Das russische Innenministerium fahndet nach fast 97'000 Personen. Rund 31'000 davon sind russische Bürger, über 11'000 Armenierinnen und Armenier und 10'000 von den Gesuchten stammen aus Uzbekistan. Das berichtete das russische, oppositionelle Medium Mediazona.
Zudem befinden sich vor allem ukrainische Soldaten sowie Soldaten der Internationalen Legion der Streitkräfte der Ukraine auf der Liste. Doch damit nicht genug: Auch 160 osteuropäische Politiker, Parlamentsabgeordnete und Beamte führt das russische Innenministerium auf. Zu den bekanntesten Namen gehören Estlands Premierministerin Kaja Kallas, Estlands Staatssekretär Taimar Peterkop und Litauens Kulturminister Simonas Kairys.
Nebst diesen ranghohen Politikerinnen und Politiker, befinden sich auch zehn Schweizer unter den gesuchten Personen. Was muss man anstellen, damit einem das russische Innenministerium sucht? Dieser Frage ging der «Tages-Anzeiger» nach.
Gemäss Angaben von Mediazona liesse sich bei vielen Personen anhand öffentlich zugänglicher Gerichtsakten nachvollziehen, dass sie wegen krimineller Aktivitäten gesucht werden. Allerdings seien etwa 800 Personen eindeutig aus politischen Gründen in diese Liste aufgenommen worden. Bei einigen Schweizern konnte der «Tages-Anzeiger» ausfindig machen, wie sie auf die Liste der gesuchten Personen kamen.
Andreas Zivy etwa ist Verwaltungsratspräsident der Ameropa, einer der zehn grössten Agro-Händler der Welt, mit 2600 Mitarbeitenden in 30 Ländern. Das Unternehmen produziert und handelt mit Getreide und Düngemittel. 2017 belief sich sein Umsatz auf fast 6 Milliarden Franken. 2018 schaffte es Zivy in der «Bilanz» in die Liste der 300 reichsten Menschen in der Schweiz.
Zivy und ein Manager in seinem Unternehmen schafften es aber ebenfalls auf die schwarze Liste der russischen Regierung. Grund: Ein Übernahmekampf um einen russischen Ammoniakproduzenten. Zivy sei gemäss eigenen Aussagen auf illegale Weise und durch willkürliche Strafverfolgung in Russland enteignet worden.
«Herr Zivy ist nicht überrascht, dass sein Name auf dieser Liste auftaucht», sagt ein Firmensprecher gegenüber dem Tages-Anzeiger. Wie lange dieser Eintrag schon bestünde, wisse man allerdings nicht. Russland habe für Zivy bereits vor etwa neun Jahren über Interpol eine internationale Fahndung ausgeschrieben. Diese sei von der internationalen Polizeiorganisation für nichtig erklärt worden, da sie als hauptsächlich politisch motiviert eingestuft wurde.
Avi Motola taucht auf der Liste ebenfalls auf – wenn auch nur mit seinen Vornamen Avi Doron. Die russischen Angaben zum Geburtsdatum und der Herkunft Avi Dorons stimmen gemäss Tages-Anzeiger jedoch mit Avi Motolas Angaben überein.
Motola hat seit März 2022 als «Sniper», also Scharfschütze, für eine ukrainische Eliteeinheit gearbeitet. Aktuell ist er noch immer für das ukrainische Militär tätig. In welcher Position ist jedoch unklar. Motola ist im Kanton Schaffhausen aufgewachsen und hat eine Lehre als Zimmermann absolviert. Danach lebte er viele Jahre in Israel. Über ihn berichte watson bereits. Motola wird nicht nur von den Russen gesucht: Er macht sich laut Schweizer Recht auch wegen «fremden Militärdienstes» gemäss Militärstrafgesetz strafbar.
Weiter auf der Liste befänden sich ein Inhaber eines Reisebüros im Kanton St. Gallen und ein IT-Unternehmer aus dem Aargau. (jub)