Mario Schmidli, wo ist das Jugendschiff «Salomon» gerade unterwegs?
Im Moment ankert das Schiff vor einer Insel der Kap Verden. Die «Salomon» ist etwa ein Drittel der Zeit auf See.
Wie kommt ein Jugendlicher auf das Schiff?
Die Jugendlichen werden von der Kinder- und Erwachsenenschutzbehörde, von Jugendämtern und selten auch Jugendanwaltschaften bei uns platziert, wenn alle anderen sozialpädagogischen Massnahmen gescheitert sind. Das Schiff ist ihre letzte Chance.
Und danach?
Wenn sie die vierzig Wochen «bestehen», besuchen sie ein Nachbetreuungs-Angebot. Wir behalten den Kontakt zu fast allen Jugendlichen. Und das teilweise jahrelang. Das steht auch im Zentrum des Programms: Die Jugendlichen lernen hier wieder, eine Kooperation einzugehen.
Das kostet 430 Franken pro Tag. Ist das teuer?
Nein. Ein vergleichbares Heim würde auch 400 bis 800 Franken pro Tag kosten, eine geschlossene Anstalt sogar bis zu 1000 Franken. Im Vergleich sind wir mit dem Preis von 430 Franken pro Tag schweizweit im unteren Bereich. Der grösste Budgetposten sind die Löhne, ausserdem haben wir uns an zahlreiche Auflagen zu halten, die mit hohen Kosten verbunden sind.
Seine Mutter sagt, er hätte in ein Internat für 60'000 Franken gehen können.
Der Jugendliche hat eine lange Vorgeschichte, er ist durch alle möglichen Schulsysteme gefallen. Die einzige Alternative zu «Salomon» ist eine geschlossene Anstalt. Auch ein Internat hätte nicht funktioniert. Das Problem ist nicht seine schulische Leistung, sondern dass er sich nicht in den Unterricht eingliedern kann. Aber seine Mutter sah das anders. Sie war immer gegen uns.
Und er selbst? Wollte er aufs Schiff?
Nein. Weil die Mutter nicht wollte, wollte er auch nicht. Er fand sich relativ schnell damit ab, als er da war und dachte sich, er könne sowieso bald wieder nach Hause. Er wusste, dass seine Mutter Rekurs einlegen würde.
Damit ist sie aber zwei Mal abgeblitzt. Jetzt sagt sie, es gehe ihrem Sohn immer schlechter.
Ich kenne den Jungen gut, ich habe ihn während sechs Wochen – und zwar in seiner Anfangsphase – erlebt. Natürlich gibt es Krisenmomente, aber dass es ihm immer schlechter geht, ist nicht wahr. Er leidet darunter, dass er in die Öffentlichkeit gezerrt wurde und jetzt auf dem Schiff Thema Nummer Eins ist.
Er ist jetzt der «Carlos von Schmerikon», der auf Kosten der Steuerzahler segeln geht.
Ja, er muss den Kopf hinhalten für eine Diskussion, in der es nur um Geld geht. Dabei steckt ein Jugendlicher dahinter, der viel durchmachen musste.
Wird irgendwann ein nächster Carlos den Kopf hinhalten müssen?
Ich hoffe nicht. Es ist schon gut, wenn die Öffentlichkeit ein Auge auf dieses System wirft und es in gewissem Masse überwacht. Doch dabei müsste auch eine echte Auseinandersetzung mit den einzelnen Angeboten stattfinden: Was leisten die Programme wirklich? Der Erfolg unserer Arbeit ist halt erst später sichtbar.