Die SRG warnt vor einer Senkung der Haushaltabgabe auf 300 Franken, wie das der Bundesrat vorsieht. Es drohten Einnahmenausfälle von 240 Millionen und eine Aufhebung von 900 Stellen. Was würde die tiefere Abgabe für Schweizer Radio und Fernsehen bedeuten?
NATHALIE WAPPLER: Das analysieren wir nun. Die Konsequenzen für die ganze SRG wären gravierend. Schon ab 2025 soll der Teuerungsausgleich wegfallen, was ein Sparpaket von 70 Millionen Franken bedeuten würde. 2027 soll die Haushaltabgabe ein erstes Mal sinken, hinzu kommen geringere kommerzielle Erträge. Klar ist: So können wir unseren Leistungsauftrag nicht mehr finanzieren.
Das ist reine Spekulation. Die Zahl der Haushalte in der Schweiz wird steigen. Also landet auch mehr Geld im Abgabentopf.
Es gibt Haushalte, die von der Abgabe befreit sind. Und der Teuerungsausgleich war gespeist aus dem Topf, der ab 2025 laut dem Bund leer sein wird. Sollte er sich wieder füllen, würden die Überschüsse für weitere Gebührenreduktionen verwendet. Das war schon der Mechanismus bei der Senkung von 365 auf 335 Franken im Jahr 2021.
Die vormalige Medienministerin Doris Leuthard hat einen Zielwert von 300 Franken vorgesehen – nicht mehr, aber auch nicht weniger.
Das war der Plan der damaligen Medienministerin Doris Leuthard, mit Überschüssen aus der Medienabgabe die Gebühren zu senken.
Unter Albert Rösti könnte er unter 300 Franken fallen?
Das weiss ich nicht.
Wenn 900 Stellen in der ganzen SRG wegfallen, wird die Unternehmenseinheit SRF mit 500 Stellen betroffen sein. Kommt das ungefähr hin?
Das wissen wir noch nicht. Die SRG als Service-public-Unternehmen muss in allen Regionen des Landes ein vergleichbares Angebot bereitstellen.
Die SRG geht zum ersten Mal auf direkte Konfrontation zum Bundesrat. Ist das klug?
Wir haben klar gesagt: Wir begrüssen es, dass der Bundesrat die 200-Franken-Initiative ablehnt. Dass diese Vorlage in der Abstimmung scheitern wird – davon sind wir überzeugt. Darum braucht es aus unserer Sicht keinen Gegenvorschlag, der drastische Konsequenzen mit sich bringen würde, wie das nun der Bundesrat vorsieht.
Was macht Sie so sicher, dass die 200-Franken-Initiative abgelehnt wird?
Die No-Billag-Initiative wurde 2018 mit 72 Prozent überaus deutlich verworfen. Die Schweizer Bevölkerung steht zur SRG, sie schätzt unser Angebot. Wir sind auch ein wichtiger Partner beispielsweise von kulturellen Institutionen und Sportverbänden.
Aber jetzt geht es nicht um die Abschaffung der SRG wie 2018, sondern nur darum, die Gebühren um ein Drittel zu reduzieren.
Die Situation ist jetzt eine andere, einverstanden. Wir unterschätzen die Initiative nicht und haben Respekt davor. Doch der Rückhalt der SRG in der Bevölkerung ist unverändert. Wir werden aufzeigen, warum 200 Franken bei weitem nicht ausreichen, um unseren Auftrag zu erfüllen.
Albert Rösti fordert, dass sich die SRG auf Information, Bildung und Kultur konzentriert. Warum weigern Sie sich, Ihr Angebot zu reduzieren?
Unser Auftrag ist die Konzession der SRG. Demnach müssen wir ein Angebot in Information, Bildung, Unterhaltung und Sport bieten, also ein Vollprogramm.
Sie stellen sich also gegen den Auftrag des Medienministers.
Massgebend ist die Konzession, und die wird verlängert bis 2028. Wir haben einen Leistungsauftrag zu erfüllen - der Unterhaltung und Sport einschliesst. Die meisten Sendungen rechnen sich nicht. Wir produzieren etwa «Die Landfrauenküche» mit Schweizer Produktionsmitteln, Schweizer Technikern, und wir bezahlen Schweizer Löhne. Das ist teuer, aber es trägt zur Verankerung der SRG im Land bei. Ich stehe zum Wirtschaftsstandort Schweiz.
Die «Landfrauenküche» in Ehren – wenn die Terroristen der Hamas an einem Samstagmorgen Israel angreifen, kommt SRF journalistisch nicht in die Gänge. Das Fernsehprogramm läuft wie geplant weiter, während die Konkurrenz Sondersendungen schaltet.
Ich bitte Sie. Unsere Informationsgebung beginnt im Radio und online. Die News-App ist heute unser wichtigster Newskanal. Da hatten wir schnell einen Live-Ticker zu den Geschehnissen. Und die «Tagesschau» war fast doppelt so lange wie gewöhnlich.
Zentral ist also, was auf der News-App läuft. Ist das Fernsehen zweitrangig geworden?
Wir müssen unsere begrenzten Ressourcen gezielt einsetzen und uns nach der heutigen Mediennutzung richten. Die digitale Transformation bedingt ein Zusammenspiel verschiedener Ausspielkanäle. Die «Tagesschau» hatte an jenem Tag eine sehr hohe Quote.
So treten Sie in Konkurrenz zu den privaten Medienhäusern, die für ihre Online-Angebote Geld verlangen müssen. Die SRF-App ist gratis.
Verschiedene Studien zeigen: Ein starkes Service-public-Angebot im Netz senkt die Zahlungsbereitschaft nicht – im Gegenteil. Die Bevölkerung will sich auf verschiedenen Kanälen informieren.
Wenn man die Wahl hat zwischen einem Gratis- und einem Bezahlangebot, entscheidet man sich doch für Ersteres. Bestreiten Sie das im Ernst?
Die Leute nutzen nicht nur ein Angebot, sie informieren sich parallel bei SRF und den privaten Medien. Ausserdem haben wir online eine Längenbegrenzung für Texte und ein Werbeverbot. Die SRG und die Privaten kommen gut aneinander vorbei.
Müssten Sie am Fernsehen nicht einmal eine neue Informationssendung einführen?
Das haben wir im Vorfeld der Wahlen getan: «Bitte auf den Punkt!» mit Sandro Brotz.
Das war eine einmalige Sache. Wir sprechen von einem neuen Sendeformat.
Wir entwickeln «Tagesschau», «10vor10», «Rundschau» und andere Formate laufend weiter. Das sind starke Marken. Es wäre falsch, sie abzuschaffen, nur damit man nachher sagen kann: Wir führen jetzt eine neue Sendung ein. Letztlich geht es darum, den Journalismus zu stärken. Das geschieht innerhalb bestehender Formate. Innovation entsteht nicht dadurch, indem man einfach eine neue Sendung ins Programm nimmt.
Doch, auch das wäre Innovation.
SRF hat ja durchaus Neues eingeführt. Zum Beispiel «Game of Switzerland», das ist eine Eigenentwicklung.
Das ist Unterhaltung, nicht Information.
Die Information stärken wir auch, indem wir profilierte Marken aufwerten. So haben wir ein Investigativteam und einen Storytelling-Desk geschaffen. Beide bespielen sämtliche Kanäle, die News-App genauso wie das lineare Radio und Fernsehen. Wenn wir beim jüngeren Publikum ankommen wollen, müssen wir auch die Art und Weise der Informationsvermittlung verändern. Und vor allem: In den Journalismus, in Geschichten investieren, und das tun wir.
Ihre Journalistinnen und Journalisten erzählen uns anderes: Es gebe enorm viele Koordinationssitzungen, und die Abläufe seien derart kompliziert, dass es sehr schwierig sei, eine Geschichte zum Publikum zu bringen.
Wir legen mehr Wert auf die Distribution der Beiträge: Wo, wann und wie kommt ein Beitrag? Der beste Inhalt nützt nichts, wenn er nicht aufgefunden wird. Das führt zu mehr Abstimmungsprozessen, manchmal vielleicht zu vielen. Daran arbeiten wir. Aber eine gute Zusammenarbeit ist wichtiger denn je. Wichtig ist auch, dass wir den Journalistinnen und Journalisten Zeit geben: Der Dok-Film über «Läderach» brauchte zweieinhalb Jahre Recherche, bis wir alle wichtigen Akteure vor der Kamera hatten.
Ein Grund dafür, dass in der Politik Gebührenkürzungen gefordert werden, ist der Vorwurf: SRF habe eine Schlagseite nach links. Hört man SRF 4, dominieren Beiträge über Klimaerwärmung, Umweltverschmutzung und Entwicklungshilfe.
(Lacht.) Wir haben keine linke Schlagseite. Ich bekomme täglich E-Mails von rechts und von links. Wie man uns wahrnimmt, hängt auch davon ab, wo man selber politisch steht. Eben erst hat das Forschungsinstitut fög der Uni Zürich bestätigt, dass wir politisch sehr ausgewogen sind.
Dieses Institut ist SRG-nah.
Das ist mir jetzt zu einfach. Alle, die sagen, wir seien ausgewogen, sind SRG-nah? Nein, es ist eine wissenschaftliche Untersuchung. Aber zurück zu SRF 4: Ich stehe fast täglich mit diesem Sender auf. Heute habe ich Beiträge über Swisscoy im Kosovo gehört, über den Abgang des Chefs bei OpenAI, und ja, es gab auch einen Beitrag über Recycling – aber weit und breit keine Tendenz zu linken Themen.
SRF-Talker Urs Gredig hat Bundespräsident Alain Berset behutsam interviewt und kritische Punkte nicht angesprochen. Mit Journalismus hatte das wenig zu tun.
SRF hat über Alain Berset die unterschiedlichsten Beiträge gebracht und auch kritische Punkte beleuchtet. Diese Sendung von Urs Gredig habe ich nicht gesehen, ich kann leider nicht alles verfolgen. Urs macht einen guten Job, und er scheut sich nicht, kritische Fragen zu stellen.
Es scheint, bei SRF sei alles perfekt, und es gebe null Anlass für Kritik.
Natürlich nicht. Wir diskutieren intern täglich intensiv über Inhalte, üben Kritik an Sendungen, die nicht gelungen sind, oder an Beiträgen, die unseren Ansprüchen nicht genügen. Wir nehmen auch die Meldungen an die Ombudsstelle ernst.
Das ist sehr allgemein. Finden Sie den «Club» zum Beispiel gut, der immer wieder auf die falschen Themen setzt und dessen Gesprächsführung nicht überzeugt?
Ich nehme diesen Punkt mit, nicht damit Sie sagen, ich würde alles nur loben. Nochmals: Ob «Club» oder eine andere Sendung: Wir setzen uns mit allen Formaten kritisch auseinander.
Welche Pläne haben Sie für das neue Jahr?
Die wichtigste Aufgabe bleibt die digitale Transformation. Und dann beschäftigen mich die politischen Prozesse rund um die Initiative und allfällige Gegenvorschläge enorm. Ich bin verantwortlich für 3000 Mitarbeitende.
Und irgendwann möchten Sie SRG-Generaldirektorin sein!
(Rückt näher.) Wie bitte?
Sie wollen den Job der Generaldirektorin, richtig?
Nein! Ich mache den Job, den ich bei SRF mache, sehr gern und bin sehr zufrieden. (aargauerzeitung.ch)
- die Schweiz ist aufgrund ihrer Mehrsprachigkeit enorm "aufwändig", journalistisch abzudecken
- grade in der heutigen, schnellebigen Infowelt ist eine intensive Quellenrecherche wichtig
- ein privates News-Medium hat IMMER eine politische Schlagseite
- weniger öffentliche Mittel = Abstriche bei der Inhaltsqualität
- bestes Beispiel: Eishockey auf dem-privaten-Kanal-mit-Exklusivrechten: die Matchzusammenfassung ist ein billiges Zusammengeschnippsel aus dem Live-Stream
Ich hoffe, die SRG-Newsqualität bleibt erhalten!