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Wie arabische Touristinnen das Verhüllungsverbot umgehen

Wie arabische Touristinnen das Verhüllungsverbot umgehen

Seit Anfang Jahr gilt in der ganzen Schweiz ein Verhüllungsverbot. Doch die betroffenen Touristinnen aus dem arabischen Raum haben längst ein Schlupfloch gefunden.
15.04.2025, 08:3015.04.2025, 08:30
Lea Hartmann / ch media
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Ob Stoppschild überfahren, Kiffen oder Ausrupfen einer geschützten Pflanze: über 400 verschiedene Vergehen gibt es, die eine Busse zur Folge haben. Und seit Anfang Jahr ist die Liste um einen weiteren Eintrag länger: dem Verstoss gegen das Verhüllungsverbot.

100 Franken werden fällig, wer sein Gesicht im öffentlichen Raum verschleiert. Das Verhüllungsverbot gilt seit Anfang Jahr. Damit wird die «Burka-Initiative» umgesetzt, die die Schweizer Stimmbevölkerung 2021 angenommen hat.

Nur eine Handvoll Bussen

Bisher ist allerdings kaum eine verschleierte Muslimin gebüsst worden. Im Kanton Bern ist seit Anfang Jahr gerade einmal eine Busse ausgesprochen worden. In der Stadt Zürich sind es vier Bussen, wie die Stadtpolizei auf Anfrage von CH Media mitteilt. Wie viele es im gesamten Kanton sind, kann die Kantonspolizei nicht sagen. Genf hat in den ersten Monaten des Jahres drei Bussen ausgestellt – alle am Flughafen.

Bei den Gebüssten muss es sich nicht unbedingt um Frauen handeln, die aus religiösen Gründen das Gesicht verschleiern. Auch vermummten Hooligans oder Demonstranten droht eine Busse. Doch im Gegensatz zu Nikab oder Burka war diese Art der Gesichtsverhüllung schon vorher in vielen Kantonen nicht gestattet.

In St. Gallen und dem Tessin ist auch der Gesichtsschleier bereits seit einigen Jahren verboten. Seit 2019, als das Verbot in St. Gallen in Kraft trat, hat die Polizei keine einzige Busse verhängt.

17.07.2024. Russia. Moscow. A Muslim woman in a hijab and a medical mask in the summer on a Moscow street. Alexey Belkin/NEWS.ru BelkinxAlexey
Wie in Moskau (Bild), so in der Schweiz.Bild: www.imago-images.de

Musliminnen wissen sich zu helfen

Dies liegt einerseits daran, dass es in der Schweiz schlichtweg nur sehr wenige vollverschleierte Musliminnen gibt. Auch nicht viele Touristinnen.

Andererseits kennen die muslimischen Touristinnen einen Trick, um das Verhüllungsverbot zu unterlaufen: Statt eines Gesichtsschleiers tragen sie Kopftuch und Hygienemaske. Denn das Verhüllen des Gesichts aus gesundheitlichen Gründen ist und bleibt erlaubt.

Der Trick mit der Maske habe sich schnell herumgesprochen, sagt der Leiter eines Reisebüros in Interlaken, das speziell auf arabische Gäste ausgerichtet ist, zu Radio SRF.

Den Behörden sind die Hände gebunden

Bereits vor Annahme der Verhüllungsverbots-Initiative – und noch vor Ausbruch der Corona-Pandemie – war diese Umgehungsmöglichkeit Thema. Im Tessin, wo der Gesichtsschleier seit neun Jahren verboten ist, reichten rechte Kantonsräte 2019 einen Vorstoss ein, der die Regierung aufforderte zu prüfen, wie man das Schlupfloch schliessen könnte. Doch geschehen ist daraufhin nichts.

Auch die Berner Kantonspolizei gibt auf Anfrage von Radio SRF an, gegen das Schlupfloch machtlos zu sein. «Wir wissen ja nicht, ob die Frauen wirklich krank sind oder nicht», sagt eine Sprecherin. In anderen grösseren Kantonen hat man keine Kenntnis von Touristinnen, die das Verbot auf diese Weise umgehen – oder man kann dazu keine Auskunft geben.

Das Tragen einer Maske aus gesundheitlichen Gründen ist übrigens nicht die einzige Ausnahme vom Verhüllungsverbot. Auch Fasnächtler müssen keine Busse fürchten, wenn sie ihr Gesicht hinter einer Larve verstecken. Und im Winter bleibt es erlaubt, den Schal etwas tiefer ins Gesicht zu ziehen.

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Hidschab & Co. – Verhüllungen vom Kopftuch bis zur Burka
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Hidschab & Co. – Verhüllungen vom Kopftuch bis zur Burka
Hidschab: Wird vor allem als Bezeichnung für ein Kopftuch verwendet, das Haar und Ohren vollständig bedeckt, das Gesicht indes frei lässt. Meist werden zusätzlich die Halsregion, der Ausschnitt und eventuell die Schultern bedeckt.
quelle: shutterstock
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Ein Verbot, das «Frauen schützt»
Video: srf
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196 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Gina3
15.04.2025 08:59registriert September 2023
In Italien gibt es ein Sprichwort: "Fatta la legge, trovato l'inganno". Ist das Gesetz erst einmal gemacht, findet man auch gleich das Schlupfloch. Das war zu erwarten.
Ich weiß nicht, wer mir mehr leid tut: diese Frauen oder die Männer, die ihre Männlichkeit darauf aufbauen, Frauen einen Schleier aufzuerlegen?
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Roli_G
15.04.2025 10:00registriert Januar 2021
Kann man das wirklich Trick und Schlupfloch nennen, wenn die Ausnahme explizit im Gesetz verankert ist?

Im übrigen muss man nicht krank sein um eine Hygienemaske zu tragen. Der Sinn einer Maske kann auch sein nicht krank zu werden.
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ABWESEND
15.04.2025 10:11registriert September 2024
also haben wir viel Geld ausgegeben für ein Problem, welches gar nie relevant war und einfach umgeht wird mit einer Hygienemaske?

bravo Partei des Volkes, einfach ein dickes Lob von meiner Seite aus, bravo.
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