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Die Schweiz will kein Gas aus Russland – hat aber keinen Notfallplan

Das Schweizer Volk will kein Gas aus Russland mehr – aber dem Bund fehlt ein Notfallplan

17.04.2022, 09:2617.04.2022, 12:15
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Aufgrund der russischen Invasion in die Ukraine diskutiert die EU über weitere Massnahmen gegen das Regime von Wladimir Putin. Derzeit ein konkretes Thema: ein möglicher Importstopp für russisches Gas und Öl. Damit soll die Finanzierung der russischen Regierung stark vermindert werden.

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An einem solchen Import-Stopp wäre auch die Schweizer Bevölkerung interessiert. Dies zeigt eine repräsentative Umfrage, welche das Forschungsinstitut Sotomo gemeinsam mit der «Blick»-Gruppe durchgeführt hat. Gleich 62 Prozent der Bevölkerung sind grundsätzlich der Meinung, dass die Schweiz auf russisches Gas und Öl verzichten solle, nur 36 Prozent lehnen dies ab. Vor allem Wähler der GLP sollen stark an einem Embargo interessiert sein.

FILE - Pipes at the landfall facilities of the 'Nord Stream 2' gas pipline are pictured in Lubmin, northern Germany, Feb. 15, 2022. The White House is expected to announce Wednesday that Pre ...
Ein Grossteil der Schweizer Bevölkerung wäre an einem Gas-Embargo gegen Russland interessiert.Bild: keystone

Sollte es zu einem solchen kommen, würde die Schweizer Regierung allerdings vor einer grossen Herausforderung stehen. Dies zeigt ein Bericht der «NZZ am Sonntag». So ist in der Schweiz derzeit nicht festgelegt, wie der Bund bei einer Kontingentierung konkret vorgehen würde – also welche Unternehmen und welche Wirtschaftszweige bei einem Lieferstopp noch Gas bekämen und welche nicht. Diese Pläne seien noch in Erarbeitung, heisst es in einem Dokument des Bundesamts für wirtschaftliche Landesversorgung aus dem Jahr 2019.

Mittlerweile hat der Bund eine Vernehmlassung für die Verordnung einer Sicherstellung der Versorgung mit Gas begonnen, doch auch diese zeigt in der Schweiz grosse Probleme auf. In diesem Bereich herrsche eine «versorgungspolitische Dringlichkeit», heisst es. Zudem bestehe Stand heute keine volle Einsatzfähigkeit.

Das Problem dabei, so die «NZZ am Sonntag»: In der Schweiz gibt es derzeit keine Fachstelle, die sich um Massnahmen bei Gas-Versorgungsengpässen sorgen würde. Diese soll zwar geschaffen werden, noch ist allerdings völlig offen, bis wann und in welcher Form.

Aufgrund der unsicheren Lage schlagen auch wichtige Player der Schweizer Wirtschaft Alarm. Sprecher Marcel Schlatter bestätigte etwa, dass die Migros von einem Engpass «auf jeden Fall betroffen» wäre. Deshalb habe sich das Unternehmen auch bereits mit den Behörden ausgetauscht. Und auch Coop beschäftigt sich derzeit mit einem solchen Szenario. So sagte Sprecherin Rebecca Veiga, man würde derzeit an einem Notfallplan arbeiten. Auch der Strassenbau wäre betroffen: Ohne Gas würde es zu Abschaltungen von Asphaltwerken kommen, was «weitreichende Folgen für die Versorgung der Strassenbaustellen» hätte, warnt der Verband Asphaltsuisse.

Auch Bundesrätin Simonetta Sommaruga bestätigte, dass die Gasversorgung in der Politik derzeit ein wichtiges Thema ist. Das Bundesamt für wirtschaftliche Landesversorgung mache sich derzeit Gedanken, wie man bei einem Mangel den Gasverbrauch beschränken könne, sagte sie in einem Interview mit der «SonntagsZeitung». Sie betonte zudem, dass der Bundesrat bereits für den Winter vorgesorgt habe. «Er erlaubt der Gasbranche, dass sie gemeinsam Gas einkaufen und Gasspeicher buchen kann, ohne kartellrechtlich Probleme zu bekommen», so die Berner Politikerin.

Bundesraetin Simonetta Sommaruga spricht an einer Medienkonferenz zu einem Schutzschirm fuer systemkritische Schweizer Stromunternehmen, am Donnerstag, 14. April 2022, in Bern. Energieministerin Somma ...
Auch beim Bundesrat ist ein Gas-Engpass ein wichtiges Thema.Bild: keystone

Auch Sommaruga bestätigte aber, dass die Situation herausfordernd sei. Schliesslich sei die Schweiz bei Öl und Gas zu hundert Prozent vom Ausland abhängig. Allerdings habe sie in den letzten drei Jahren die Weichen gestellt, dass man rasch erneuerbare Energien stärken könne. (dab)

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107 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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BG1984
17.04.2022 10:35registriert August 2021
Der Bund muss einfach Geld in die Hand nehmen, die Bewilligungsverfahren beschleunigen und gut ist.
Wir können so viel Geld ausgeben wie wir wollen, bzw. benötigen, um auf erneuerbar umzustellen. Bei Solarzellen ist das Geld in 15 Jahren wieder drin. Es sind somit nicht Schulden, sondern Investitionen die wieder zurückkommen und alle weiteren Jahre profitieren wir sogar davon.
Es ist jetzt nicht die Zeit für Testanlagen auf Autobahnabschnitten, es ist die Zeit, ganze Autobahnen zu überdachen. Andere Testanlagen haben gezeigt, dass das geht und für die Strasse darunter Vorteile bringt.
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BG1984
17.04.2022 10:39registriert August 2021
Wie wär's zum Beispiel mit Agrarsolar im Seeland? Dort beklagen sich die Bauern über zu viel Sonne und zu wenig Wasser. Agrarsolar wäre hier genau die Lösung und wirkt sogar ertragssteigernd.
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Walter Sahli
17.04.2022 11:43registriert März 2014
Und welche Partei kämpft seit je her gegen die Energie-Unabhängigkeit der Schweiz und würde Putin am liebsten mit einem wohligen Schauer in den Hintern kriechen?
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