Im Jahr 2013 wurde der Nervenkampfstoff Sarin gegen Zivilisten der syrischen Hauptstadt Damaskus eingesetzt. Die internationale Empörung war gross. Präsident Bashar al-Assad willigte schliesslich ein, seine Chemiewaffen und deren Ausgangsstoffe zu zerstören.
Massgeblich beteiligt an der Vernichtungsaktion war das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) – rund eine Million Schweizer Franken wurde dafür beigesteuert.
Letztes Jahr wurde bekannt, dass wenige Monate danach Isopropanol und Diethylamin von der Schweiz nach Syrien exportiert wurden. Beide Substanzen können als Ausgangsstoffe für die chemischen Kampfstoffe Sarin und VX verwendet werden.
Ein Bericht der SonntagsZeitung offenbart nun brisante Details. Sie ist in den Besitz von Dokumenten gelangt, die belegen, dass die Firma Brenntag Schweizerhall AG hinter dem Export steht.
Die Dokumente offenbaren aber noch etwas anderes. Der Empfänger der Lieferung war die Firma Mediterranean Pharmaceutical Industries MPI – ein Lizenznehmer von Novartis. Das Basler Pharmaunternehmen erklärte, die Chemikalien dienten der Herstellung von Medikamenten.
Zwar können die beiden Substanzen tatsächlich für die Produktion von Arzneimitteln verwendet werden. Trotzdem ist es fraglich, warum jene Stoffe nach dem Einsatz von Sarin geliefert wurden. Und: Das für Exportkontrolle zuständige Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) hat die Lieferung genehmigt, obwohl der Empfänger nachweislich Beziehungen zu sanktionierten Personen und Firmen in der Entourage von Syriens Präsident Assad hat.
Der MPI-Vorsitzende Abdulrahman Attar unterhielt Geschäfte mit Assads Cousin Rami Makhlouf – und er ist laut der SonntagsZeitung ein «wichtiger Financier des Regimes». Makhlouf war zu jenem Zeitpunkt auf der Schweizer Sanktionsliste aufgeführt. Attar hingegen nicht.
Deshalb hatte man beim Seco offenbar keine Bedenken. Der Export der Brenntag Schweizerhall AG sei rechtens gewesen. «Wir sind an das Gesetz gebunden. Wir können einen Export nicht einfach wegen eines schlechten Gefühls ablehnen», rechtfertigt man sich beim Seco.
Inzwischen ist auch bekannt geworden, dass das EDA nicht über das Geschäft informiert wurde. «Wir waren überhaupt nicht auf dem Laufenden, was da geschieht. Wenn das Seco uns informiert hätte, hätten wir diese Lieferung natürlich abgelehnt», sagte ein Mitarbeiter.
Der Bundesrat forderte im April 2018 eine Aufklärung zur Endverwendung der gelieferten Stoffe. MPI übermittelte schliesslich ein paar Dokumente, die angeblich beweisen sollen, dass die chemischen Substanzen für die Produktion des Schmerzmittels Voltaren verwendet wurden.
Beim Seco war man zufrieden. Experten hingegen kritisieren, dass jenen Dokumenten keinen Glauben geschenkt werden darf. Allzu oft hätten Assad und sein Regime schon gelogen, wenn es um Chemiewaffen ging.
Das Seco gab sich in der Affäre immer sehr bedeckt und gab nur so viel Preis, wie ohnehin schon öffentlich bekannt war. So wurde nicht nur der Name der Exportfirma verschwiegen. Dass ebenfalls Diethylamin geliefert wurde, hat man gegenüber der SonntagsZeitung erst im Rahmen ihrer Berichterstattung eingeräumt.
Ob die chemischen Substanzen wirklich für die Medikamentenproduktion verwendet wurden, ist unbekannt. Zweifel kommen besonders wegen eines Hinweises auf dem Lieferschein auf. Die Brenntag Schweizerhall AG vermerkte, dass Diethylamin gemäss EU-Bestimmungen dafür nicht geeignet sei.
Ebenso ist unklar, welche Rolle Novartis in der ganzen Affäre spielt. Beide Unternehmen wollten keine Stellung zu den Vorwürfen nehmen. Chemiewaffenexperte Dan Kaszeta jedenfalls ist ausser sich. Würden die Substanzen in falsche Hände geraten, könnte das katastrophale Folgen haben. (vom)