Auf dem Bild sieht man Botschafterin Maya Tissafi, Chefin der Abteilung Mittlerer Osten und Nordafrika im Aussendepartement (EDA), vor einer iranischen Flagge. Ihr vis-à-vis sitzt Ali Asghar Kaji, Berater des iranischen Aussenministers. Die Diplomatin trägt ein Kopftuch, die beiden lächeln. Die Atmosphäre scheint entspannt.
Am 19. Februar hat die staatliche iranische Agentur Irna das Bild veröffentlicht. In einem kurzen Artikel schreibt sie, die Schweiz und Iran hätten die Entwicklungen im Jemen und in Syrien diskutiert. Iran habe unter anderem mehr Unterstützung der internationalen Gemeinschaft bei der Hilfe für die Erdbebenopfer in Syrien gefordert.
Dass bei dem Besuch in Teheran auch der von der Schweizer Diplomatie gerne hervorgestrichene Menschenrechtsdialog stattgefunden hat, steht nicht im Artikel. Das bestätigt das EDA erst auf Anfrage. Allerdings stammt das Foto nicht vom Menschenrechtsdialog, sondern von einem zweiten Treffen zu Themen wie der Lage in Syrien.
In regimekritischen Kreisen in der Schweiz sorgt der Irna-Bericht gleichwohl für Ärger. Mitte-Nationalrätin Marianne Binder von der parlamentarischen Gruppe «für Menschenrechte in Iran» erinnert an die vom Regime gewaltsam bekämpften Proteste der letzten Monate. Ausgebrochen waren diese nach dem Tod der 22-jährigen Jina Amini im September. Sie war verhaftet worden, weil sie ihr Kopftuch nicht korrekt trug, und starb im Polizeigewahrsam. Die Proteste forderten zahlreiche Todesopfer. Kundgebungsteilnehmende wurden verhaftet, Dutzende von ihnen zum Tod verurteilt, mehrere hingerichtet.
Mrs. Lozano, Swiss Ambassador to Iran, wearing a chador and your Islamic clothing is a confirmation of the thinking of terrorist mullahs and betrayal of the blood of hundreds of freedom fighters who died in the women's revolution.#MahsaAmini #IRGCterrorists #زن_زندگى_آزادى pic.twitter.com/etTEKQWG0p
— BavanBavani (@BavanBave) February 23, 2023
«Das iranische Regime tritt die Menschenrechte mit Füssen und verhöhnt die Schweiz, wenn es mit uns Gespräche über Menschenrechte führt und gleichzeitig hinrichten, foltern, vergewaltigen lässt», sagt Binder. Sie sehe nicht ein, warum «eine freie Schweizer Diplomatin mit einem Schleier herumsitzt und sich auch noch fotografieren lässt». Dass ein solches Bild vom Regime instrumentalisiert werde, sei «sonnenklar» und ein komplett falsches Zeichen an «die mutigen Frauen und Männer, die den Schleier ablegen und gegen Sittenpolizei und Revolutionsgarde protestieren».
In der Tat sieht sich die offizielle Schweiz derzeit wiederholt mit solcher Kritik konfrontiert. So berichtete der «Blick» am Donnerstag über einen Besuch der Schweizer Botschafterin in Iran, Nadine Olivieri Lozano, im heiligen Schrein der Fatima Masuma in der Stadt Qom, dem religiösen Machtzentrum des Landes. Auch sie trug ein Kopftuch. Und am 11. Februar sorgte in regimekritischen Kreisen für Empörung, dass Bundespräsident Alain Berset der fundamentalistischen Regierung in Teheran offiziell zum 40. Jahrestag der Revolution gratulierte.
Das Thema beschäftigt die Schweizer Aussenpolitik, seit Aussenministerin Micheline Calmy-Rey 2008 beim Besuch in Teheran einen Schleier trug. Die Begründung für das Tragen des Kopftuchs lautete damals: Dies sei Teil des Protokolls in Iran, wer das Land besuche, müsse sich anpassen.
Im Gespräch mit dieser Zeitung nimmt nun Botschafterin Tissafi erstmals öffentlich Stellung zu ihrem Besuch, zum Menschenrechtsdialog - und zur Kopftuchfrage. «Das Tragen eines Kopftuchs ist in Iran Gesetz. Als Diplomatinnen haben wir uns an die Gesetze des Gastgeberlands zu halten, wie wir das in Bern und Genf von den Vertreterinnen und Vertretern anderer Staaten umgekehrt auch erwarten.»
Ganz besonders stört sich Abteilungsleiterin Tissafi an der heftigen Kritik an Botschafterin Olivieri Lozano und deren Besuch in Qom. Bern habe sich bei der Besetzung des Postens in Iran bewusst für eine Frau entschieden, auch als Signal an die Mullahs: «In Teheran sind nur fünf Botschafterinnen präsent, eine davon ist die Schweizerin.» Verlange man nun, dass sie sich nirgends mehr mit Kopftuch zeige, müsse sie durch einen Mann ersetzt werden. «Das stört mich auch aus feministischer Sicht», sagt Tissafi.
Was die Gespräche in Teheran betrifft, stellt sie sich auf den Standpunkt, es sei «immer besser, den politischen Dialog zu führen, als ihn abzubrechen». Das Schweizer Engagement in Teheran werde auch von westlichen Staaten und der UNO ausdrücklich geschätzt. Und was die Menschenrechtslage betreffe, gebe es nur noch wenige westliche Vertretungen, die ihre Kritik direkt bei den Vertretern des Regimes anbringen können.
Konkret haben Tissafi und ihre Delegation den iranischen Behörden eine Liste übergeben mit den Namen von zum Tode verurteilten Personen, deren Strafe umgewandelt oder aufgehoben werden soll. «Wir haben die gewalttätige Reaktion der iranischen Regierung auf die aktuellen Proteste verurteilt und die Achtung der Menschenrechte eingefordert», sagt Tissafi. «Und einmal mehr haben wir gefordert, die Hinrichtungen von Personen zu stoppen, die friedlich an Demonstrationen teilgenommen haben.» Das Recht auf einen fairen Prozess und das Recht auf freie Meinungsäusserung und friedliche Versammlung seien zu respektieren.
«Man hat uns aufmerksam zugehört, die Liste entgegengenommen und in einzelnen Fällen Rückfragen gestellt», sagt Tissafi. «Uns wurde zugesagt, die Liste genauer zu prüfen.» In der Vergangenheit sei in bestimmten Fällen, für die sich nebst anderen Ländern und Organisationen auch die Schweiz stark gemacht habe, die Todesstrafe aufgehoben und in eine Haftstrafe umgewandelt worden. «Der Dialog ist nicht wirkungslos», folgert Tissafi daraus. Zudem setzt sie im Kontakt mit dem Regime in Teheran auf eine langfristige Wirkung: «Steter Tropfen höhlt den Stein.» (bzbasel.ch)
Der Mann weiss echt nicht, wann man besser nichts sagen sollte…
Ich finde die Aussage von Tissafi sehr korrekt: findet ein Treffen im Iran statt, gelten iranische Gesetz, findet ein Treffen woanders statt, gelten die dort lokalen Gesetze.
(und übrigens, wie DIE Schweiz hat auch DER Iran einen Artikel...)