Die junge Mutter rümpft die Nase. «Das ist aber eine kleine Küche. Es hat fast keine Schränke», sagt sie leise zu ihrem Mann. Ihre 7-jährige Tochter rennt aufgeregt von Raum zu Raum, zwischen den Beinen der anderen drei Interessenten und des Maklers hindurch. Ihre Schritte hallen laut in der leeren Wohnung. «Eine Geschirrspülmaschine hat es auch nicht. Ich weiss ja nicht… Für diesen Preis?», fügt die Mutter hinzu. Ihr Mann nickt.
Die Bedenken der Mutter sind nachvollziehbar. Doch genau an diesen erkennt man: Das ist die erste Wohnung, die diese Familie im Kanton Zug besichtigt. Die anderen Menschen, die an diesem Nachmittag die Wohnung aufsuchen, haben keine Anforderungen mehr an ihr künftiges Zuhause. Sie wollen einfach endlich eines finden. Und sind am Rande der Verzweiflung.
1’800 Franken plus 300 Franken Nebenkosten beträgt die Miete für die Altbauwohnung an zentraler Lage in der Stadt Zug. In zehn Gehminuten ist man am Bahnhof. Mit dem Bus sind es fünf Minuten.
Die Wohnung ist 75 Quadratmeter gross. Das alte Parkett hat Charme, die Zimmer sind hell, der Balkon ist sonnig, mit Blick auf den Zugerberg.
Das grosse Manko: die Küche. Sie ist kleiner als der Gangbereich, gerade einmal fünf Quadratmeter. Ihr Ausbaustandard: alt. Vier Elektroplatten als Herd, keine Geschirrspülmaschine, ein kleiner Kühlschrank, ein kleiner Backofen, kaum Stauraum.
Trotzdem tönt es bei einem älteren Ehepaar anders als bei der Familie. «Schön. Mehr brauchen wir nicht», sagt die Frau. Sie ist etwa 55 Jahre alt und hinkt. Ihr Mann ist auch zufrieden: «Es hat sogar einen Waschturm. Super!»
Nur 15 Minuten dauert die Besichtigung. Auf dem Weg in den Keller und zur Garage läuft man an der Eingangstür des Häuserblocks vorbei und sieht schon die nächste Gruppe warten. 21 solcher Besichtigungstermine hat der Makler den Wohnungssuchenden angeboten. Pro Termin konnten sich fünf Personen einschreiben. Macht insgesamt 105 Interessenten, die sich auf diese Wohnung bewerben könnten.
105. Diese Zahl hat auch das ältere Ehepaar für sich ausgerechnet, um abzuwägen, ob es sich bei so viel «Konkurrenz» überhaupt noch lohnt, anzureisen. Die Verzweiflung siegte, wie die beiden nach der Besichtigung vor dem Block erzählen. Seit einem Jahr sucht das Paar schon nach einer Wohnung für maximal 2'400 Franken Miete.
Die Frau ist IV-Bezügerin, der Mann «Allrounder». Er arbeitet «mal da, mal dort, mal auf dem Bau oder als Aushilfe bei einem Landwirt». Wo es ihn im Kanton Zug brauche. Darum ist das Paar auf eine Wohnung an zentraler Lage angewiesen. Zwischen seinen Jobs würde er sich gerne kurz zuhause hinlegen, etwas essen können. «Das geht nicht, wenn wir in einem anderen Kanton leben.»
Auch aus emotionalen Gründen wollen die beiden im Kanton Zug bleiben. Sie sind hier aufgewachsen. Ihr ganzes Umfeld – Freunde, Kinder, Grosskinder – lebt hier. Zumindest noch. Denn wie der Mann sagt:
Sechs Jahre haben die beiden in ihrer 3,5-Zimmerwohnung in Baar gewohnt. Miete: 1'700 Franken. Dann verkaufte ihre Verwaltung den Häuserblock und sie erhielten die Kündigung. Der neue Besitzer will total sanieren und die Mieten stark erhöhen. Seither ist das Paar verzweifelt auf der Suche. Versucht alles. Die Frau sagt:
Jede Absage sei ein Frust. Jedes Mal investiere man so viel Zeit: Darauf, einen Besichtigungstermin zu erhalten, dann um die Wohnung anzuschauen, die Bewerbungsformulare auszufüllen, ein Bewerbungsschreiben zu verfassen. So viel Mühe für nichts. Immer wieder.
Trotzdem wird sich das Paar auf die heute besichtigte Wohnung bewerben. Hoffnung auf einen positiven Bescheid hat es nicht. «Manchmal habe ich das Gefühl, die Ausländer werden bevorzugt!», ruft der Mann. Sein Gesicht läuft bei diesen Worten rot an, seine Augen werden wässrig. Tränen der Verzweiflung. Der Wut. Aber auf wen? Auf der Suche nach einem Sündenbock müssen «Ausländer» hinhalten.
Dass Zuzüger aus dem Ausland die Wohnungspreise im Kanton Zug in die Höhe steigen lassen, ist zwar ein Teil der Wahrheit. Aber nicht die Ganze. Mehr dazu konntet ihr im ersten Teil dieser Serie lesen:
An diesem Nachmittag kursiert auch die gegenteilige These: «Wir, mit unseren ausländischen Nachnamen, haben sowieso keine Chance.» Es ist ein junges Paar, das dies sagt. Ebenfalls auf verzweifelter Suche. Nach einer bezahlbaren Wohnung und nach dem Grund, warum es damit trotz guten, sicheren Jobs nicht klappt.
Sie ist Kanadierin und arbeitet als Psychologin. Er arbeitet im Marketing, ist in der Schweiz aufgewachsen. Sein Nachname hört jedoch mit «-ic» auf. Mehr möchte er nicht sagen.
Für ihre Jobs wollten die beiden vom Kanton Waadt in den Kanton Zug ziehen. Als Übergangslösung kamen sie bei seiner Mutter unter. Inzwischen dauert diese «Übergangslösung» sechs Monate an. Das belastet zunehmend die Beziehung der Mutter zu ihrem Sohn und ihrer künftigen Schwiegertochter.
Das Paar würde eigentlich gerne heiraten, mit der Familienplanung beginnen, die gemeinsame Zukunft gestalten. «Aber wie soll das gehen, ohne Wohnung?», sagt die Verlobte. Selbst ihre Hochzeit – ursprünglich auf den Dezember 2023 geplant – haben sie wegen der fehlenden Wohnung verschoben. Auf unbestimmte Zeit. «Nach der Hochzeit zurück in die Wohnung der Schwiegermutter gehen? So sollen wir unsere Hochzeitsnacht verbringen? Unser gemeinsames Leben starten? Nein», sagt die Verlobte und schüttelt den Kopf.
Maximal 2'500 Franken können die beiden für die Miete ausgeben, damit die Familienplanung noch aufgeht. Ihre Anforderungen an eine Wohnung sind mit jeder abgelehnten Bewerbung gesunken. Die Verlobte sagt:
Ob sie sich auf die heutige Wohnung bewerben werden, wissen sie noch nicht. «Bei so vielen Interessenten haben wir doch sowieso keine Chance», sagt er. Dann müssen die beiden los. Beim Gehen sprechen sie schon über den nächsten Besichtigungstermin, der diese Woche ansteht.
An diesem Nachmittag pilgern die unterschiedlichsten Menschen aus den unterschiedlichsten Beweggründen zur 2’100-Franken-Mietwohnung. Eine Geschichte ist deprimierender als die andere. Besonders im Gedächtnis bleibt aber das, was eine alleinerziehende Mutter erzählt.
Vor acht Monaten hat sie sich von ihrem Partner – dem Vater ihrer 2-jährigen Tochter – getrennt. Seither kommt sie mit ihrem Kind bei ihren Eltern in einer 4,5-Zimmerwohnung in Baar unter. Auch das: eine Übergangslösung.
Sie arbeitet in der Pflege in der Stadt Zug. Deshalb ist sie darauf angewiesen, dass ihre Eltern während ihrer unregelmässigen Schichten auf die Tochter aufpassen. Anders würde es nicht aufgehen. Die Miete von 2'100 Franken im Monat liegt eigentlich 100 Franken über ihrem Budget. Lachend sagt sie:
Galgenhumor. Günstigeren Wohnraum gäbe es in der Gegend ohnehin nicht.
Als Pflegerin sei schon das Ergattern eines Besichtigungstermins eine Herausforderung. «Eigentlich muss man noch in derselben Minute, in der das Inserat online geht, einen Besichtigungstermin buchen. Aber wie soll ich das während der Arbeit hinbekommen?» Ihr Leben bestehe nur noch aus Stress: Bei der Arbeit herrsche Pflegepersonalmangel, auf dem Wohnungsmarkt Wohnungsnot und zu Hause warteten Tochter und Eltern mit Ansprüchen, Bedürfnissen, Forderungen.
Mit einem bitteren Lächeln fügt sie an:
Dann schaut sie auf die Uhr. Sie muss los. Heute hat sie Nachtschicht. Im Pausenräumchen will sie das Bewerbungsformular für die Wohnung ausfüllen – sofern sie heute eine Pause einlegen kann – das Couvert am Morgen, nach der Schicht, einwerfen. Dann wird sie hoffen. «Etwas anderes bleibt mir nicht übrig. Irgendwann muss es doch auch für mich klappen.»
Der Mietmarkt ist zusammengebrochen. Es ist nicht mehr möglich Wohnungen zu finden. Ausser ab 4000.- mt.
Krankenkassenprämien werden in den nächsten Jahren mit 8 - 10% steigen.
Ďer ÖV und die Strassen kommen ob all der Menschen nicht mehr hinterher.
Und als Bonus: Alles ist so schweineteuer geworden. Ja, auch das Essen.
☝️ Den Büegerlichen geht das am &^%^^
☝️ Die SP ist im Gender und Klein Klein gefangen.
Es braucht einen Masterplan. Wer also ist zuständig?