Am Samstag gab es gleich zwei schwere Flugzeugabstürze in der Schweiz. In Nidwalden stirbt eine vierköpfige Familie, in Graubünden kommen 20 Personen beim Absturz einer Ju-52-Maschine ums Leben. Damit sind am letzten Samstag mehr Personen bei Flugzeugabstürzen gestorben, als in der letzten Dekade im Jahr.
Dabei sassen alle 126 Luftverkehrstoten in der Schweiz seit 2008 in Kleinflugzeugen (weniger als 5700 Kilogramm Höchstabfluggewicht), wie ein Blick in die Flugstatistik der Schweizerischen Sicherheitsuntersuchungsstelle (SUST) zeigt. Bei zwei Drittel aller Flug-Unfälle und schwerer Vorfälle mit Flugzeugen waren im Jahr 2017 laut der SUST-Statistik besonders leichte Flugzeuge (unter 2250 Kilogramm Höchstabfluggewicht) beteiligt. Helikopter befinden sich mit 14 Prozent auf dem zweiten Platz.
Es ist also bekannt, dass Kleinflugzeuge eher abstürzen als grössere oder gar Linienflugzeuge. Doch warum stürzen Flugzeuge überhaupt ab? Die Zahlen auf die fünf Flugphasen aufgeschlüsselt findest du hier:
Laut den Zahlen der SUST passierten von 2000 bis 2017 9,2% aller Unfälle, bevor die Flugzeuge überhaupt abhoben. In diesen Zahlen inbegriffen sind alle Schweizer Flugzeuge, die im In- und Ausland verunfallt sind sowie alle ausländischen Flugzeuge, die in der Schweiz verunfallt sind.
Seit der Jahrtausendwende gab es 70 solcher Unfälle, die wenigsten davon endeten aber tödlich. «Beim Rollen kann es sein, dass mal ein Flugzeug von der Piste gerät, hier ist die Gefahr für Personenschäden aber klein», sagt der Aviatik-Experte Max Ungricht.
Hier kommt also besonders der Faktor menschliches Versagen ins Spiel. Allgemein ist dies laut internationalen Statistiken bei der Hälfte aller Flugunfälle die Hauptursache, auch bei kleineren Flugzeugen. «Dies beschränkt sich aber nicht alleine auf Fehler, die der Pilot begeht, es können auch Fehler anderer Personen sein», sagt Ungricht.
Fast ein Viertel aller Unfälle ereigneten sich während der Start- und Anstiegsphase. Das sind 182 Fälle seit 2000. Hier sind höhere Geschwindigkeiten im Spiel, das bedingt auch höhere Konsequenzen für Fehler.
«Kurz nach dem Abheben gibt es – je nach Leistung eines Flugzeugs – eine Zeitspanne, in dem das Flugzeug zwar schon fliegt, die Manövrierbarkeit infolge relativ niedriger Geschwindigkeit aber noch gering ist», sagt Experte Ungricht. Hinzu kommen noch Falscheinschätzungen der Umstände.
Bei hohen Sommer-Temperaturen kann etwa die Zuladung zu gross sein oder die Piste zu kurz. Da die Luft dünner ist nimmt der Auftrieb ab und auch die Motorleistung ist bei hohen Temperaturen reduziert. «So kann es sein, dass dem Flugzeug beim Start Leistungen abverlangt werden, die es schlicht nicht erfüllen kann», sagt Ungricht.
Etwas weniger Unfälle ereignen sich während dem eigentlichen Flug. Dafür enden Unfälle in dieser Phase oft tödlich, weil das Flugzeug sich auf grosser Höhe sowie mit hoher Geschwindigkeit bewegt.
In dieser Phase verunfallte vermutlich die Ju-52 am Samstag. Bei solchen Unfällen können mehrere Faktoren eine Rolle spielen. Falsche Flugtaktik, Unaufmerksamkeit oder physische Beeinträchtigungen des Piloten, technische Mängel oder Wettereinflüsse.
«Auf Reiseflughöhe kann sich eine Art Routine einstellen und die Luftraumüberwachung könnte zu kurz kommen», sagt Ungricht. Besonders bei kleineren Flugzeugen, die oft nach Sicht fliegen, kann dies fatale Konsequenzen haben.
«Umgekehrt besteht die Gefahr, dass sich Piloten zu sehr auf die anspruchsvollen Instrumente (GPS) fokussieren und dabei ihre eigene Einschätzung vernachlässigen», so Ungricht weiter. «Ich spreche aus Erfahrung, auch ich habe meine Fehler gemacht. Dazu gehört auch ein Hitzevorfall, den ich nur mit Glück überstand. Andere hatten dieses Glück leider nicht.»
Auch das Wetter kann Unfallverursacher sein. Laut Flug-Statistiken nehmen wetterbedingte Unfälle etwa einen Anteil von 10 Prozent ein. «Gefährlich sind beispielsweise Vereisung oder Unwetter», sagt Ungricht.
Blitzeinschläge könnten laut dem Experten ein kleineres Flugzeug zwar zum Absturz bringen, Scherwinde und die vertikalen Kräfte einer Gewitterwolke sind aber ebenso zu berücksichtigen. Dies gilt besonders auch für den Föhn in unseren Alpen.
Weniger häufig sind Unfälle während dem Sinkflug. Der Grund dafür ist zum einen, dass diese Phase ziemlich kurz ist und in der Statistik der SUST gesondert von der Landung betrachtet wird.
Das bedeutet aber keineswegs, dass diese Phase keine Risiken birgt: «Der Übergang von der Reisehöhe in den Sinkflug ist anspruchsvoll», sagt Ungricht. Die Piloten sind hier deshalb besonders aufmerksam: «Beim Anflug wurde bei mir im Cockpit nicht mehr geredet.» Die Luftraumüberwachung und der Austausch mit der Bodenstation sowie das konsequente Abarbeiten der Checklisten sind hier besonders wichtig.
Gemäss Statistik ereignete sich einer von drei Unfällen bei der Landung. Das ist mit Abstand der grösste Anteil. «Die Landung ist für Pilot und Flugzeug am anspruchsvollsten», so Ungricht. Dies gelte besonders stark für Kleinflugzeuge.
«Bei Linienflügen sind Landungen Routine und werden sehr stark durch den Auto-Piloten gestützt», sagt Ungricht weiter. Kleinflugzeuge, die kaum über ähnliche Gerätschaften verfügen, verlangen dem Piloten einiges mehr ab.
«Man muss gleichzeitig Kontakt mit dem Flughafen halten,Geschwindigkeit und Wind beobachten und den Landeplatz im Auge behalten», so Ungricht.
In allen Phasen können weiter technische Defekte zum Tragen kommen. Sie sind für knapp 20 Prozent der Unfälle verantwortlich. «Das erscheint jetzt als sehr viel, man muss diese Zahl aber immer im Kontext sehen», meint Ungricht. So sei die Zahl der technischen Defekte in Proportion zu den zurückgelegten Flugkilometern verschwindend klein.
Ausserdem habe sich die Situation zu früher deutlich verbessert: «Heute haben wir Flugzeugbesitzer sehr strikte Auflagen. Die Flugzeuge werden gemäss EASA-Vorschriften häufig gewartet und konsequent kontrolliert», sagt Ungricht.