Schon bald will die Nationale Genossenschaft für die Lagerung radioaktiver Abfälle, kurz Nagra, einen folgenschweren Entscheid, respektive Vorschlag, kommunizieren. Es geht um den Standort für ein Tiefenlager. Drei Regionen in der Nordostschweiz kämen laut Vorabklärungen infrage.
In Berichten ist von einem «Endlager» die Rede, denn der Atommüll soll so vergraben und eingeschlossen werden, dass keine Gefahr für Mensch und Umwelt bestehe.
Angeblich für 1 Million Jahre.
Noch nie hat der Mensch Einrichtungen geplant und gebaut, die nur annähernd so lang Bestand hatten. Doch nun wollen die Verantwortlichen nach diversen Pannen und Verzögerungen einen wichtigen Schritt weitergekommen sein.
Unabhängige Schweizer Wissenschaftler, die sich intensiv mit der Tiefenlager-Problematik befassen, warnen jedoch eindringlich vor dem Vorhaben. Sie sagen, die Probleme mit dem stark strahlenden Abfall würden mit dem vorliegenden Projekt nicht gelöst, sondern in die Zukunft verlagert.
watson lässt den bekanntesten Kritiker der Schweizer Tiefenlager-Pläne zu Wort kommen.
Anmerkung: Das vorliegende Interview ist der erste einer Reihe von Artikeln zum Vorhaben der Nagra und befasst sich mit den grundlegenden Problemen und Risiken. Als Nächstes soll ein Beitrag die wichtigsten Fragen rund um das in der Nordostschweiz geplante Tiefenlager beantworten. Die Nagra will ihren Standortvorschlag Mitte September kommunizieren.
Im Folgenden kommt der Mann zu Wort, der von der Nagra selbst als «einer der prominentesten Kritiker des Projekts Tiefenlager» bezeichnet wird. Es ist der Geologe und Sozialwissenschaftler Marcos Buser, ein international renommierter Experte für die Entsorgung hochtoxischer Abfälle.
Buser beschäftigt sich seit vielen Jahrzehnten mit der Frage, was die Schweiz mit ihrem radioaktiven Müll tun soll und setzt sich unermüdlich für ein wissenschaftlich abgesichertes, transparentes Vorgehen ein (siehe Box unten).
Herr Buser, seit einem halben Jahrhundert sucht die Nationale Genossenschaft für die Lagerung radioaktiver Abfälle (Nagra) in der Schweiz nach geeigneten Standorten für die «Endlagerung» des Schweizer Atommülls. Nun wollen die Verantwortlichen der Bevölkerung den Eindruck vermitteln, es sei eine sichere Lösung gefunden worden. Wie ist Ihre Haltung dazu?
Nun gut, es ist die Aufgabe der Nagra, Standorte zu suchen. Jemand muss ja nach Lösungen suchen. Doch das grundlegende Problem ist eben ein anderes. Nämlich dass die Nagra eine Interessenorganisation ist, welche die Atomindustrie vertritt. Es ist nie gut, wenn solche Interessenverbände «Lösungen» präsentieren, die weit über die Existenzdauer einer Firma hinausgehen.
Warum?
Verständlicherweise werden die positiveren Bewertungen bei der Umsetzung gewählt, und nicht die sicherheitsmässig hinreichenden. Das hat man bei den bisher präsentierten Lösungsvorschlägen gesehen: Alle vorgeschlagenen Projekte sind gescheitert, ob Anhydritgesteine, das tiefe Kristallin oder der Wellenberg. Die Liste ist lang. Darum wären interessenunabhängige starke Strukturen für die Bearbeitung und die Kontrolle solcher Programme derart wichtig. Aus meiner Sicht ist diese Grundvoraussetzung nicht erfüllt und die präsentierten Lösungen zeigen diese Programmschwächen auf.
Sie warnen seit Jahren (siehe Quellen), ein Endlager, so wie es die Nagra plant, werde nicht funktionieren. Was spricht dagegen, hochaktiven Abfall in mehreren hundert Metern Tiefe zu versenken?
Die heutige Konzeption eines Endlagers in 500 bis 900 Meter Tiefe ist von der technischen Entwicklung überholt. Man kann ein solches Projekt als Zwischenschritt – eine Art End-Zwischenlager – betrachten, das in ein paar hundert Jahren wieder saniert und in eine bessere und definitive Form überführt werden kann. Denn über aberzehntausende verwendbare waffenfähige Stoffe in einer Tiefe von wenigen hundert Metern für eine Million Jahre zu deponieren, ist irrwitzig.
Wo sehen Sie das grösste Risiko?
Ein definitives Lager muss nicht nur den Schutz der Umwelt beinhalten, man muss ein solches auch vor dem Zugriff des Menschen schützen können. Dies ist mit dem heutigen Konzept nicht gewährleistet. Wir müssen weiter denken und nicht nur Löcher graben und glauben, das Problem lasse sich so auf ewig lösen. Auch wenn das ärgerlich ist: So einfach werden wir den Atommüll nicht los.
Ein Nagra-Vertreter äusserte kürzlich in einem Interview: «Der internationale Konsens ist, dass der beste Ort für ein Lager dort ist, wo der Mensch nicht herankommt. Wir haben eine technische Lösung, jetzt brauchen wir nur noch den politischen Willen. Ich fände es nicht fair, wenn wir dies künftigen Generationen überliessen.» Was halten Sie von dieser Argumentation?
Diese Argumentation ist irrig, der erwähnte internationale Konsens ist löchrig und schlecht durchdacht.
Weshalb?
Es gibt keinen hinreichenden Schutz eines Endlagers in 500 Metern oder meinetwegen 700 bis 900 Metern Tiefe. Schachtanlagen mit Grossdurchmessern von über einem Dutzend Metern sind heute Stand der Technik, relativ rasch ausführbar und bezahlbar. Mit KI und Robotik wird dies künftig sogar noch viel einfacher werden. Die Rückholbarkeit ist eine Frage der dafür eingesetzten Mittel. Die bisherige Argumentation der nuklearen Gemeinschaft, wonach tiefe Endlager dauerhaften Schutz bieten können, ist darum überholt. Wie sich die Menschheit und die Länder entwickeln, wissen wir nicht. Das zeigt auch der Ukraine-Krieg in aller Deutlichkeit: Der Aggressor ist nicht ein hinterwäldlerischer Staat, sondern ein modernes und letztendlich europäisches Land. Unfassbar!
Die grosse Gefahr für die Zukunft eines Endlagers wird daher das Eindringen in dieses Lager durch künftige politische Systeme darstellen. Wir werden nicht darum herumkommen, nach neuen Lösungswegen für dieses Problem Ausschau zu halten, um der langfristigen Gefahr der Proliferation besser entgegentreten zu können. Und die heute als Endlager konzipierten Anlagen dürften darum – sollten diese überhaupt realisiert werden – eine nach der anderen wieder ausgehoben werden. Kölliken und alle inzwischen sanierten Sondermülldeponien oder das deutsche Endlagerbergwerk Asse II sind dafür gute Beispiele. Grundlegende Irrtümer in den Konzeptionen wurden später immer wieder korrigiert.
Die Nagra hat kürzlich zum ersten Mal öffentlich verlauten lassen, dass es hierzulande wohl ein «Kombilager» werden soll. Sprich, schwache und mittelaktive Abfälle sollen am gleichen Standort gelagert werden wie hochradioaktive Abfälle. Wie beurteilen Sie das?
Klar: es ist die billigste und einfachste Lösung. Nur ein Zugang zu zwei Lagern, nur ein Standort, an dem man sich mit der Bevölkerung herumschlagen muss. Ausschlaggebend ist, dass die beiden Lager gesteinsmässig und betriebsmässig getrennt wären. Das ist vor allem wegen Brandrisiken heikel. Ansonsten spricht à priori nichts gegen ein solches Doppel-Konzept.
Im Verbund mit zwei anderen renommierten und unabhängigen Endlager-Experten, ebenfalls Geologen, weisen Sie auf Ihrer gemeinsamen Website nuclearwaste.info auf Probleme beim Untergrund hin.
Alle Standorte im Schweizer Verfahren sind nicht besonders gut gelegen. Der geologische Untergrund in der Schweiz ist kompliziert und nun einmal wenig geeignet. Selbst in den höffigsten Gebieten wie der Nordostschweiz.
Was meinen Sie damit?
Die Standorte Bözberg und Nördlich Lägern liegen über dem Permo-Karbon-Trog, dessen Bedeutung bisher einfach nicht sauber abgeklärt wurde. Findet man tatsächlich Erdgas in diesem Trog, dürften die Tage eines Endlagers in diesen Gebieten gezählt sein. Aber Nagra und Behörden weigern sich standhaft, die entsprechenden Untersuchungen auszuführen. Das Weinland liegt in einer tektonisch komplizierten Umgebung, was eine schlechte Voraussetzung für ein solches Lager ist.
Hinzu kommen weitere Probleme der Neotektonik, also heutigen Bewegungen des Tiefuntergrundes, aber auch des Schutzes von tiefem Grundwasser, das aufgrund der klimatischen Veränderungen möglicherweise auch einmal als Trinkwasserreserve gebraucht werden wird.
Die Nagra vermittelt den Eindruck, sie habe die Eignung des geologischen Untergrundes ausreichend abgeklärt, mit aufwändigen seismischen Messungen, sogenannten Quartärbohrungen und Tiefbohrungen.
Weitere Untersuchungen sind unbedingt erforderlich. Wir kennen die Eintiefungsgeschichte des Pero-Karbon-Trogs schlecht, wir wissen nicht, wie tief er ist, wie seine Geometrie wirklich aussieht, welche nutzbaren Ressourcen sich tatsächlich in seinem Inneren befinden. Seit Jahrzehnten sollten diese Abklärungen erfolgen. Die hohen Kosten für dieses Untersuchungsprogramm waren sicher auch Gründe dafür, dass die zuständigen Organisationen dieses Programm nicht durchführten, respektive verfügten. Aber wir brauchen nun einmal den Nachweis und damit die Gewissheit, dass sich unter einem Endlager kein abbauwürdiges Rohstofflager befindet. Ohne diesen Nachweis ist der Standortentscheid nicht komplett und somit nicht vertretbar. Diese Position teilen wir den Sicherheitsbehörden und der Nagra seit einem Jahrzehnt mit – ohne Erfolg. In diesem Zeitraum hätte man sich das Wissen beschaffen können.
Bis heute gibt es weltweit kein einziges Endlager für hochradioaktiven Abfall, das die langfristigen Qualitätsanforderungen an ein solches Projekt erfüllt, schreiben Sie in einem aktuellen Blog-Beitrag. Wie kommen Sie darauf?
Die heute verfolgten Konzepte sind nicht nur nicht zielführend. Sie sind vor allem überholt. Die Tiefe eines Endlagers für 1 Million Jahre ist – wie oben dargelegt – völlig unzureichend. Das Vorgehen des «Trial and Error» wird immer wieder zum gleichen Ergebnis führen. Man probiert etwas aus, bis sich zeigt, dass man etwas übersehen hat. Und wenn es dann nicht geht, wird korrigiert.
Was müsste sich ändern?
Es fehlt die vorausschauende Haltung. Eine Fehlerkultur mit Prozessbegleitung ist nicht installiert. Seit Jahrzehnten weisen wird darauf hin, dass die bisher durchgeführten Projekte rückblickend auf ihre Fehler untersucht werden sollten, nicht um anzuklagen, sondern um zu verstehen. Aber dieses Ansinnen wird seitens der Behörden und der Entsorger bewusst blockiert. Denn würde das gemacht, würden nicht nur die Fehler sichtbar, sondern vor allem die Defizite in den Strukturen und im Prozessvorgehen.
Wer Atommüll verursacht, soll für dessen Entsorgung aufkommen. Das erscheint vielen Leuten einleuchtend. Nun haben Sie aber wiederholt darauf hingewiesen, dass es falsch sei, dem Verursacher (also den AKW-Betreibern, bzw. der Nagra) auch gleich die Suche nach einem Endlager zu überlassen. Was lief hier falsch?
Das Verursacherprinzip besagt nur, dass der Verursacher die Kosten zu übernehmen hat. Nicht aber, dass er die Planung eines solchen Projektes selber übernehmen muss. Er soll in jedem Fall zur Kasse gebeten werden – soweit überhaupt möglich. Aber Planung und Ausführung eines solchen Projektes sollten von Institutionen übernommen werden, die nicht mit der verursachenden Industrie verbandelt sind. Irgendwann einmal wird die Atomindustrie zu Ende sein, und ihre Abfälle sind dann noch da. Wer übernimmt dann die Kosten für die Altlasten? In 500 oder 1000 Jahren? Nicht der Verursacher, sondern die als Staat organisierte Gemeinschaft. Dann wäre es folgerichtig, ihr schon jetzt die Verantwortung für die Planung und Ausführung von Entsorgungsprojekten zu übergeben – finanziell zulasten der Verursacher.
Verfechter der Endlagerung in geeigneten Gesteinsschichten verweisen gerne auf Finnland, wo nach 15-jähriger Bauzeit bald mit der Lagerung im Granit begonnen werden soll. Wie beurteilen Sie das Vorhaben?
Das Projekt ist unausgereift und dient der Propaganda. Es bestehen weiter grundlegende Probleme mit der Korrosion der Kupferkanister. Kritische Befunde werden unter den Tisch gewischt, etwa die Langzeit-Korrosionsversuche im Labor Aspö. Sie zeigen, dass die Kupferkorrosion sehr viel rascher vor sich geht, als bisher angenommen. Das Kristallingestein ist wasserdurchlässig. Der Schutz vor Auslaugung radioaktiver Stoffe aus dem Endlager beruht im Wesentlichen auf Kanistern und Bentonit-Umhüllung. Das ist einfach zu wenig.
Hinzu kommt, dass das finnische Projekt davon ausgeht, man werde das Endlager nach Verschluss vergessen, so dass es de facto unauffindbar sein werde. Damit umgehen die finnischen Planer alle Fragen um die «Intrusion» eines Lagers – also dem Eindringen – durch den Menschen. Dabei ist dies eine Schlüsselfrage in Sachen Langzeitsicherheit.
Schliesslich sind weder eine Baugenehmigung noch die ausstehende Betriebsgenehmigung Beweise, dass ein Konzept funktioniert, wie die bisherigen Misserfolge bei Endlagern zeigen. Denn auch diese hatten Bau- und Betriebsgenehmigungen. Und was das Funktionieren solcher Projekte anbelangt, kann man auf 7 Jahrzehnte nicht eingehaltene Versprechungen zurückblicken.
Was wir also brauchen, sind nachprüfbare Vorgehensweisen: industrielle Machbarkeitsnachweise, Pilotlager, Langzeitüberwachungsnachweise als Nachweise, dass so ein Konzept überhaupt funktionieren kann. Heute beruhen die Aussagen zur Langzeitsicherheit auf Forschungen in Felslabors, Extrapolationen und Modellierungen. Das ist alles gut und recht. Aber es sind keine Nachweise oder Beweise, dass ein Konzept funktioniert.
Das Schweizer Konzept sieht ja vor, neben dem grossen Endlager ein Pilotlager zu betreiben, in dem ein kleiner Teil der (hochradioaktiven) Abfälle aufgenommen und regelmässig überwacht werden soll. Wenn bei den Untersuchungen im Pilotlager ein Problem auftritt, dann weiss der Betreiber, dass auch im grossen Lager nachgearbeitet werden muss. Reicht dieses Monitoring?
Das Pilotlager wurde von der Expertenkommission Endlager-Konzepte für Radioaktive Abfälle (EKRA) um die Jahrtausendwende vorgeschlagen. Warum? Zum einen, um die laufende Kontrolle eines Teils der Abfälle in einem separaten Lager tatsächlich und laufend kontrollieren zu können. Zum anderen als Voraussetzung dafür, dass die betroffene Bevölkerung auch sieht, dass diese Überwachungsaufgabe ausgeführt wird. Dies dient der Förderung der Akzeptanz. Das Pilotlager wurde im Kernenergiegesetz von 2003 verankert. Nun soll es aber nur bis zum Verschluss des Endlagers betrieben werden, was viel zu kurz ist, um einige der relevanten Prozesse im Endlager zu überwachen – etwa die Korrosion von Behältern. Hier muss nachgebessert werden und das ursprüngliche Konzept der EKRA mit offenen Laufzeiten des Pilotlagers wieder eingeführt werden. Teurer, aber sicherer.
Was halten Sie von dem demokratisch legitimierten Vorgehen zur Schweizer Standortsuche, dem sogenannten «Partizipationsverfahren», das der betroffenen Bevölkerung ein Mitspracherecht einräumt?
Partizipation heisst Mitbeteiligung. Auch an Entscheidungen. Aber dieses sogenannte Schweizer «Partizipationsverfahren» löst diese Vorgabe nicht ein. Von Entscheidungen in Sicherheitsfragen ist die Bevölkerung ausgeschlossen, obschon sie nur wenige hundert Meter über dem Standort des Endlagers leben wird. Ohne Einbezug und Beteiligung zu fundamentalen Sicherheitsfragen wird es bei solchen Risikoprojekten nie zur Ruhe kommen. Der Einbezug der hinterfragenden Bevölkerung ist eine unumgängliche Voraussetzung für die Umsetzung eines Entsorgungsprojektes.
Sie hatten schon 2019 vorgeschlagen, die Schweiz solle statt eines «Endlagers» ein gesichertes unterirdisches Zwischenlager bauen, um dort die hochaktiven Abfälle zu lagern. So könne man Zeit gewinnen, um das Atommüll-Problem neu anzugehen. Und heute?
So sehe ich es auch heute. Die technische Entwicklung wird rasch fortschreiten, was neue Möglichkeiten des Einschlusses der radioaktiven Abfälle ermöglichen sollte: andere Materialien (z.B. Keramik), aber auch andere Einschluss-Konzepte wie etwa Synroc. Vor allem: Wir sollten warten, bis die grossen Störfaktoren durch die kurzlebigen stark strahlenden Isotope abgeklungen sind. Konkret heisst dies, dass wir einigermassen kalte und weniger reaktive Abfälle haben würden – bedeutend bessere Bedingungen für den langzeitwirksamen Einschluss der hochtoxischen Abfälle. Auch wissen wir nicht, was seitens der Physik noch kommen wird.
Alles in allem viele Faktoren, welche neue Möglichkeiten für bessere Lösungen auftun. Wenn wir die Geschichte der konventionellen Abfallentsorgung anschauen, wurde ja der Weg der raschen Entsorgung ebenfalls gewählt, mit katastrophalen Folgen, wie Kölliken, Gamsenried oder Bonfol zeigen. Statt vorbeugend zu handeln, werden kurzfristig Sachzwänge geschaffen, die danach schmerzhafte und kostenintensive Eingriffe für ein Staatswesen mit sich bringen.
Was wäre ein wirklich sicheres Zwischenlager?
In Schweden liegt das Hauptzwischenlager zum Beispiel 30 Meter unter der Terrainoberfläche. In der Schweiz sollten die Zwischenlager ebenfalls unterirdisch gebaut oder betrieben werden, dann hätte man Flugzeugabstürze, Drohnenangriffe und andere Terrorszenarien wirksamer im Griff. Vor allem auch die Auswirkungen wegen der Verzögerungen der Endlagerprogramme: Wir müssen die Sicherheit der Lösungen in den Vordergrund stellen, und nicht einen Status-Quo-Zustand von Infrastrukturen.
Mit einem zentralen, unterirdischen Trockenlager für hochaktive Abfälle wäre die Schweiz äusserst gut geschützt. Es wäre auch einiges kostengünstiger, statt Zwischenlager wie das Zwilag oder das Nasslager Gösgen immer wieder aufgrund neuer Bedrohungen aufzurüsten: Dickere und verstärkte Mauern für die Zwischenlager, massiv verstärkte Dächer, Abwehrschilder gegen Terror usw. Auch in diesem Fall gilt: Langfristig denken und die wirklichen Risiken erkennen, ist letztendlich immer besser und auch kostengünstiger.
Sie haben wiederholt und eindringlich – unter anderem in Ihrem Buch «Wohin mit dem Atommüll?» auf schweres systemisches Versagen und Versäumnisse der hiesigen Akteure hingewiesen. Wenn Sie einen Blick in die Zukunft wagen: Was braucht es, damit die Schweiz ihr Atommüllproblem wirklich sicher lösen kann?
Schlechte Konzepte und schwache Überwachungsstrukturen sind das Ergebnis von Strukturproblemen. Solange diese nicht angegangen werden, bleibt das Risiko von weiteren Fehlschlägen gross. Die Entsorgungsprogramme waren bisher in erster Linie politische Programme, die dem Betrieb der Kernkraftwerke dienten. Die Wissenschaft wurde in die zweite Reihe relegiert. Grundlegende Sicherheitsfragen blieben auf der Strecke. Darum scheiterten die bisherigen Programme. Traten irgendwelche Probleme auf, wechselte man das «Wirtgestein» und verlängerte die Bewilligungen. Man hat nicht vorausschauend, sondern immer reaktiv gewirkt. Eine Fehler- und Sicherheitskultur, die diesen Namen verdient, wurde bisher nicht eingerichtet.
Was darum notwendig ist, ist Kritik von Fachleuten und betroffener Bevölkerung ernst zu nehmen und nicht auszugrenzen oder zu verleumden. Dies sind Versäumnisse des Regulators, also des Staates, der sich aus der Verantwortung stiehlt und die Umsetzung eines Langzeitsicherheitsprogramms der Industrie überlässt. Dabei wäre es auch aus der historischen Perspektive klug, dass der Bund eine offene Debatte kritischer Faktoren zulässt, statt diese zu verhindern.
* Das Interview wurde schriftlich geführt.
Was hältst du von der Standortsuche der Nagra? Und grundsätzlich: Soll die Schweiz ihren hochradioaktiven Atommüll bis zu 900 Meter tief vergraben und die Stollen versiegeln? Oder wäre es sinnvoller, die langfristige Überwachung und Rückholbarkeit zu gewährleisten, indem man das Material in einem unterirdischen Zwischenlager aufbewahrt?
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Genau das. Und wenn die dann die Kosten sehen, will niemand mehr ein AKW bauen. Selbst wenn es die Politik bestellt. Zu teuer.
Aber ein billiges Loch buddeln, das für ein paar Jahre dicht ist, das kann jeder. Dann werden die Kosten einfach auf kommende Generationen überwälzt.
Lasst uns noch mehr strahlenden Müll produzieren
🙈
- Danke, dass ihr dieses Thema einmal aufgreift. In der breiten Bevölkerung ist der Begriff Nagra meist eine Unbekannte.
Das Thema ist nicht trivial, aber ich bin gespannt auf die weitere Berichterstattung.