Das Hilfswerk der evangelisch-reformierten Kirche Heks musste in letzter Zeit einige schlechte Nachrichten verkraften. Erst das Milliarden-Sparpaket des Bundes, das auch die Entwicklungshilfe hart trifft. Dann werden drei Heks-Mitarbeitende bei einem Einsatz im Kongo getötet. Die Ermittlungen dazu laufen noch. Und jetzt will US-Präsident Donald Trump die Entwicklungshilfe-Behörde USAID schliessen. Sie gibt weltweit jährlich rund 40 Milliarden Dollar für humanitäre Zwecke aus. Auch Heks ist von diesen Plänen betroffen.
Im Interview erzählt die Direktorin Karolina Frischkopf, wie die dadurch entstandene Lücke geschlossen werden soll und was ihr Hoffnung gibt.
Wie hat sich das für Sie angefühlt, als Sie hörten, dass Trump die Entwicklungsgelder einfrieren will?
Karolina Frischkopf: Das war ein Schock. Erst ging ich davon aus, dass es sich um eine Neujustierung der amerikanischen Entwicklungszusammenarbeit mit einer Frist von 90 Tagen handelt. Doch dann wandelte sich die Situation rasant, und nun sehen wir uns mit einem regelrechten Auseinandernehmen der ganzen Bundesbehörde konfrontiert. Das ist beängstigend, gab es doch auf der Welt noch nie so viele parallele Konflikte und Flüchtlingsströme wie jetzt.
Auch die Schweiz will bei der Entwicklungshilfe sparen. War das ein ähnlicher Schock?
Nein, das sind zwei komplett unterschiedliche Paar Schuhe. Natürlich ist es unverständlich, gerade in Anbetracht des überraschend guten Ergebnisses, das die Finanzministerin kürzlich präsentierte. Aber in der Entwicklungszusammenarbeit überprüfen wir ohnehin ständig unsere Mittel und deren Verwendungszwecke. Auch ist diese Entscheidung innerhalb des parlamentarischen Prozesses gefällt worden. Die neue US-Administration rüttelt hingegen an den Grundfesten des globalen humanitären Systems und riskiert bewusst, dass es kollabiert.
Inwiefern ist Heks betroffen vom Rückzug der Amerikaner?
Wir rechnen mit einer Lücke von 7,5 Millionen Franken. Betroffen sind Projekte in der Ukraine, in der Demokratischen Republik Kongo und in Äthiopien und damit rund hundert Heks-Mitarbeitende. Das würde bedeuten, dass extrem bedürftige Gemeinschaften plötzlich im Stich gelassen werden. Wir reden da von über 900'000 mittellosen Menschen in abgelegenen Regionen.
Wie versuchen Sie jetzt diese Lücke zu stopfen?
Wir arbeiten unter Hochdruck daran, unser Fundraising zu erhöhen und die Projektziele gleichzeitig auf das Notwendigste zu reduzieren. Wir hoffen auf zusätzliche Gelder aus der EU, der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (Deza), den reformierten Kantonalkirchen und Kirchgemeinden und aus Schweizer Stiftungen und vor allem auch von Spenderinnen und Spendern.
Rechnen Sie sich da gute Chancen aus?
Den vollen Betrag zu ersetzen, ist kaum realistisch. Unsere Geldgeber tragen ja heute schon sehr viel. Zudem stellt sich jetzt die Frage: Was gibt es für rechtlichen Spielraum für kofinanzierte Projekte, denen jetzt plötzlich ein Teil der Gelder fehlt? Da hoffen wir, dass der Bund und die EU eine gute Lösung finden. Vorerst gilt es, zumindest die grundlegendsten Ziele der betroffenen Projekte zu erreichen.
Und wie definieren Sie diese?
Das machen die Mitarbeitenden vor Ort. Ein Beispiel im Kongo: Dort sind in einem sehr abgelegenen Gebiet rund 180'000 Menschen abgeschnitten von Zugangsstrassen. Wir arbeiten am Anschluss der Region und haben mit USAID-Geldern eine Brücke bauen wollen, um den Zugang für humanitäre Güter zu ermöglichen. Diese ist erst zur Hälfte erstellt.
Generell gilt: Alles, was man einmal abschliessen und dann der Bevölkerung überlassen kann, hat jetzt Vorrang. In Äthiopien, im Kongo und in der Ukraine versorgen wir die Bevölkerung mit Lebensmitteln und Hygienekits und stellen ihren Zugang zu sauberem Wasser sicher. In Äthiopien und im Kongo installieren wir WCs in Schulen, weil das massgeblich zur Gesundheitsprävention beiträgt und Todesfälle zum Beispiel wegen Durchfallerkrankungen verringert.
In einem offenen Brief appellieren Sie an Bundesrat Cassis, sich diplomatisch für den Erhalt der humanitären Strukturen einzusetzen. Kann er das glaubwürdig machen, wenn die Schweiz selbst gerade Entwicklungsgelder streicht?
Auf jeden Fall, da hat Bundesrat Cassis sehr viel Glaubwürdigkeit. Die Schweiz zählt in Bezug auf die humanitäre Tradition zu den Stimmen der Weisen: Wenn sie etwas dazu sagt, hat das Gewicht. Der Bundesrat sollte das nutzen und Führung zeigen im Verbund mit gleichgesinnten Staaten. Die Weltgemeinschaft hat sich auf gewisse Grundsätze und Ziele verständigt. Wenn dann ein Land einfach ausschert, muss sich der Rest dezidiert dagegenstellen und ein klares Zeichen setzen.
Nun zieht sich aber nicht einfach irgendein Mitgliedstaat zurück, sondern der entscheidende Player der aktuellen internationalen Ordnung.
Ja, aber Nichtstun ist keine Option. Ich bleibe optimistisch: Jetzt müssen wir uns engagieren, unsere Werte verteidigen und uns gegen diese Entwicklungen auflehnen. Für die grossen Staaten wie die USA ist eine internationale Rechtsordnung optional. Aber für einen kleinen Staat wie die Schweiz ist sie überlebenssichernd. Unseren Wohlstand verdanken wir auch den internationalen Institutionen, weshalb wir alles dafür tun müssen, sie zu bewahren.
Vom Bundesrat wünschen Sie sich eine klare Stellungnahme. Was wünschen Sie sich von der Zivilgesellschaft?
Ich bin zu Zeiten der grossen Demonstrationen aufgewachsen. Als der Irakkrieg begann, erinnere ich mich, wie Zehntausende in der Schweiz auf die Strasse gingen. Die Bürgerinnen und Bürger dürften schon noch etwas lauter werden, als es derzeit der Fall ist. Auch in den sozialen Medien artikulierte Proteste können hilfreich sein, auch dort kann man zumindest virtuell hinstehen und signalisieren: so nicht!
Aber es scheint wirklich, dass Trump allgemein eine neue Wetordnung schafft, die sich weltweit auswirkt, auch hier.