine Medienmitteilung herausgegeben. Trotzdem greifen viele Medien, auch in der Schweiz, den Artikel auf.

Das Medienphänomen der «Killer-Clowns» hat seinen Anfang 2014 genommen. Damals waren mehrere Berichte auf den sozialen Medien über «Attacken» von Clowns auf unbeteiligte Passanten in den USA aufgetaucht. Als auch solche Meldungen auf französischen Facebook-Seiten auftauchten, waren die «Horror-Clowns» der Schweiz schon bedrohlich nahe.

Es folgte der 29. Oktober 2014: Erste Horror-Clowns wurden in der Westschweiz gesichtet. Die Schweiz verfällt einer «Massenpsychose». Mehrere Zeitungen verfassen in kurzer Zeit Artikel dazu:

Bild
bild: watson

Sogar die «NZZ» schrieb von «aggressiven Clowns», die ihr Unwesen treiben.

Was war passiert? In den USA hatten ein paar Jugendliche Freude daran, als Clowns verkleidet Passanten zu erschrecken und zu filmen. Der Trend schwappte nach Europa über, in Frankreich begannen ein paar Jugendliche diese Videos nachzuahmen. In einigen wenigen Fällen kam es dabei zu körperlichen Übergriffen. In Montpellier zum Beispiel hatte ein Clown einen 35-jährigen Passanten brutal zusammengeschlagen. Solche Zwischenfälle blieben aber stets die Ausnahme.

Unterdessen formten sich in Frankreich und auch in der Schweiz aber Facebook-Gruppen, in denen zur gewaltsamen Gegenwehr gegen solche Clowns aufgerufen wird. Auch auf Youtube tauchten unzählige Killer-Clowns-Videos auf, die meisten unglaublich schlecht gefaked.

Achtung viel gefaketes Geschrei:

Die Situation drohte zu eskalieren und die Nacht der Schrecken, Halloween, stand erst noch bevor. Und dann?

Es passierte nichts.

Die «NZZ» schreibt am 2. November 2014 von «einer Nacht voller Unfug». In Yverdon-les-Bains sollen «ein paar wenige verkleidete Clowns ihr Unwesen» getrieben haben. Das wars, die Show ist aus.

Dasselbe passierte auch im Jahr 2015 und in abgemilderter Form dieses Jahr. «Eher ruhige Halloween-Nacht in der Schweiz», lautet das Fazit der Polizeimeldungen am Dienstag nach Halloween. Der «Verkleidungstrend Horror-Clown» sei zwar auch dieses Jahr wiedergekehrt, doch von einer Ausnahmesituation keine Spur.

Sind die Filme schuld?

«Horror-Clowns» sind seit Stephen Kings verfilmten Roman «It» ein beliebtes Sujet für Kinofilme. Demnächst soll eine Neuverfilmung erscheinen. Auch 2013, 2014 und 2016 erschienen drei Filme der Reihe «The Purge» in den Schweizer Kinos, in denen Menschen mit Clowns-Masken auf den Strassen Amerikas «Säuberungen» betreiben.

Der Trailer von «The Purge: Election Year»

Nun aber haben die Leute langsam genug davon. So fordert der Erfinder der «Horror-Clowns», Stephen King, zu recht:

Die Erfindung des «Horror-Clowns»: Stephen Kings «It».
Die Erfindung des «Horror-Clowns»: Stephen Kings «It».bild: stephenkingit.com

Die Horror-Clowns werden wohl trotzdem nächstes Jahr wiederkehren. Doch hoffentlich nur noch als «Verkleidungstrend» oder auf der Kinoleinwand und nicht mehr als «nationale Massenpsychose». 

Beispiele für «Horror-Clowns»:

1 / 6
Horror-Clowns
Horror-Clowns, wie hier einer an Halloween in Mexiko, machen seit Ende Oktober 2014 Frankreich unsicher.
quelle: afp / ronaldo schemidt
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33 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Karl Müller
02.11.2016 08:41registriert März 2015
Mein Reden!

Aber liebes Watson, auch ihr habt völlig ungeprüft die Meldung weiterverbreitet von diesem "Killer-Clown", der auf eine Landmine getreten sei.

http://www.watson.ch/!193298123

Und als ich in die Comments geschrieben habe, dass die Ursprungsseite dieser Meldung doch eigentlich eindeutig als Fake-Seite zu identifizieren sei, wurde der Kommentar schlicht nicht veröffentlicht und der Artikel weder zurückgezogen noch ergänzt. Waren da Klicks doch wichtiger?
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Wehrli
02.11.2016 09:06registriert September 2016
Der Killerclown Erdoschnauz schreckt mit seiner Fratze gerade halb Europa. Am liebsten werden kleine Journalisten gefressen und Richter zu Kebabfleisch verdreht ...
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Bowell
02.11.2016 08:17registriert Mai 2014
Mein Beileid an alle Betroffenen, die es für nötig empfinden sich als Clown zu verkleiden um ihren Mitmenschen Angst einzujagen.
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